Hinterlassenschaften im Orbit 12.04.2022, 08:34 Uhr

Weltraumschrott – wird unser All zugemüllt und was kann man dagegen tun?

Wie sehr schadet die Raumfahrt der Erde? Weltraumschrott vermüllt nicht nur das All, sondern kann eines Tages auch uns gefährlich werden. Welche Maßnahmen ergriffen werden und wie hoch das Risiko ist, erklären Luft- und Raumfahrtingenieure.

Hunderte weiße Punkte auf schwarzem Hintergrund zeigen Trümmerteile, die um die Erde herumfliegen

Der erdnahe Orbit gleicht einem Trümmerfeld.

Foto: Studio Roosegaarde

In den frühen Tagen der Raumfahrt kümmerte Weltraumschrott die Raumfahrtnationen wenig. Das hat sich drastisch geändert, denn der Müll im All ist gefährlich und teuer geworden. Raketenreste und Satellitentrümmer schweben als Abfall im All. Der Ukraine-Krieg ist ein Rückschlag für mögliche gemeinsame Pläne einer „kosmischen Müllabfuhr“.

Mit Müll haben wir nicht nur auf der Erde zu kämpfen – auch im Weltall wird er zunehmend zum Problem. Trümmer ausgedienter Satelliten und Reste alter Raketen machen Raumfahrt vor allem in Erdnähe immer gefährlicher. Bereits kleine scharfkantige Splitter können bedrohliche Löcher in Raumschiffe reißen.

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Wenn wir jetzt nicht das Aufräumen beginnen, machen wir den begehrten erdnahen Orbit unbenutzbar. Wie im Weltall aufgeräumt wird, besprechen wir im Podcast „Technik aufs Ohr“ mit Enrico Stoll, Leiter des Fachgebiets Raumfahrttechnik an der TU Berlin.

Inhalt dieses Artikels:

 

Millionen Teile von Weltraumschrott jagen wie Geschosse um die Erde. Vermüllt unser All und wie gefährlich kann das für uns werden? 30.000 Objekte sind größer als 10 Zentimeter und somit gut von der Erde aus zu beobachten. Wissenschaftler schätzen anhand von Modellrechnungen, dass sich in der Erdumlaufbahn insgesamt etwa eine Million Teile befinden, die größer als ein Zentimeter sind. Würde etwa eine so große Schraube gegen einen Satelliten prallen, hätte sie nach Einschätzung von Experten die Zerstörungskraft einer Handgranate. Russlands Raumfahrtbehörde Roskomos bereitet die wachsende Zahl von Schrottteilen Sorge. Bei einem Zusammenstoß könnte die ISS rund 400 Kilometer über der Erde beschädigt oder im schlimmsten Fall zerstört werden, teilt Roskosmos der Deutschen Presse-Agentur mit.

„10 Prozent davon sind aktive Satelliten. 750.000 Objekte sind größer als ein Zentimeter, das können aber auch Kühlmittel von Satelliten sein. Das klingt zwar viel, ist aber noch nicht dramatisch“, sagt Professor Enrico Stoll.

Die Aufgabe ist dennoch gigantisch, lästig und teuer. Und wenn sie international nicht ernst genommen wird, werden die Folgen für den Menschen höchst gefährlich sein. Es geht um die Beseitigung von Müll, der in der erdnahen Umlaufbahn mindestens genauso stört wie vor der eigenen Haustür. „Seitdem Sputnik ins All geschossen wurde, haben sich rund 4.500 Satelliten angesammelt, wovon etwa 3.000 inzwischen nicht mehr funktionieren“, sagt Rolf Densing, Leiter des Europäischen Raumflugkontrollzentrum ESOC in Darmstadt. Daran angeschlossen ist auch das Büro für Weltraummüll der ESA. Ja, die ESA hat ein eigenes Büro für die Hinterlassenschaften aus 60 Jahren Raumfahrt. In den ESOC Kontrollräumen, die mit Bodenstationen in aller Welt vernetzt sind, werden seit 1967 Satelliten während der gesamten Einsatzdauer verfolgt und überwacht. „Pro Tag haben wir über 100 Kollisionswarnungen, die alle händisch ausgewertet werden“, sagt Densing. Etwa alle zwei Wochen sei ein Ausweichmanöver erforderlich. Doch das „erfordert unglaublich viele Ressourcen und ist in Zukunft nicht mehr machbar“.

