Serie: 50 Jahre Mondlandung 17.07.2019, 07:04 Uhr

Astronauten – ihre Ausbildung, körperliche Herausforderungen und Vorbilder

Seit knapp 60 Jahren schicken wir Menschen auf mehr oder weniger gefährliche Missionen ins All. Das Berufsbild des Astronauten hat sich in dieser Zeit deutlich verändert, Plicht ist aber nach wie vor ein unerschütterliches Nervenkostüm. In Zukunft sogar mehr denn je, denn für lange Reisen in Isolation und Schwerelosigkeit ist der Mensch nicht gemacht.

Selfie im All: Alexander Gerst während eines Außeneinsatzes an der ISS im Jahr 2014. Foto: ESA

Selfie im All: Alexander Gerst während eines Außeneinsatzes an der ISS im Jahr 2014.

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„Ich weiß nicht, wer ich bin: der erste Mensch oder der letzte Hund im Weltall”, kommentierte Juri Alexejewitsch Gagarin seine Ausbildung zum Astronauten. Das war 1960, die Sowjetunion befand sich mitten im Wettlauf zum Mond und hatte bereits mehrere Hunde ins All geschickt. Nun sollte ein Mensch den gefährlichen Weg in den Weltraum antreten. Der Kampfjetpilot Gagarin wurde dafür angeblich wegen seines ruhigen Temperaments aus 20 Kandidaten ausgewählt und in rund 10 Monaten zum Kosmonauten ausgebildet.

Gagarin auf streng geheimer Mission

Die Mission verlief streng geheim und als der damals 27-Jährige, eingezwängt in eine kleine Kapsel, am 12. April 1961 mit dem Raumschiff Wostok-1 vom Weltraumbahnhof Baikonur zur ersten bemannten Erdumkreisung antrat, wusste die Welt zunächst nichts davon. Seiner Mutter hatte Gagarin erzählt, dass er verreisen werde, aber nicht wohin. 108 Minuten dauerte der Ausflug ins All, währenddessen der Kosmonaut mit der Bodenstation per Funk und über zwei Fernsehmonitore in Verbindung stand.

Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre kam es zu einer schweren technischen Panne, als der größere Geräteteil des Raumschiffes sich verspätet von der Landekapsel trennte. In 7.000 Meter Höhe öffnete sich schließlich der Hauptfallschirm des Raumschiffes und kurz danach wurde Gagarin per Schleudersitz aus der Landekapsel katapultiert. Er landete etwas abseits der vorausberechneten Stelle in der Nähe des Dorfes Smelowka. Überliefert ist die Begegnung mit  einer Waldarbeiterin, die den Kosmonauten – Gagarin trug einen orangefarbenen Raumanzug  und einen großen weißen Helm – zunächst für einen Außerirdischen hielt.

Katastrophen und Beinahe-Katastrophen

Heute, 58 Jahre später, ist der Weg ins All – und hier vor allem die An- und Abreise zur Internationalen Raumstation ISS in 400 Kilometern Höhe – fast zur Routine geworden. Katastrophen mit Todesopfern hat es dennoch leider immer wieder gegeben. Man denke nur an den 28. Januar 1986, als die Raumfähre Challenger 73 Sekunden nach dem Start vor den Augen der Welt zerbrach und alle 7 Astronauten dabei ums Leben kamen. Auch viele Beinahe-Katastrophen sind in Erinnerung geblieben, so wie die Apollo-13-Mission mit dem berühmten Funkspruch: „Houston, wir haben ein Problem“. Damals wurde die geplante Mondlandung abgesagt, nachdem 55 Stunden nach dem Start ein Sauerstofftank explodiert war.

Einer der jüngsten Zwischenfälle fand im Oktober 2018 statt, als eine Sojuskapsel, die auf dem Weg zur ISS war, in Kasachstan notlanden musste. Kurz nach dem Start hatte die Trägerrakete versagt. Und wenn der italienische ESA-Astronaut Luca Parmitano am geschichtsträchtigen Datum des 20. Juli 2019 – dem 50. Jahrestag der Mondlandung von Apollo 11 – zur ISS aufbricht, wird ihm gewiss auch eine Beinahe-Katastrophe während seiner ersten Mission ins Gedächtnis gerufen. 2013 bekam Parmitano bei einem Außeneinsatz im All ernsthafte Probleme, als sich wegen eines defekten Pumpsystems Wasser in seinem Helm ansammelte und ihm bis zu den Augen stieg.

