Bis 2026 verfünffachte Kapazität 21.11.2024, 11:15 Uhr

Batteriegroßspeicher boomen, diese Projekte sind geplant

Es tut sich etwas in Sachen Batteriegroßspeicher in Deutschland: Bis 2026 soll sich die Kapazität verfünfachen, dabei helfen sollen drei rekordverdächtige Projekte, die wir Ihnen näher vorstellen.

Batteriegroßspeicher

Der geplante Batteriespeicher in Alfeld kann eine Million Menschen eine Stunde mit Strom versorgen.

Foto: Kyon Energy

Deutschland setzt auf den massiven Ausbau von Batteriegroßspeichern, um die Energiewende voranzutreiben und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Diese Speicher sind das Herzstück, um die schwankende Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne zu stabilisieren. Bis 2026 sollen sich die Kapazitäten laut einer Studie verfünffachen. Zahlreiche Großprojekte wie in Alfeld oder Sachsen-Anhalt sollen helfen, das Stromnetz flexibler und belastbarer zu machen. Auch der Volkswagen-Konzern hat geplant, in diesem Jahr mit dem Bau eines 700-Megawattstunden-Speicherprojekts zu starten.

Warum Batteriegroßspeicher so wichtig sind

Die Energiewende stellt die Stromnetze vor große Herausforderungen. Strom aus erneuerbaren Energien schwankt stark, je nach Wetterlage und Tageszeit. Um diese Schwankungen auszugleichen, sind effiziente und schnell reagierende Speichersysteme erforderlich. Hier kommen Batteriegroßspeicher ins Spiel. Diese Speicher zeichnen sich durch eine hohe Effizienz von über 90 % aus und können in Sekundenbruchteilen die volle Leistung erbringen. Dadurch können sie kurzfristige Lastspitzen im Netz ausgleichen und die Netzstabilität verbessern.

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) hat in einer Studie gezeigt, dass die Batteriespeicherkapazität in Deutschland bis 2030 auf 83 Gigawattstunden ausgebaut werden muss, um die steigenden Anforderungen zu erfüllen. Dieser Wert liegt fast 200 Mal höher als die derzeitige Kapazität. Die Dringlichkeit dieses Ausbaus wird umso deutlicher, wenn man die politischen Ziele bedenkt: Bis 2030 sollen mindestens 65 % der Energie aus erneuerbaren Quellen stammen.

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Aquila Clean Energy baut 900 MW Speicherkapazität auf

Das italienische Unternehmen Aquila Clean Energy möchte in den kommenden Jahren rund 900 MW Speicherkapazität an 14 Standorten in Deutschland aufbauen. Zwei davon liefert Trina Storage. Konkret geht es um 212 MWh seiner Batteriespeichersysteme „Elementa“ für zwei Standorte in Strübbel (Schleswig-Holstein) und Wetzen (Niedersachsen).

An beiden Standorten kommen Batteriespeichersysteme mit einer Kapazität von zwei Stunden zum Einsatz, die schnell auf Schwankungen der Netzfrequenz reagieren können. Sie sind in der Lage, Strom aus erneuerbaren Energiequellen für zwei Stunden vollständig zu speichern und anschließend wieder ins Netz einzuspeisen. Diese Speicherdauer spielt eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung des deutschen Energienetzes, da die Einspeisung von Solar- und Windenergie im Laufe des Tages stark variieren kann.

Das Großprojekt in Alfeld: Europas größter Batteriespeicher

Eines der ambitioniertesten Projekte in Deutschland befindet sich in Alfeld (Niedersachsen). Kyon Energy erhielt kürzlich die behördliche Genehmigung für den Bau eines riesigen Batteriegroßspeichers mit einer Leistung von 137,5 Megawatt und einer Speicherkapazität von 275 Megawattstunden. Dies wird das größte genehmigte Speicherprojekt in Europa sein. Die Kapazität des Alfelder Speichers reicht aus, um eine Million Haushalte für eine Stunde mit Strom zu versorgen.

Laut Florian Antwerpen, Geschäftsführer von Kyon Energy, stellt dieses Projekt einen entscheidenden Schritt zur Flexibilisierung des deutschen Strommarktes dar: „Batteriespeicher sind unverzichtbar für die Integration erneuerbarer Energien in unsere Stromnetze und die Versorgungssicherheit in Deutschland.“ Das Speicherprojekt in Alfeld unterstreicht die zentrale Bedeutung von Batteriegroßspeichern, um die Energiewende voranzutreiben.

