Ingenieurkunst 04.03.2020, 14:33 Uhr

Eine Stadt in Norwegen fängt ihr Sonnenlicht über gigantische Spiegel ein

Die norwegische Stadt Rjukan ist von Bergen umgeben. Das führt dazu, dass Sie über 6 Monate im Jahr im Dunkeln liegt. Mit 3 gigantischen, von Computern gesteuerten Spiegeln wird in der dunklen Jahreszeit Licht in das Zentrum des Ortes gebracht.

Spiegelanlage

Über Spiegel Licht einfangen.

Foto: panthermedia.net/Sellway

Findige Technik vertreibt den Schatten

Die Norweger sind licht- und sonnenarme Zeiten gewohnt. Beispielsweise geht in der Stadt Tromsö, die rund 320 Kilometer vom Polarkreis entfernt liegt, in den Monaten November bis Februar die Sonne nicht mehr auf. Etwas südlich liegt der Ort Rjukan. Diese Stadt hat mit Lichtarmut zu kämpfen, weil er in einem Talkessel von hohen Bergspitzen umgeben ist. So liegt Rjukan normalerweise gute 6 Monate vollkommen im Dunkeln. Jedes Jahr im März feiern die Bewohner ein großes Fest, wenn die Sonne erstmalig wieder auf dem Marktplatz erscheint. Mit dieser ständigen Dunkelheit wollten sich manche im Ort nicht mehr abfinden. 2013 wurden gigantische Spiegel installiert. Sie tauchen jetzt das Ortszentrum in der dunklen Zeit in Licht. Die Spiegel haben die Ortschaft nicht nur buchstäblich aus dem Schatten geholt, sondern sie auch zu einer Touristenattraktion gemacht. Das Konzept ist über die Jahre voll aufgegangen.

Ein Künstler, der mehr Licht brauchte

Als Martin Andersen in den Ort zog, fühlte er sich wohl. Allerdings wurde ihm schnell bewusst, dass er mit dem ständigen Mangel an Licht auf Dauer nicht würde leben wollen. Er konnte die örtlichen Autoritäten davon überzeugen, eine Spiegelanlage für rund 600.000 Euro aufzubauen. Sie bringt das Sonnenlicht auf den Marktplatz. Auch dann, wenn der lange Schatten herrscht.

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Dabei ist die Idee als solche schon viel älter. Sie geht zurück auf den wohl berühmtesten Einwohner des Ortes, den Ingenieur Sam Eyde. Er war bereits Ende der 1920er Jahre davon überzeugt, dass große Spiegel, die auf den umgebenden Bergspitzen positioniert würden, die Bevölkerung in dem Ort glücklicher machen könnten. Licht stand für ihn für mehr Wohlbefinden und würde auch die Attraktivität des Ortes steigern können. Allerdings stand damals die entsprechende Technik noch nicht zur Verfügung. Eyden musste sich zu seiner Zeit, damit begnügen, die Bewohner von Rjukan mit Seilbahnen auf die Berggipfel zu bringen, damit sie das Sonnenlicht sehen konnten. Das ist im 21. Jahrhundert anders.

Die technische Konstruktion der Spiegel

Es erscheint unglaublich: Die 3 Spiegel haben nur eine Oberfläche von je 17 Quadratmetern. Sie können aber eine Fläche von über 2.000 Quadratmetern im Zentrum des Ortes in Licht tauchen. Möglich wird dies unter anderem dadurch, dass sie rund 500 Meter über dem Ort positioniert sind und alle 10 Sekunden computergesteuert ihre Position verändern. Durch diese Bewegungen folgen die Spiegel dem Sonnenlicht. Bei den Spiegeln handelt es sich um sogenannte Heliostaten. Das sind Spiegelkonstruktionen, die das Sonnenlicht unabhängig von der Position der Sonne immer auf dem gleichen Ort reflektieren. Im Falle von Rjukan wird auf eine elliptische Fläche im Ortszentrum das Sonnenlicht reflektiert. Eine ähnliche Konstruktion ist im italienischen Piemont im Ort Viganella im Einsatz. Die Rjukan Spiegel werden von solarbetriebenen Motoren bewegt.

Ein auch heute noch teilweise umstrittenes Projekt

Anfänglich begegneten viele Bewohner und auch die örtlichen Behörden in dem Projekt mit Skepsis. Sie befürchteten, dass es sich bei den nicht geringen Ausgaben für die Installation dieser Spiegel um verschwendetes Geld handeln würde. Zunächst wurden deshalb sogar über 1.000 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt. Mittlerweile ist die Situation eine etwas andere. Man erfreut sich nicht nur an dem im Sonnenlicht getauchten Marktplatz des Ortes. Die gigantischen Spiegel haben die kleine Ortschaft rund 180 Kilometer von Oslo entfernt in der ganzen Welt bekannt gemacht. Die Anlage hat sich zu einem Touristenmagnet entwickelt. Der Ort hat somit gute Chancen, die Ausgaben für die Spiegelanlage durch die Touristen zu decken. Das hat Martin Andersen auch so vorausgesehen. Für ihn ist die Spiegelanlage nicht nur eine technische Installation. Er sieht in ihr auch eine künstlerische Komponente. Für ihn bedienen die Spiegel das transzendente Thema Licht und Schatten.

Auch heute noch hat das Projekt Kritiker. Mancher Ingenieur am Ort hält die Anlage für instabil. So wird befürchtet, dass sie einen kräftigen Sturm nicht aushalten kann. Immerhin steht die Spiegelkonstruktion aber jetzt schon seit rund 7 Jahren. Derartige technische Bedenken dürften auch unbegründet sein. Die deutsche Firma, die die Spiegelanlage gebaut hat, traf Vorsorge. Bei einem Sturm nehmen die Spiegel automatisch eine Schutzstellung parallel zum Hang ein.

Es lässt sich schlecht beurteilen, ob die Spiegel die Bewohner im Ort tatsächlich glücklicher gemacht haben. Zweifelsohne jedoch hat die Anlage sie bekannter und interessanter für Besucher von auswärts gemacht. Die Spiegel im norwegischen Rjukan zeigen auch, dass man sich aus technischer Sicht mit bestimmten lokalen Gegebenheiten nicht abfinden muss. Es werde Licht: Das lässt sich heute auch auf technische Art und Weise umsetzen. In Zeiten, in den manche deutsche Flughäfen nicht fertig werden wollen, kann sich deutsche Ingenieurkunst sehen lassen. Da die Anlage mit Solarenergie arbeitet, ist sie außerdem Norweumweltschonend aufgestellt.

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