Weitere Pannen auf der ISS seit 2013

Astronauten-Ausbildung: Vom Militär zur Wissenschaft

Mit Sicherheit würden noch deutlich mehr Katastrophen bei Raumfahrt-Missionen geschehen, wenn Astronauten und Astronautinnen nicht die sprichwörtlichen Nerven aus Stahl hätten. Die Fähigkeit, ruhig zu bleiben und mit Bedacht zu handeln, während einem das Wasser buchstäblich bis zu den Ohren steht, ist sicher eine Frage der Persönlichkeit. Aber längst nicht nur, denn das Verhalten in schwierigen und lebensbedrohlichen Situationen wird in der Ausbildung rigoros und ziemlich realistisch geübt.

In den USA begann man 1959 damit, Astronauten auszubilden. Damals fand die Nasa die ersten 7 Kandidaten beim Militär; seit den 60er Jahren jedoch verschoben sich die Kriterien und es wurde vor allem Wert auf akademische Qualifikationen gelegt. Die meisten Astronauten der Nasa – bis heute wurden 350 ausgewählt – sind Naturwissenschaftler, Ingenieure oder Mediziner. Bei der letzten großen Auswahlrunde gingen 18.000 Bewerbungen ein. Nur wenige Kandidaten schaffen es bis zum Trainingsprogramm im Johnson Space Center in Houston, Texas. Dort lernen sie unter anderem zu tauchen, um für Außeneinsätze an der ISS trainieren zu können, und sie üben sich in Russisch, der zweiten Amtssprache auf der Raumstation ISS. Erst nach rund zwei Jahren trifft die Nasa ihre Auswahl, welche Astronauten für einen möglichen Einsatz auf der ISS in Frage kommen.

Europäische Astronauten-Ausbildung in der Nähe von Köln

Seit 2008  haben auch die Europäer eine eigene Astronauten-Grundausbildung. Sie findet im Europäischen Astronautenzentrum (EAC) unweit des Kölner Flughafens statt. Das Zentrum mit rund 100 Mitarbeitern ist zuständig für die Schulung der europäischen und internationalen Astronauten der Partner-Weltraumagenturen auf dem Columbus Modul und den europäischen Experimenten. Trainiert werden in Köln ebenso das Bodenpersonal und vor allem die Kommunikation und das Zusammenspiel zwischen der Raumstation und den Bodenkontrollteams der ISS-Partnerländer.

Wie bei der Nasa gibt es auch in Köln ein großes Tauchbecken. An einem ISS-Modul in 10 Meter Tiefe üben die Astronauten den Weg in und aus der Luftschleuse, wie man sich an der Außenhülle mit Leinen sichert, das Werkzeug einsetzt oder einen Kollegen rettet, der Probleme hat. Der Taucheranzug, den die Astronauten dabei tragen, ist dem echten Anzug für Weltraumspaziergänge ähnlich und erschwert jede Bewegung.

Der letzte deutsche Absolvent, der das harte Training hinter sich gebracht hat, ist der 49-jährige Matthias Maurer. Er leitet derzeit am EAC den Aufbau der Luna-Trainingsanlage für die kommende Mond-Mission der ESA. „Das Berufsbild des Astronauten ändert sich“, sagt er. „Vom wilden Kampfpiloten zum Wissenschaftler und künftig vielleicht, wenn es eine ESA-Basis auf dem Mond geben sollte, mehr hin zum Geologen oder Techniker für Radioteleskope.“

Matthias Maurer im European Astronaut Center in Köln.

Matthias Maurer.

