Hundeknochen-Asteroid 16.09.2021, 07:25 Uhr

Asteroid Kleopatra: Neue Bilder enthüllen Verblüffendes

Der außergewöhnliche Asteroid Kleopatra ist geformt wie ein Hundeknochen und hat zwei Monde: Jetzt haben Forscher Überraschendes über den Himmelskörper und seine Trabanten herausgefunden.

Der Hundeknochen-Asteroid Kleopatra ist halb so lang wie der Ärmelkanal. Foto: ESO/M. Kornmesser/Marchis et al

Der Hundeknochen-Asteroid Kleopatra ist halb so lang wie der Ärmelkanal.

Foto: ESO/M. Kornmesser/Marchis et al

Kleopatra ist eine Außenseiterin. Der Asteroid, benannt nach der sagenhaften ägyptischen Pharaonin, umkreist die Sonne im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und ist als Himmelskörper so ganz anders als die anderen bekannten Asteroiden. Jetzt sorgte der Asteroid für eine außergewöhnliche astronomische Entdeckung.

„Untersuchungen von seltsamen Außenseitern führen regelmäßig zu gehörigen wissenschaftlichen Fortschritten. So dürfte das auch bei Kleopatra sein. Wenn wir dieses komplexe Asteroidensystems besser verstehen, können wir eine Menge über unser Sonnensystem lernen“, sagt Franck Marchis, Astronom am SETI Institute im US-amerikanischen Mountain View. Er ist Leiter der Studie über den Asteroiden Kleopatra, den sie auch Hundeknochen-Asteroid nennen.

Hundeknochen-Asteroid Kleopatra hat mindestens zwei eigene Monde

Kleopatra ist ungewöhnlich geformt: Der längliche Asteroid, der 200 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist, hat zwei dicke Enden und ein schlankes Verbindungsstück und sieht aus wie ein stilisierter Kauknochen für Hunde. Zudem umkreisen zwei Monde den Asteroiden, wie Marchis und seine Kollegen entdeckt haben: Sie tragen die Namen von Kleopatras Kindern: AlexHelios und CleoSelene. Wie folgerichtig diese Benennung ist, haben die Forscher jetzt herausgefunden.

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Denn den Astronominnen und Astronomen ist die bislang genaueste Modellierung der dreidimensionalen Form von Kleopatra gelungen, die jetzt als Grundlage von Studien zu Masse und Dichte des Hundeknochen-Asteroiden dient. Dazu nutzten Marchis und sein Team Aufnahmen des Asteroiden, die zwischen 2017 und 2019 mit dem Instrument SPHERE (Spectro-Polarimetric High-contrast Exoplanet Research) am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO aufgenommen wurden.

Wie ein Hundeknochen ist der Asteroid Kleopatra geformt. Weil er rotiert, zeigen ihn die Bilder des VLT, die über zwei Jahre hinweg entstanden, aus unterschiedlichen Perspektiven. Foto: Eso

Wie ein Hundeknochen ist der Asteroid Kleopatra geformt. Weil er rotiert, zeigen ihn die Bilder des VLT, die über zwei Jahre hinweg entstanden, aus unterschiedlichen Perspektiven.

Foto: Eso

Das VLT in der chilenischen Atacama-Wüste verfügt über adaptive Optiken. Diese helfen, Verzerrungen zu korrigieren, die durch die Erdatmosphäre verursacht werden und Objekte unscharf erscheinen lassen.  Wegen genau dieses Effekts scheinen Sterne, die wir von der Erde aus mit bloßem Auge beobachten, zu funkeln. Nur mithilfe dieser Korrekturen war ein derart scharfes Bild des weit entfernten Asteroiden möglich. Weil der Hundeknochen-Asteroid rotiert, zeigen die hochauflösenden Bilder ihn aus verschiedenen Blickwinkeln. Kleopatra ist etwa 270 Kilometer lang: Das entspricht der Hälfte der Länge des Ärmelkanals. Und eine der beiden Verdickungen an den Enden ist größer als die andere.

Forscher berechnen Mondumlaufbahnen neu

In einer zweiten Studie, die von Miroslav Brož von der Karlsuniversität im tschechischen Prag geleitet wird, hat ein Team anhand der SPHERE-Beobachtungen die Umlaufbahnen der beiden Monde von Kleopatra untersucht. Schon früher hatten Wissenschaftler versucht, die Bahnen vorherzusagen. Diese Prognosen deckten sich aber nicht mit den neuen Beobachtungen, die die Astronomen mit dem VLT gemacht hatten. „Diese Diskrepanz mussten wir auflösen“, so Miroslav Brož. „Denn wenn die Umlaufbahnen der Monde falsch waren, war alles falsch, auch die Masse von Kleopatra.“ Mithilfe der neuen Beobachtungen und der detaillierten 3D-Modellierung konnten die Forschenden jetzt genau beschreiben, wie Kleopatras Schwerkraft die Bewegungen der Monde beeinflusst. So konnten sie die Masse des Asteroiden neu berechnen. Demnach liegt diese 35% unter der früherer Schätzungen.