Lesen Sie auch: Was passiert mit Satelliten am Ende ihrer Nutzungsdauer?

Immer mehr Satelliten von SpaceX gelangen ins All

SpaceX baut Starlink weiter aus. Im März 2021 wurden 60 weitere Satelliten in den Orbit befördert. Innerhalb eines Monats können gut und gerne bis zu 240 Internet-Satelliten ins All gebracht werden. Führt das nicht zwangsläufig zu Kollisionen und weiterem Weltraumschrott?

„Eine gewisse Gefahr ist dabei vorhanden. Man schaut sich das aber über eine Kollisionswahrscheinlichkeit an. Die sind in der Regel sehr gering. Erst bei einer Wahrscheinlichkeit bei 104 beginnt man dann mit Maßnahmen, um die Satelliten aus dem Weg zu räumen“, erklärt Stoll. Er weist im Podcast aber daraufhin, dass wir schon genau hinschauen sollten, was wir da machen.

Die gesamte Podcast-Folge können Sie hier hören:

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Weltraumschrott bedroht Astronauten und Infrastruktur

Zu den intakten und ausgedienten Satelliten kommen ausgebrannte Raketenoberstufen, verloren gegangene Teile sowie Trümmer in Größen von wenigen Mikrometern bis hin zu mehreren Metern. Sie vermehren sich durch erneute Kollisionen immer weiter. 2009 etwa stießen der US-Satellit Iridium 33 und die ausgemusterte russische Sonde Kosmos 2251 zusammen und hinterließen über 2.200 Fragmente größer als 10 Zentimeter. Ein spektakuläres Foto eines Trümmerteils gelang einem Astronauten 2014 aus der ISS.

Das Erschreckende: Auch kleine Teile können enormen Schaden anrichten, wenn sie mit einer Differenzgeschwindigkeit von bis zu 56.000 km/h auf Satelliten einschlagen.

Grafik zu den Ursprüngen von Trümmerteilen im All

Foto: NASA

Ein Mensch gemachtes Problem, das nicht nur die millionenschwere Infrastruktur im All und auf der Erde bedroht, sondern auch die Besatzung auf der Internationalen Raumstation ISS. Mehr als 25 Mal schon mussten Ausweichmanöver für die ISS gesteuert werden. Werden Schrottteile auf Kollisionskurs nicht 24 Stunden vorher entdeckt, müssen sich die Astronauten trotz Spezialummantelung der ISS in eine Sojuskapsel zum Schutz zurückziehen.

Länder wie Russland, die USA, Kanada, China, Japan und Indien sowie die EU verfügen über Möglichkeiten zur Überwachung des erdnahen Raums. Längst arbeiten Wissenschaftler daran, wie Weltraummüll eingesammelt – und vermieden – werden kann. Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin hatte gefordert, Hersteller von Satelliten zu verpflichten, dass sie sich um deren Entsorgung kümmern müssen.

Dieses Space-Startup verhindert, dass Satelliten zu Weltraumschrott werden.

Das Kessler-Syndrom: Kaskade von Zusammenstößen

Schon der Astronom und Nasa-Mitarbeiter Donald Kessler hatte 1978 vor der Zunahme kleiner Objekte durch zufällige Kollisionen im All gewarnt. Seine statistischen Berechnungen sind als Kessler-Syndrom bekannt geworden: Wenn die Zahl der Objekte so stark ansteigt, dass Zusammenstöße unvermeidlich werden, löst das eine Kaskade weiterer Kollisionen aus. Im schlimmsten Fall würden Raumflüge und der Betrieb von Satelliten in einer solchen Schrottwolke unmöglich. Wie die Situation derzeit über der Erde aussieht, zeigte die ESA in einem Video anlässlich der 7. „Space Debris“-Konferenz, die 2017 in Darmstadt stattfand.

Diese weltweit größte Konferenz, die sich mit Strategien zur Eindämmung und Vermeidung von Weltraummüll befasst, wird alle vier Jahre einberufen. 21 Nationen waren 2017 vertreten und auch der „Raumfahrtschrott-Papst“ Kessler (damals 77 Jahre alt) war nach Deutschland gekommen. „Business as usual“, so sagte er auf der Konferenz, lasse die Zahl der Trümmerteile unkontrolliert wachsen und gefährde den Zugang zum erdnahen Orbit, auf Englisch Lower Earth Orbit (LEO).