Weitere Großspeicher in Sachsen-Anhalt und der Oberlausitz

Alfeld ist nur der Anfang. In Sachsen-Anhalt wird ab 2024 ein weiteres gigantisches Batteriegroßspeicherwerk entstehen. Der Speicher wird aus sechs Einheiten bestehen, die zusammen eine Leistung von 300 Megawatt erbringen sollen. Diese Anlage wird sogar größer sein als der Speicher in Alfeld und rund 250 Millionen Euro kosten. Das deutsch-norwegische Unternehmen Eco Stor ist federführend für das Projekt verantwortlich und wird in Zusammenarbeit mit einem Finanzierungspartner die Anlage errichten.

In der Oberlausitz plant der Energieversorger LEAG gemeinsam mit dem US-amerikanischen Batteriehersteller ESS den Bau eines 50-Megawatt-Speichers. Dieser soll im Jahr 2027 in Betrieb genommen werden und später noch weiter ausgebaut werden. Ziel ist es, zwei bis drei Millionen Haushalte kontinuierlich mit erneuerbarer Energie zu versorgen. Diese riesigen Speicherprojekte sind ein wichtiger Schritt, um die Stromnetze auf die schwankende Energieerzeugung aus Wind- und Solarenergie vorzubereiten.

Ausbau Batteriegroßspeicher

Verfünffachung der Kapazitäten bis 2026

Die Bedeutung von Großspeichern wird auch in einer aktuellen Marktanalyse des Beratungsunternehmens Enervis im Auftrag des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar) unterstrichen. Laut dieser Analyse könnte die Kapazität von Großspeichern in Deutschland bis 2026 auf sieben Gigawattstunden anwachsen. Dies entspräche einer Verfünffachung der derzeitigen Kapazitäten. Zum Vergleich: Aktuell beträgt die Speicherkapazität in Großspeichern etwa 1,8 Gigawattstunden.

Der Zubau großer Batteriespeicher sei notwendig, um den Ausbau der Photovoltaikleistung besser ins Stromsystem zu integrieren, erklärt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar. „Der Zubau großer Batteriespeicher wird dabei helfen, den schnellen Zubau an Photovoltaikleistung besser ins Stromsystem zu integrieren“, betont Körnig. Solarstrom hat das Potenzial, einen bedeutenden Teil des deutschen Strombedarfs zu decken, doch ohne entsprechende Speicherlösungen wird dieses Potenzial nicht vollständig ausgeschöpft.

Heim- und Gewerbespeicher: Ein wachsender Markt

Nicht nur bei Großspeichern gibt es in Deutschland einen erheblichen Ausbau, auch Heim- und Gewerbespeicher werden immer wichtiger. Bereits 80 % der neuen Photovoltaik-Dachanlagen werden in Kombination mit Batteriespeichern installiert. Zum Ende des ersten Halbjahres 2024 waren in Deutschland bereits 1,51 Millionen Heimspeicher mit einer Gesamtkapazität von 13 Gigawattstunden in Betrieb. Hinzu kamen 1,1 Gigawattstunden an gewerblicher Speicherkapazität.

Zusammengenommen ergibt sich somit eine installierte Speicherkapazität von fast 16 Gigawattstunden. Das zeigt, dass nicht nur große Projekte wie Alfeld oder Sachsen-Anhalt wichtig sind, sondern auch die dezentrale Speicherlösung im kleinen Maßstab eine wesentliche Rolle spielt. Heim- und Gewerbespeicher tragen erheblich zur Netzstabilität bei, indem sie die Stromflüsse besser regulieren und Lastspitzen ausgleichen.

Warum entstehen gerade so viele Batteriegroßspeicher?

Der derzeitige Boom im Bereich Batteriespeicher lässt sich laut Expertinnen und Experten darauf zurückführen, dass diese mittlerweile kostengünstig zu installieren sind und dadurch hohe Gewinne ermöglichen. „Bei Lithium-Ionen-Batterien gab es eine große Kostenreduktion“, erklärt Gunnar Wrede vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. „Vor zehn Jahren hat alleine die Batterie das drei- bis vierfache pro Kilowattstunde gekostet.“ Der Preisverfall war schneller als in vielen Prognosen angenommen.

Mit den Speichern kann Strom günstig an der Börse gekauft werden, beispielsweise mittags, wenn die Solaranlagen auf Hochtouren laufen, und abends, wenn der Preis steigt, wieder verkauft werden. Dadurch amortisieren sich die Speicher oft auch ohne staatliche Förderung. Wrede betont außerdem, dass Betreiber von Stromspeichern häufig von der Zahlung zusätzlicher Netzentgelte befreit sind. Auch Umlagen fallen geringer aus, und die Stromsteuer wird nicht erhoben.

