Biomasse veredeln 09.03.2023, 07:00 Uhr

Diese Kohle ist wirklich grün

Ein estnisches Start-up setzt eine Fraunhofer-Entwicklung im großen Maßstab um und produziert neben Grundchemikalien wertvolle Biokohle – aus nachwachsenden Rohstoffen, genauer aus biogenen Reststoffen. Die Biokohle ist geeignet für Kraftwerke und kann so Strom und Wärme liefern.

biokohle

Die Holzhackschnitzel auf der rechten Seite sind torrefiziert und haben einen höheren Brennwert.

Foto: Fraunhofer IGB

Fossile Rohstoffe wie Kohle, Gas und Öl müssen ersetzt werden, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und den Klimawandel zu begrenzen. In vielen Bereichen kann pflanzliche Biomasse eine Alternative darstellen. Das gilt vor allem dann, wenn sie aus Resten der Land- und Forstwirtschaft oder nachgelagerter Industrien stammt.

Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB hat dafür ein besonderes Verfahren entwickelt: Die Biomasse wird in einer geschlossenen Atmosphäre aus überhitztem Wasserdampf ohne Sauerstoff erhitzt und dabei torrefiziert, das heißt thermochemisch zersetzt. Das estnische Start-up New Standard Oil setzt diese Technik jetzt um und will zeigen, dass sie im kommerziellen Rahmen funktioniert – und effizient genug ist.

Neben Biokohle werden wertvolle Chemikalien gewonnen

Die Torrefizierung ist natürlich kein neues Prinzip. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um eine Methode, die der Pyrolyse ähnelt, aber deutlich sanfter abläuft. Das Besondere an der Fraunhofer-Entwicklung ist aber die spezielle Konstruktion der Anlage. Sie schließt sich an einen Trocknungsschritt an, bei dem das in der Biomasse gebundene Wasser verdampft. „In derselben Anlage treiben wir bei Temperaturen zwischen 200 bis 300 Grad Celsius dann die leichter flüchtigen Stoffe der Biomasse aus, die vor allem aus der Hemicellulose, einem der drei Hauptbestandteile von Biomasse, stammen“, sagt Antoine Dalibard, der als Experte für thermische Trenntechnik am Fraunhofer IGB arbeitet.

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Die innovative Heißdampf-Trocknungsanlage liefert dabei besonders gute Ergebnisse. „Die Gasphase enthält neben dem ausgetriebenen Wasser auch die wertvollen flüchtigen Verbindungen. Wenn wir die Gasphase abkühlen, erhalten wir ein Kondensat, das wir mit anschließenden Trennverfahren wie Destillation, Extraktion oder Elektrodialyse zu verschiedenen chemischen Grundstoffen auftrennen können“, erklärt Dalibard. Der Ingenieur hat das Verfahren am Fraunhofer IGB weiterentwickelt und ist auch dafür zuständige, Methoden zu bewerten, mit denen die freiwerdenden Chemikalien weiterverwertet werden könnten.

Abwärme der Anlage wird ebenfalls genutzt

Wenn die Torrifizierung abgeschlossen ist, bleibt Biomasse zurück, die wie Biokohle aussieht und sich auch ähnlich verhält. Denn im Vergleich zu einfacher Biomasse, die nicht extra behandelt wurde, hat sie einen deutlich höheren Kohlenstoffgehalt. Also ist auch ihr Brennwert entsprechend besser. Im nächsten Schritt kann diese Biokohle beispielsweise zu Pellets gepresst werden – um fossile Energieträger wie Kohle oder Erdgas zu ersetzen.

Das ist die Theorie. Für die Praxis kommt New Standard Oil ins Spiel. Nach den Fraunhofer-Plänen hat das Unternehmen im Februar einen großtechnischen Prototyp zur Trocknung und Torrefizierung von biogenen Reststoffen in Betrieb genommen. „Angesichts steigender Energiepreise und eines historischen Tiefstands bei der Energiesicherheit haben wir in dieses Verfahren investiert und wollen mit der Uniformer®-Technologie, wie wir sie genannt haben, eine saubere und kohlenstoffneutrale Energieversorgung Wirklichkeit werden lassen“, sagt Sven Papp, einer der vier Mitbegründer von New Standard Oil.

Für eine noch bessere Energiebilanz will das Start-up zusätzlich die Abwärme nutzen, die bei der Biokohle-Produktion entsteht, und sie nach Möglichkeit in ein regionales Wärmenetz einspeisen.

Die Bedeutung von Sonnenenergie für Wärmenetze wächst

Biokohle soll Brennwert auf Braunkohle-Niveau haben

Der Prototyp schafft bereits eine ordentliche Leistung: Pro Stunde verarbeitet er maximal 150 Kilogramm Biomasse. In der Regel sind es Holzhackschnitzel oder Heu, die als Material für verschiedene Produkte dienen. An erster Stelle steht dabei die Biokohle, die nach Angaben des Unternehmens einen Brennwert auf Braunkohle-Niveau hat. Hinzu kommen grüne Chemikalien wie Methanol, Furfurale und weitere Basischemikalien.

Papp ist von diesem Geschäftsmodell überzeugt und hält es für eine nachhaltige Alternative zu fossilen Brennstoffen, die auch wirtschaftlich interessant ist: Unseren Berechnungen zufolge könnte mithilfe dieses neuen innovativen Ansatzes der Preis für erneuerbaren Strom aus Biokohle sogar unter dem aus an Land erzeugter Windenergie liegen.“

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Ein Beitrag von:

  • Nicole Lücke

    Nicole Lücke macht Wissenschaftsjournalismus für Forschungszentren und Hochschulen, berichtet von medizinischen Fachkongressen und betreut Kundenmagazine für Energieversorger. Sie ist Gesellschafterin von Content Qualitäten. Ihre Themen: Energie, Technik, Nachhaltigkeit, Medizin/Medizintechnik.

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