Riesiger Asteroid rast an Erde vorbei: Nasa plant historische Mission

Zum Problem wird die lange Verweildauer der Objekte im All. In 400 Kilometern Höhe hält sich ein Raumfahrtobjekt ohne Antrieb rund 1 Jahr, in 600 Kilometern 25 Jahre, in 800 Kilometern Höhe 200 Jahre und ab 1.000 Kilometern Höhe bleibt der Satellit für immer im All.

Mega-Konstellationen bereiten Sorgen

Neue Sorgen bereiten den Raumfahrtnationen in diesem Zusammenhang die sogenannten Mega-Konstellationen. Diese Schwärme mit Mini-Satelliten im niedrigen Erdorbit bis etwa 1.000 Metern Höhe werden vor allem für die Telekommunikation gebraucht. Das Satelliten-Start-up OneWeb plant das Aussetzen Hunderter kleiner Satelliten, um Breitband-Internetverbindungen in Erdregionen zu ermöglichen, wo diese noch fehlen. Konkurrent SpaceX hat gerade die ersten 60 Satelliten ins All geschickt. Die Genehmigung sieht vor, dass SpaceX insgesamt 12.000 Satelliten im Low Earth Orbit sowie dem Very Low Earth Orbit verteilen kann.

„Mit diesen Mega-Konstellationen wird sich die Satelliten-Population quasi über Nacht vervielfachen und die Situation drastisch verändern“ sagt Rolf Densing. „Wenn es zu Zusammenstößen kommt, löst das eine lawinenartige Explosion aus und irgendwann haben wir das All für uns selbst unbenutzbar gemacht. Der Bedarf an selbststeuernden Satelliten wird dringender.“

Müllvermeidung beruht auf Freiwilligkeit

Obwohl der Bedarf allzu offensichtlich ist, gibt es bis heute kein bindendes internationales Gesetz zur Müllentsorgung oder -prävention im All. Die Vermeidung und Entsorgung von Weltraummüll beruht auf der Freiwilligkeit der Akteure. Im „Inter-Agency Space Debris Coordination Committee“, dem zwischenagenturlichen Koordinationskomitee für Weltraummüll, haben sich die 13 wichtigsten Raumfahrtnationen zusammengeschlossen, um gemeinsam staatliche Aktivitäten zum Thema Weltraummüll zu koordinieren. Ob es aber zu einer engeren internationalen Zusammenarbeit im All kommt, ist aktuell fraglich. Der Ukraine-Krieg hat Russland und den Westen entzweit. Skeptiker sehen auch den Fortbestand der ISS gefährdet.

Manuel Metz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beschäftigt sich seit Jahren mit Weltraummüll.

„Zur Vermeidung von Schrott gibt es in vielen Ländern, darunter in Deutschland, nur eine freiwillige Selbstverpflichtung“, sagt der Astrophysiker von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR.

Ein privater Akteur könne Satelliten in den Erdorbit bringen, ohne Richtlinien zu beachten. Die größte Schrott-Dichte findet man laut Metz rund 800 Kilometer über der Erde. „Das sind Orbits, die von Erdbeobachtungssatelliten häufig benutzt werden.“ Bei einer Kollision entstehe hohe Energie. „Da kann ein zehn Zentimeter kleines Objekt einen ganzen Satelliten zertrümmern. Dadurch entstehen Tausende weitere Fragmente.“

Parallel zur wissenschaftlichen Forschung spielt die politische Zusammenarbeit der Nationen eine wesentliche Rolle bei der Vermeidung von Weltraummüll. Neben dem bereits erwähnten Komitee der wichtigsten Raumfahrtnationen – Mitglieder sind neben den Europäern, den USA, Russland und Japan auch China und Indien – ist das Büro der Vereinten Nationen für Weltraumfragen (Unoosa) in Sachen Weltraumschrott aktiv. Bei UNOOSA wird ein Register aller Flugobjekte, die ins Weltall gelangen, verwaltet. Außerdem gibt es seit 2002 konkrete Richtlinien zur Eindämmung von Weltraumschrott.

Am 24. Mai 2019 haben Vertreter von ESA und Unoosa in Wien eine gemeinsame Vereinbarung unterschrieben, um ihre Kooperation zu bekräftigen und auszubauen. Hier geht es um den Austausch von Daten, die Entwicklung von Standards, die Herausgabe freier Lizenzen von Analyseprogrammen und die gegenseitige Benachrichtigung zu bedeutenden Ereignissen im All.