Asteroid, Meteorid, Komet: Was sind die Unterschiede?

  • Grundsätzlich unterscheiden sich die Himmelskörper in Größe, Zusammensetzung und ihrer Entfernung zur Sonne.
  • Ein Asteroid besteht in der Regel aus festen Stoffen und enthält wenige bis keine flüchtigen Stoffe, weswegen er keinen Schweif aufweist
  • Ein Komet besteht zu großen Teilen aus flüchtigen Stoffen wie etwa Wasser. Weil die Entfernung zur Sonne groß ist, sind die flüchtigen Stoffe gefroren. Nähern sich Kometen wärmeren Regionen, schmilzt das Eis und es entsteht der typische Kometen-Schweif.
  • Meteoriten sind die kleinsten Objekte. Häufig entstehen sie aus den Teilchen eines Kometenschweifs oder sie entstehen beim Zusammenprall größerer Himmelskörper. Treten sie in die Erdathmosphäre ein, sind sie als Meteor oder Sternschnuppe wahrnehmbar.
  • Der volle Name von Kleopatra lautet 216 Kleopatra – unter diesem Namen ist er bei der Internationalen Astronomischen Union gelistet, die die Benennung von Himmelskörpern wie Kometen und Asteroiden offiziell regelt.

Anhand der neuen Werte für Volumen und Masse konnte das Forschungsteam auch einen neuen Wert für die Dichte des Asteroiden ableiten. Diese ist mit weniger als der Hälfte der Dichte von Eisen geringer ist als bislang angenommen. Wahrscheinlich hat Kleopatra eine metallische Zusammensetzung und eine poröse Struktur. Tatsächlich dürfte der Asteroid, wie man jetzt annimmt, ein eher loser Trümmerhaufen sein, bestehend aus Teilen, sie sich nach einem gigantischen Einschlag wieder zusammenklumpten.

Asteroid Kleopatra rotiert mit extremer Geschwindigkeit und fliegt fast auseinander

Und das lässt Rückschlüsse auf die Entstehung der beiden Monde zu. Der Asteroid rotiert fast mit der sogenannten kritischen Geschwindigkeit: Damit ist die Rotations-Geschwindigkeit gemeint, ab der die Materie, aus der der Asteroid besteht, auseinanderfliegen würde. Sprich: Kleopatra ist recht instabil. Durch die Rotation dürfte sich das zusammengeklumpte Material im Laufe der Zeit auseinandergezogen haben – bis zur heutigen Hundeknochen-Form. Weil die Struktur des Asteroiden so porös oder instabil ist, können auch kleine Einschläge Material von der Oberfläche lösen. Wahrscheinlich ist es so zu der ungewöhnlichen Situation gekommen, dass der Asteroid zwei eigene Monde hat: Der etwa 8 Kilometer große AlexHelios und die knapp sieben Kilometer CleoSelene könnten sich aus dem gelösten Material gebildet haben. Um im Bild zu bleiben: Kleopatra hat ihre Monde selbst geboren.

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Künftig dürfte die Erforschung von Asteroiden noch einmal deutliche Fortschritte machen: Denn das Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das derzeit noch gebaut wird, hat noch fortschrittlichere adaptiven Optiksysteme. „Ich kann es kaum erwarten, das ELT auf Kleopatra zu richten, um zu sehen, ob es weitere Monde gibt, und um die Mondbahnen so genau zu vermessen, dass sich selbst kleine Veränderungen nachweisen lassen würden“, sagt Franck Marchis.

Das Very Large Telescope (VLT) der ESO auf dem Paranal. Das VLT ist das weltweit fortschrittlichste bodengebundene astronomische Observatorium: Die 8,2-Meter-Hauptteleskopen, vier 1,8-Meter-Hilfsteleskope und das VLT Survey Telescope (VST) und dem 4,1-Meter-Visible Und Infrarot-Survey-Telescope for Astronomy (VISTA) erlaubt hochauflösende Bilder selbst weit entfernter Himmelskörper.

