Tipps für den Start 14.04.2021, 10:47 Uhr

Selbständigkeit: Wie werde ich Freelancer?

Braucht man einen Gewerbeschein? Wie geht das mit den Steuern? Wie komme ich als Freelancer an Jobs? Wir verraten es Ihnen.

Unabhängig und flexibel arbeiten: Der Weg in die Selbständigkeit kann zum Traumjob führen. Doch vorab sollte man unbedingt einige Fragen klären. Foto: panthermedia.net/IgorVetushko

Unabhängig und flexibel arbeiten: Der Weg in die Selbständigkeit kann zum Traumjob führen. Doch vorab sollte man unbedingt einige Fragen klären.

Foto: panthermedia.net/IgorVetushko

Sein eigener Chef sein, selbstbestimmtes Arbeiten, spannende Projekte – süß sind die Verlockungen des freiberuflichen Arbeitens. Zumal Ingenieure und ITler als Freelancer auf stattliche Honorare und eine gute Auftragslage hoffen dürfen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Zwischen einem Job als Festangestellter und Freelancer liegen Welten. Nicht jeder ist dafür gemacht.

Das zeigt schon, dass „freie Mitarbeiter“ ein hohes Maß an Selbstorganisation und Risikobereitschaft mitbringen müssen. Sie können auf kein festes, regelmäßiges Gehalt bauen, sondern arbeiten auf Honorarbasis. Neue Auftraggeber, Projekte und Jobs zu finden ist ein Dauerzustand. Aber: All das ist machbar – wir sagen wie.

Wie werde ich Freelancer?

Wer sich hierzulande selbstständig machen will, sollte zunächst beim Finanzamt vorstellig werden. Auf dem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung beschreibt man seine genaue Tätigkeit und wie man damit Einkünfte und Gewinne erzielen möchte (auch ungefähr in welcher Höhe). Daraus berechnen die Finanzbeamten die Höhe der Einkommenssteuer-Vorauszahlungen. Man erhält eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UID), die, wie die Steuernummer, auf jeder Rechnung angegeben werden muss.

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Hilfreiche Infos zum Thema Selbständigkeit finden Sie auch hier in unserem Glossar

Außerdem muss man sich für eine Gewinnermittlungsmethode entscheiden (meist eine einfache Einnahmen-Überschuss-Rechnung). Wer weniger als 17.500 Euro im ersten Jahr und weniger als 50.000 Euro im Folgejahr verdient, fällt unter die Kleinunternehmerregelung und muss keine Umsatzsteuer abführen. Am besten, man holt gleich einen Steuerberater mit ins Boot – auch wenn das nicht ganz billig ist.

Muss ich einen Kredit aufnehmen?

Nicht unbedingt. Wer als Ingenieur zum Beispiel teure Messgeräte braucht, wird kaum darum herumkommen. Meist genügen jedoch ein leistungsfähiger Rechner, schnelles Internet und die übliche Büroausstattung – das Homeoffice muss meist nicht oder nur wenig aufgebohrt werden. Wenn nicht vorhanden, sollte über ein Auto nachgedacht werden, um Kunden besuchen zu können. Wer in die Freiberuflichkeit startet, kann auf private und staatliche Fördermittel für Existenzgründer zurückgreifen.

Brauche ich spezielle Versicherungen?

Besser ist das. Als Freelancer sollte man sich gegen berufliche Risiken absichern, die rasch existenzbedrohend werden könnten. Konkret: Berufsunfähigkeit, Krankheitsausfälle, Schadensersatzforderungen. Unterschätzt wird oft, wie wichtig eine Berufshaftpflicht ist, die den Freelancer vor Schadenersatzansprüchen dritter Personen, etwa von Auftraggebern oder Kunden, schützt. Wer etwa im Falle einer mangelhaften Konstruktion oder eines Programmierfehlers belangt wird und nicht versichert ist, haftet mit seinem Privatvermögen.