Weltraumschrott entsorgen: Neutralisation und Friedhöfe im All

Wie räumt man nun im Weltraum auf?

„Eine Art Staubsauger gibt es nicht“, so Enrico Stoll von der TU Berlin. „Energetisch ist es auch nicht sinnvoll, alles aufzuräumen.“

Stattdessen werden sich Hochrisikoobjekte angeschaut, die bis zu einer Tonne wiegen können. „Stellen Sie sich da mal einen Kleinbus vor, der vor Ihnen schwebt“, erläutert Stoll im Podcast „Technik aufs Ohr“. An der TU Berlin nimmt man sich die Natur zum Vorbild, um Weltraumschrott zu beseitigen. Stichwort Gecko-Prinzip. „Wir schauen uns den Fuß eines Geckos an. Der haftet ja auch überall. Wir bilden diese Füße nach und können damit einen Docking-Mechanismus entwerfen, zum Beispiel für Solarzellen an Satelliten.“

Enrico Stoll Porträt

Enrico Stoll, Professor für Luft- und Raumfahrttechnik an der TU Berlin, erklärt im Podcast wie Weltraumschrott beseitigt wird.

Foto: privat

Um den Weltraumschrott zu minimieren, soll zunächst neuer Müll vermieden werden. Eine Regel hierfür besagt, dass ein Satellit spätestens 25 Jahre nach Betriebsende seinen Platz im All endgültig räumen muss. Sobald er nicht mehr arbeitet, muss er deaktiviert werden können. Zum Beispiel indem Resttreibstoff abgelassen wird und die Batterien entladen werden. Nicht neutralisierte Satelliten können aus sich heraus explodieren und damit weiteren Müll produzieren. Seit 1961 sind rund 250 Fälle gezählt worden, in denen Satelliten im Orbit auseinandergebrochen sind. Die Gründe waren zum allergrößten Teil Explosionen durch Resttreibstoff, Materialermüdung und steigender Druck in den Batterien.

Für Kommunikations-, Wetter- und Fernsehsatelliten, die in einem geo-stationären Orbit unterwegs waren, sind sogenannte Friedhofsorbits vorgesehen, die oberhalb von 36.000 Kilometer Höhe liegen. Schon vor dem Start dieser Satelliten muss also genügend Treibstoff für ein Anhebemanöver eingeplant werden. Satelliten in niedrigen Umlaufbahnen sinken dagegen langsam ab und verglühen in der Erdatmosphäre – jedenfalls in der Theorie. In der Praxis jedoch ist der Wiedereintritt nicht immer zu kontrollieren, entweder weil die Satelliten zu klein sind oder weil größere Exemplare extra Treibstoff benötigen, was deren Masse und damit die Kosten erhöht. Selbst wenn ein Satellit verglüht, geschieht das nicht immer komplett und Reste können auf die Erde fallen.

Design for Demise – geplante vollständige Zerstörung

„Design for Demise“ (D4D) heißt deshalb eine Strategie, mit der die Ingenieure und Ingenieurinnen beim Bau von Satelliten schon von vorneherein an deren Ableben denken. Die offiziellen Vorgaben lauten, dass die Wahrscheinlichkeit, von einem herabfallenden Stück Weltraumschrott getroffen zu werden, kleiner als 1 zu 10.000 sein soll. Ziel muss also sein, dass das Objekt möglichst vollständig verglüht.

Kritische Elemente beim Satellitendesign sind in dieser Hinsicht zum Beispiel Treibstofftanks aus Titan oder Nutzlasten mit optischen Elementen. Eventuell können bestimmte Komponenten so verbaut werden, dass sie während der frühen Phase des Wiedereintritts besonders viel Hitze abbekommen oder das absichtliche Auseinanderbrechen des Satelliten getriggert wird.

„Bei der ESA verfolgen wir das Ziel, dass unser eigener Anteil an Weltraummüll bis 2030 rückläufig ist, vor allem durch natürlichen Wiedereintritt“, sagt Densing.

Wie solche Ziele erreicht werden können, dazu forscht die Clean Space Initiative der ESA. Sämtliche Missionen in den Weltraum werden hier auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt untersucht. Das beinhaltet auch die Suche nach umweltfreundlicheren Materialien und Treibstoffen, was wiederum Europa wettbewerbsfähiger machen soll. In einem der jüngsten Experimente versuchten die Wissenschaftler, einen Magneten, der für die Lageregelung von Satelliten eingesetzt wird, in einem Plasma-Windtunnel zu schmelzen.