Foto:
ESA/Sabine Grothues

Die Anforderungen bei der ESA sind ähnlich wie bei der Nasa und pro Ausschreibung gibt es tausende Bewerber (aktuell werden gar keine Bewerbungen angenommen). Die dreijährige Ausbildung ist aufgeteilt in Grundausbildung, Aufbauschulung und ein missionsspezifisches Training. Das vermittelte Basiswissen reicht quer durch alle Bereiche der Natur-, Ingenieur- und Computerwissenschaften, damit die Astronauten-Schüler, die aus unterschiedlichen Berufsfeldern stammen, über das gleiche wissenschaftliche Wissen verfügen. Später kommen in Absprache mit den ISS-Partnern spezifische Raumfahrt- und ISS-Kenntnisse, astronautische Fähigkeiten und ein Sprachentraining dazu

Berüchtigte Survival Trainings

Was die psychologische Vorbereitung auf Extremsituationen im Weltraum betrifft, so sind vor allem die Überlebenstrainings der Russen und Amerikaner berüchtigt. In den 1960er Jahren schickte die Nasa ihre Apollo-Astronauten nach Island, Hawaii oder in den Meteoritenkrater nach Arizona. Jerry Linenger, der unter anderem 1997 auf der russischen Raumstation Mir eingesetzt war, erinnert sich an einige besonders beängstigende Tage. Er und drei weitere Piloten waren im philippinischen Dschungel abgesetzt worden, ohne Hilfsmittel oder Anweisungen, nur unterstützt von einem lokalen Guide ohne Englischkenntnisse. „Wir waren dort draußen für zweieinhalb Tage, ohne irgendeine Idee zu haben, wo wir sind. Das Schlimmste waren die Nächte mit den Geräuschen und Tieren, die unter mir her krabbelten“, sagte Linenger.

Auch der deutsche Astronaut Alexander Gerst weiß, wann beim Überlebenstraining der Spaß aufhört. Beim Wintertraining in Russland 2017 lebten er, ein russischer Kollege und eine amerikanische Astronautin bei minus 24 Grad für mehrere Tage im schneebedeckten Wald. Die Gruppe hatte außer einer Machete, ein paar Keksen und sechs Litern Trinkwasser kaum Hilfsmittel dabei. Das Wichtigste sei, die Situation richtig einzuschätzen und im Team gegenseitig auf sich zu achten, sagte Gerst. Nur die echte Auseinandersetzung mit der Lebensgefahr bereite einen auf Extremsituationen im Weltraum vor.

„Man lernt zu führen und man lernt zu folgen.“

Zwar üben die Astronauten bei diesen Trainings auch Fertigkeiten, mit denen sie in der Kälte, in der Wüste oder im Wasser überleben können, aber entscheidend sind eigentlich andere Lektionen. Der amerikanische Astronaut Mike Massimino beschrieb 2016 in seinem Buch „Spaceman“ wie er beim Überlebenstraining in der kanadischen Arktis durch tägliche Herausforderungen und Frustrationen tiefe Einsichten in seine eigene psychische Welt und seine Marotten erhalten hatte. Das Wissen um die eigenen Stärken und Limitationen und die der Teamkollegen, verbunden mit großer Anpassungsfähigkeit, kann im All den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Astronauten lernen bei solchen Trainings, wie man schlechte Laune, persönliche Querelen oder mentale Ablenkungen beiseiteschiebt. „Man lernt zu führen und man lernt zu folgen“, sagt Massimino, „und man lernt sich gegenseitig zu helfen, so dass die Gruppe als Ganzes erfolgreich sein kann.“

Sirius-19: Isolationsstudie testet Leben auf dem Mond

Ein etwas anderes Überlebenstraining ging kürzlich im Institut für Biomedizinische Probleme der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau zu Ende. In der Isolationsstudie Sirius-19 waren 6 Kosmonauten von März bis Juli 2019 auf einer simulierten Reise zum Mond unterwegs. Sie lebten und forschten, vollständig abgeschieden von der Außenwelt, im Moskauer NEK-Habitat, einem 550 Kubikmeter großen Modul für die Simulation von Weltraumeinsätzen. Die gemischte Crew (3 Männer und 3 Frauen) aus Russland und den USA „flog“ zum Mond, dockte dort an die orbitale Mondstation an und führte 70 Experimente – darunter auch 6 aus Deutschland – durch. Simuliert wurden nicht nur der Alltag, sondern auch technische Pannen und Störungen sowie mehrere Mondspaziergänge mit Raumanzügen.