Foto: J.L. Dauvergne & G. Hüdepohl (atacamaphoto.com)/ESO

Die Anordnung der Hilfsteleskope kann dem jeweiligen Beobachtungsziel angepasst werden. Dazu können die Teleskope auf der Plattform auf 30 verschiedene Positionen bewegt.

Foto: Eso/Serge Brunier

Am Horizont erkennt man die Milchstraße, im Vordergrund eines der beiden 8,2-Meter-Hauptteleskope des VLT.

Foto: Eso/Y Beletsky

Astronomen können mit Unterstützung des Laserleitsternsystems von Yepun, einem der vier Hauptteleskope am Very Large Telescope (VLT), das Zentrum der Milchstraße in den Fokus nehmen.

Foto: ESO/Y. Beletsky

Das Panoramabild zeigt den spektakulären Südsternhimmel.

Foto: Eso/H.H. Heyer

Asteroiden stammen häufig aus dem Asteroidengürtel, der sich zwischen den Planetenbahnen von Mars und Jupiter befindet. Früher ging man davon aus, dass der Asteroidengürtel aus einer katastrophalen Kollision zwischen einem Planeten und einem Asteroiden entstanden sein muss: Man glaubte, dass einen heute nicht mehr existenten Planeten, den man Phaeton taufte, gegeben haben muss, dessen Trümmer nach dem Zusammenstoß als Asteroiden die Sonne umkreisen. Inzwischen ist diese These widerlegt. Denn die Gesamtmasse aller Asteroiden ist niedriger als die unseres Erdmondes – zu wenig für einen Planeten. Vielmehr dürfte der Asteroidengürtel in der Frühphase unseres Sonnensystems aus Planetesimalen entstanden sein, also aus Planetenbausteinen. Diese konnten sich wegen der Schwerkraft des Jupiters aber nie vollständig zu einem Planeten zusammensetzen.

Nasa berechnet Einschlagsdatum von Asteroid Bennu

Bisweilen brechen Asteroiden aus dem Gürtel aus, etwa nach Kollisionen mit anderen Trümmern. Dann ziehen sie eigene Bahnen und können theoretisch auch der Erde nahekommen – so wie etwa der Asteroid Bennu. Der 500 Meter große Himmelskörper kreuzt immer wieder die Erdbahn und kommt unserem Planeten regelmäßig sehr nah. Sogar ein Einschlag ist nicht ausgeschlossen: Am 24. September 2182 könnte dieses Szenario Wirklichkeit werden. Das ist das Ergebnis jüngster Analysen zu dem Asteroiden, den Astronominnen und Astronomen schon lange im Visier haben. Bennu gilt als einer der gefährlichsten Asteroiden überhaupt, wenngleich die Wahrscheinlichkeit eines Einschlags relativ gering ist: Die Chancen dafür, dass Bennu die Erde bis zum Jahr 2300 trifft, liegen bei 1:1750. Asteroid Kleopatra indes, der 1880 entdeckt wurde, kann der Erde nicht gefährlich werden: Er zieht seine Bahnen im weit entfernten Asteroidengürtel.

Komet aus einer völlig unbekannten Welt

Manche der Himmelskörper, die sich in unserem Sonnensystem bewegen, haben mit dem Asteroidengürtel nichts zu tun – sie kommen aus einer viel weiter entfernten Gegend, so wie etwa der Komet 2I/Borisov.  Meist stammen Kometen aus der sogenannten Oortschen Wolke, einer Ansammlung astronomischer Objekte am Rande des Sonnensystems – so zumindest die Theorie, denn gesehen hat diese Wolke bislang noch keiner. Benannt ist dieser Bereich nach dem niederländischen Astronomen Jan Hendrik Oort, der seine Theorie 1950 aufstellte. Demnach besteht die Wolke, die das Sonnensystem kugelförmig umschließt, aus Planetesimalen – Gesteinsstücke und Eisklumpen unterschiedlicher Größe, die als Planetenbausteine nach der Entstehung des Sonnensystems übrig geblieben sind. Borisov indes stammt aus einer noch unbekannteren Gegend: Er ist ein interstellarer Komet aus den unendlichen Weiten der Milchstraße, der unser Sonnensystem kreuzte, aber wohl nie wieder zurückkommen wird.

Ein Beitrag von:

  • Peter Sieben

    Peter Sieben schreibt über Forschung, Politik und Karrierethemen. Nach einem Volontariat bei der Funke Mediengruppe war er mehrere Jahre als Redakteur und Politik-Reporter in verschiedenen Ressorts von Tageszeitungen und Online-Medien unterwegs.

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