Belastungstest für Batterien

In einer anderen Testreihe zogen sich die Wissenschaftler in französische Testbunker zurück, um dort Lithium-Ionen-Batterien systematisch zu zerstören. In über 200 Versuchen wurden extreme Bedingungen simuliert, die einer Batterie während ihrer Zeit im All begegnen können. Dabei wurden sowohl neue Batterien getestet als auch solche, die schon durch viele Male Laden und Entladen sowie durch Beschuss von Weltraumstrahlung gealtert waren. Die Batterien wurden überhitzt, mit simulierten Mikrometeoriten direkt beschossen, mit Kurzschlüssen traktiert, überladen und auf strukturelle Fehler untersucht.

Batterie mit einem Loch in der Seite, aus dem Nebel entweicht

Zerstörungstest an einer Lithium-Ionen-Batterie.

Foto: ESA/Airbus

Das Ziel der Wissenschaftler war es, Richtlinien für Weltraumbatterien zu entwickeln, die auch nach Ende einer Mission inaktiv bleiben und damit keinen Schaden mehr anrichten können. Ein endgültiger Abschlussbericht liegt derzeit noch nicht vor.

Wie wird Envisat aus dem Orbit geholt?

Aber auch das aktive Einsammeln von Müll im All steht auf dem Programm. Schätzungen der Raumfahrtagenturen zufolge müssten pro Jahr 5 große, funktionsuntüchtige Satelliten aus dem niedrigen Erdorbit geholt werden, um das Kessler-Syndrom zu verhindern. Eines dieser Objekte ist der Umweltsatellit der ESA. Envisat fiel 2012 nach zehnjähriger Mission aus, geplant waren einst 5 Jahre. Heute gilt Envisat mit einer Größe von 25 x 10 x 7 Metern als einer der gefährlichsten Schrottteile im Erdorbit. 2013 begann die ESA damit herauszufinden, ob der Satellit aktiv eingefangen und aus der Umlaufbahn herausgeholt werden könnte.

In einer ersten Phase von „e.Deorbit“ wurde überlegt, mit welchen Mechanismen der Satellit eingefangen werden könnte. Im Gespräch waren

  • ein robotischer Arm,
  • ein Netz oder
  • eine Harpune.

Außerdem muss der „Müllwagen“, der Envisat herunterholen sollte, über eine präzise Navigation verfügen, um sich relativ nah und dennoch sicher an das taumelnde Objekt heranzutasten. Bevor es aber an die konkrete Umsetzung von vorläufigen Designs ging, entschied sich die ESA dafür, die Missionsziele deutlich auszuweiten. Statt eines reinen Müllautos sollte es nun ein Service-Wagen werden. Ein solches „Space Servicing Vehicle“ könnte noch weitaus komplexere Aufgaben übernehmen, wie das Betanken von wertvollen Satelliten oder das Anbringen neuer Ausrüstung.

Simulation eines robotischen Arms, der im All Satelliten einsammelt

Foto: ESA/David Ducros, 2016

Industrie soll Geschäftsmodell für die Wartung im All entwickeln

Inzwischen hat die ESA die Industrie aufgefordert, eine konkrete Mission zu definieren, wie Müll aktiv aus dem All geholt werden kann. Die Aufgabe war, ein Objekt der ESA von mindestens 100 Kilogramm Masse bis 2025 aus dem Orbit zu holen und außerdem ein Geschäftsmodell für „Space Servicing“ (Wartung im All) vorzulegen. Die Industrie soll also selbst herausfinden, wie sie mit Wartungsarbeiten im Weltraum Geld verdienen kann. „Von den teilnehmenden Bietern hat ein europäisches Konsortium gewonnen“, sagt Densing. „Jetzt wollen wir einen Pilotauftrag an diesen Auftragnehmer vergeben und dafür in Sevilla die Finanzierung beschließen.“ Was die Wartung im All betrifft, so werden vor allem diejenigen Länder zur Kasse gebeten, deren Industrie am stärksten vom geplanten Pilotauftrag profitieren wird.

Serie „50 Jahre Mondlandung“: 

Ein Beitrag von:

  • Gudrun von Schoenebeck

    Gudrun von Schoenebeck

    Gudrun von Schoenebeck ist seit 2001 journalistisch unterwegs in Print- und Online-Medien. Neben Architektur, Kunst und Design hat sie sich vor allem das spannende Gebiet der Raumfahrt erschlossen.

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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