Schnell errichtet und schnell refinanziert

Im Vergleich zu Pumpspeicherkraftwerken, die Wasser auf ein höheres Niveau pumpen, um bei Bedarf Strom zu erzeugen, bieten Batterien einen weiteren großen Vorteil: Die Planungsverfahren sind weniger komplex und dauern deutlich kürzer. Zudem müssen Batterien nicht über Jahrzehnte betrieben werden, um ihre Kosten zu decken. Die Batterien sind in vorgefertigten Containern untergebracht, die schlüsselfertig geliefert werden. Betreiber müssen lediglich das Fundament vorbereiten und für einen leistungsfähigen Stromanschluss sorgen. Daher nutzen große Energieunternehmen oft alte Kraftwerksstandorte, wie stillgelegte Kohle- oder Atomkraftwerke, für ihre Batteriespeicherprojekte.

Dirk Uwe Sauer, Professor für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der RWTH Aachen, prognostiziert in den nächsten Jahren mindestens zehn Gigawatt zusätzliche Batterieleistung für Entladezeiten von einer bis vier Stunden.

Ein weiterer Pluspunkt sind Speicher, die direkt an Solarparks angeschlossen sind, um den dort erzeugten Strom vorübergehend zu speichern. „So können wir die Einspeisung verschieben“, erläutert Rashid Elshahed, Pressesprecher für Erneuerbare Energien bei EnBW. „Angesichts der stark schwankenden Strompreise ist das wirtschaftlich sehr sinnvoll.“ Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE sind Photovoltaik-Batterie-Kombinationen mittlerweile in der Lage, günstiger Strom zu erzeugen als Kohle- und Gaskraftwerke.

E-Autos könnten eine zentrale Rolle übernehmen

Auch Professor Sauer betont die Bedeutung der Flexibilität von Energiespeichern. „Man könnte Verbraucher hoch- und runterfahren, zum Beispiel die Elektrofahrzeugflotte“, erklärt er. Derzeit bieten jedoch nur wenige Fahrzeuge und Hausanschlüsse diese Möglichkeit. Dabei bergen Elektroautos enormes Potenzial: Würden 20 Millionen E-Autos jeweils eine 60-kWh-Batterie besitzen, könnte die Gesamtkapazität 1200 GWh betragen und bis zu 60 GW Leistung bereitstellen. „Man könnte bei diesen Autos täglich rund 20 % der Batteriekapazität ein- und ausspeichern, ohne dass die Batterie nennenswert altert, was mehr wäre, als ein Durchschnittshaushalt verbraucht.“

Ein weiterer Vorteil dieser dezentralen Ansätze ist, dass die Speicher bereits dort vorhanden sind, wo der Strom benötigt wird. „Ein zentraler Gigawattspeicher nützt wenig, wenn es Netzengpässe gibt und der Strom nicht zu den Haushalten gelangen kann“, so Sauer. Um jedoch dezentrale Speicher und Elektroautos optimal zu nutzen, fehlt es noch an der notwendigen Digitalisierung, beispielsweise durch Smart-Meter zur Messung von Leistungsflüssen und Preisen. „Grundsätzlich ist das möglich und wird in Pilotanlagen bereits demonstriert.“

Großspeicher sieht Sauer als sinnvolle Zwischenlösung. Diese Systeme halten ohnehin nur zehn bis zwanzig Jahre. Bis dahin sollte die Digitalisierung so weit fortgeschritten sein, dass alle Flexibilitätsoptionen voll genutzt werden können. „Ich wünsche mir, dass wir die bereits vorhandenen Ressourcen auch aktiv nutzen. Batterien altern schließlich auch, wenn sie ungenutzt bleiben.“

Politische Maßnahmen erforderlich

Trotz der positiven Marktentwicklung sind weitere politische Schritte notwendig, um den Ausbau der Speicherkapazitäten weiter zu fördern. Carsten Körnig vom BSW-Solar sieht hier vor allem die Politik in der Pflicht: „Jetzt ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen für Speicherbetreiber so zu verbessern, dass die hohe Investitionsbereitschaft auch wirklich zu einem starken Zubau der Speicherkapazitäten führt.“

Eine wichtige Maßnahme sei die Senkung unverhältnismäßiger Baukostenzuschüsse sowie die Entfristung der vom Gesetzgeber verlängerten Befreiung von doppelten Netzentgelten für gespeicherten Strom. Diese Regelungen schaffen Planungssicherheit für Investoren und ermöglichen den schnelleren Ausbau von Speicherkapazitäten. Auch die flexible Nutzung von Stromspeichern müsse praxisnah umgesetzt werden. (mit dpa)

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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