Mischung aus psychischem Stress und Leistungsdruck

„Nur durch biomedizinische Forschungen dieser Art werden künftige Reisen zu anderen Himmelskörpern möglich sein“, sagt Christian Rogon, Sirius-Projektleiter im Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR, das neben der französischen Raumfahrtagentur CNES unter der Leitung von Roskosmos und der Nasa an der Isolationsstudie Sirius-19 beteiligt ist. Bevor auf dem Mond überhaupt sinnvoll geforscht werden könne, so Rogon, müssten Besatzungen ausgebildet werden, die eine solche Mission erfolgreich bestreiten könnten. „Dafür müssen sie, wie in Sirius-19, lange Zeit in einer Mischung aus psychischem Stress durch totale Abgeschiedenheit und hohem Leistungsdruck leben können.“

Körperliche Folgen: Der Mensch ist nicht für Schwerelosigkeit gemacht

Über die körperlichen Folgen von Langzeitaufenthalten im All forscht die Medizin seit rund 30 Jahren – von 1986 an auf der russischen Raumstation Mir und seit 2000 auf der ISS. Der menschliche Körper hat nach der Rückkehr aus dem Weltraum einige Mühe, sich wieder an die Schwerkraft zu gewöhnen. Masse und Stärke von Muskeln und Knochen verringern sich im All, es kommt zu Haltungs- und Bewegungsproblemen und das Blutvolumen geht deutlich zurück. Je nach individuellen Gegebenheiten und der Intensität des körperlichen Trainings verlieren Astronauten im Weltraum pro Monat rund 1 % ihrer Knochenmasse und brauchen Monate, um diese auf der Erde wieder aufzubauen. Auf der ISS sind deshalb mindestens 2 Stunden körperliches Training fest in den Tagesablauf eingeplant. Bei Alexander Gerst scheint das Training besonders gut anzuschlagen, denn der Astronaut wirkte bei seinen beiden Missionen direkt nach der Landung und auch kurze Zeit später bei der Ankunft in Deutschland trotz der Strapazen extrem fit.

Es gibt jedoch auch Folgen, die sich weniger leicht beeinflussen lassen. So kommt es zum Beispiel ohne Schwerkraft bei den sich schnell teilenden Zellen, wie denen des Immunsystems, zu Funktionsstörungen und auch kleinere Verletzungen heilen deutlich schlechter als auf der Erde. Zudem steigen die Körperflüssigkeiten in der Schwerelosigkeit nach oben, so dass die Astronauten oft ein etwas aufgedunsenes Gesicht haben. Im Kopf erhöht sich die Menge an Rückenmarksflüssigkeit und kann Druck auf die Hinterseite des Augapfels ausüben. Der Sehnerv schwillt an und die Astronauten sehen schlechter.

Zwillingsstudie: ein Mann im All, einer auf der Erde

Von März 2015 bis Februar 2016 war der amerikanische Astronaut Scott Kelly fast ein ganzes Jahr auf der ISS. Für die Wissenschaftler war dieser Aufenthalt besonders spannend, denn Scott Kelly hat einen eineiigen Zwillingsbruder Marc, der auf der Erde blieb. Beide wurden vor, während und nach der Mission regelmäßig untersucht und die Ergebnisse der Zwillingsstudie von unabhängigen Forscherteams im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht.

Mars 500 – längste Isolationsstudie in der Raumfahrt

Richtig spannend wird es, wenn die ersten Astronauten zum Mars geschickt werden. In etwa zwei Jahrzehnten könnte das möglich sein, davon geht man bei der ESA derzeit aus. Bis dahin müssen noch einige technologische Hürden gemeistert werden, die vor allem mit der hohen kosmischen Strahlenbelastung, den lebensnotwendigen Ressourcen und der langen Reisedauer zusammenhängen. Die ISS ist 400 Kilometer von der Erde entfernt, die durchschnittliche Entfernung zum Mond beträgt 384.000 Kilometer und zum Mars sind es 225 Millionen Kilometer. Um die lange Reise einmal komplett durchzuspielen, fand 2010/11 im bereits erwähnten Moskauer Institut für Biomedizinische Probleme ein außergewöhnliches Experiment statt, an dem auch die ESA beteiligt war. Man rechnete 250 Tage für die Hinreise, 30 Tage für den Aufenthalt auf dem Mars und nochmal 240 Tage Rückreise. Ergibt 520 Tage und genau das war die Grundlage für „Mars 500“, die längste Isolationsstudie in der Raumfahrt:

  • 520 Tage
  • 6 Männer
  • isoliert
  • auf engstem Raum
  • mit ausschließlich künstlichem Licht

Die Langzeitprobanden – sie kamen aus Russland, Frankreich, Italien und China – waren sorgfältig ausgewählt worden und wurden in einem sechsmonatigen Training auf die Mission vorbereitet. Mit Ausnahme von Schwerelosigkeit und Strahlung wurden die Bedingungen eines sehr langen Raumfluges realistisch simuliert. Wichtige Themen der Studie waren Stress, Gruppendynamik und Ernährung, wozu die „Marsreisenden“ etliche Experimente durchführten. Zum Beispiel ein sozialpsychologisches Experiment aus Deutschland, in dem ein neuer Ansatz zum Erfassen gruppendynamischer Prozesse bei Entscheidungsfindungen getestet wurde. Hierzu erfasste ein mit Funksensoren ausgestattetes Messsystem die Dauer und Distanz, in der jeweils zwei Crew-Mitglieder Zeit miteinander verbrachten. Das Experiment sollte Hinweise darauf liefern, nach welchen Kriterien die Crew bei einem realen Langzeitflug zusammengesetzt sein müsste.

Das "Mars 500"-Habitat von außen
Das "Mars 500"-Habitat, Wohnraum für 6 Männer über einen Zeitraum von 520 Tagen.

Foto: ESA/S. Corvaja

Junge Männer schauen einen Film im inneren einer hölzenen Kapsel
Einblick in das Innere eines "Mars 500"-Moduls.

Foto: ESA

Sechs Männer mit roten Brillen in hölzerner Kapsel
Enge, Isolation, Langeweile - all das wurde in dem Mars-500-Projekt simuliert.

Foto: ESA

Eintönigkeit wird zur Herausforderung

Die Mars-500-Crew war, wie sich im Laufe des Experiments herausstellte, gut ausgesucht worden, denn die sechs Männer lebten von Anfang bis Ende harmonisch zusammen. Trotzdem wurde vor allem die Monotonie des streng geregelten Tagesablaufs, in dem ein strikter Zeitplan alles vorgab, zur Herausforderung. Um sich abzulenken schauten die Test-Astronauten Filme, spielten Videospiele (Counter Strike war sehr beliebt), versuchten, sich gegenseitig ihre Muttersprachen beizubringen (offenbar mit wenig Erfolg beim chinesisch) und der italienische Ingenieur Diego Urbina berichtete, er habe 27 Bücher gelesen. Auch die „Bodenstation“ versuchte der Eintönigkeit entgegenzuwirken und fabrizierte technische Störungen und Pannen. Sie gaukelte den Marsreisenden etwa einen Brand vor und kappte für eine Woche alle Kommunikationsleitungen. Am eindrucksvollsten aber war der Blackout. Der 24-Stunden-Stromausfall war so gut inszeniert, dass die Crew an einen echten Notfall glaubte.

Als am 4. November 2011 die Luke geöffnet wurde, brauchten die 6 Marsianer eine Weile, um auch mental zurück auf die Erde zu kommen. „Das Modul nach 520 Tagen zu verlassen war die seltsamste Erfahrung meines Lebens. Ich habe eine ganze Zeit, wenn nicht sogar Monate gebraucht, mich wieder daran zu gewöhnen. Es ist, als käme man in einer anderen Welt an“, sagte Urbina in einem Interview mit dem Magazin Vice. „Ich würde auf jeden Fall zum Mars reisen, daran habe ich keinen Zweifel. Doch wir haben jeden Tag an unsere Rückkehr gedacht.“

Astronautische Fun Facts

Lesen Sie auch:

 

Dieser Artikel ist Teil der Serie „50 Jahre Mondlandung“, zu der auch folgende Beiträge gehören:

Ein Beitrag von:

  • Gudrun von Schoenebeck

    Gudrun von Schoenebeck

    Gudrun von Schoenebeck ist seit 2001 journalistisch unterwegs in Print- und Online-Medien. Neben Architektur, Kunst und Design hat sie sich vor allem das spannende Gebiet der Raumfahrt erschlossen.

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