Muss ein Gewerbeschein bei der Selbständigkeit sein?

Nein. Grundsätzlich zählen Ingenieure in der Steuergesetzgebung zu den freien Berufen. Das heißt aber auch, dass sich Ingenieure nur als Freiberufler anmelden können, wenn sie tatsächlich in den durch verschiedene Rechtssprüche definierten Kernbereichen des Ingenieurwesens tätig sind. Die da unter anderem wären: Forschung, Entwicklung, Lehre, Konstruktion, Vertrieb, Montage, Beratung, Projektierung, Instandhaltung sowie Versuchs- und Prüfungswesen.

Wie finde ich als Freelancer Jobs?

Die Basis: Netzwerken und auf sich aufmerksam machen! Und zwar online und offline gleichermaßen. Hierfür ist eine eigene, professionell aufgemachte Webseite unerlässlich. Außerdem müssen Freelancer auf allen relevanten Social Media-Plattformen und Business-Netzwerken wie Xing oder LinkedIn mit aussagekräftigem Profil (Kompetenzen, Kunden, erfolgreiche Projekte, Erfahrungen, Spezialwissen…) vertreten sein. Digital präsent zu sein heißt auch, auf Plattformen, durch die man am häufigsten gefunden wird, aktiv eigene Dienste anzubieten, vielleicht sogar eine Anzeige zu schalten.

Worauf müssen Sie bei Aufträgen im Ausland achten?

Ansonsten gibt es genug Plattformen, die IT- und -Engineering Jobs für Freelancer anbieten und vermitteln. Durch Google Alert kann man sich automatisch über passende Projekte benachrichtigen lassen. Passende Jobs finden Sie auch in unserer Jobbörse

Macht es Sinn, initiativ Aufträge zu akquirieren?

Unbedingt. Doch sollte man nicht ins Blaue hinein seine Dienste anbieten, sondern geplant vorgehen. In fünf Schritten kommt man zum Ziel:

  1. Den passenden, persönlichen Ansprechpartner ermitteln.
  2. Ein individuelles Anschreiben (per Mail oder Business-Netzwerk) aufsetzen.
  3. Darlegen, warum man der richtige Mann für Projekte ist, die das Wunschunternehmen vergibt und warum man als Freelancer eine gute Unterstützung ist (ohne zu prahlen).
  4. Am besten gleich konstruktive Vorschläge für die Zusammenarbeit oder gar konkrete technische Verbesserungspotenziale machen.
  5. Kommt keine Resonanz, einmal (!) nachhaken, ob die Nachricht angekommen ist und Interesse an einer Zusammenarbeit, jetzt oder künftig, besteht.

Akquise – so kommen Sie als Ingenieur an Aufträge

Welche Honorare kann ich verlangen?

Freelancer haben zwei Optionen: Entweder rechnen sie ihre Leistungen nach Tages- oder Stundensätzen oder nach Pauschalen ab. Doch wie kommt man auf den in der Branche und für den Job vernünftigen Stundensatz? Hilfreich ist diese Faustformel: Das Bruttogehalt eines Angestellten in gleicher Branche und Position nehmen, dieses verdoppeln (schließlich zahlt man Sozialabgaben etc. selbst) und auf die veranschlagten Arbeitsstunden herunterrechnen.

Kunden bevorzugen oft Pauschalisten, weil Festpreise für sie keine Überraschungen bergen. Die erlebt im Zweifel aber der Freelancer, weil er etwa durch ständige Nachforderungen des Kunden deutlich mehr Zeit investiert als veranschlagt. Daher ist die Festpreis-Variante die eher schlechtere – es sei denn, es geht fair und berechenbar zu. In jedem Fall muss der Freelancer bei einem Festpreis vorab seine Leistungen genau beschreiben und den Zeitaufwand realistisch abschätzen. Am besten vereinbaren, dass Extrawünsche auch extra kosten.

Stundensätze selbständiger Ingenieure und IT-Freelancer 

Selbständigkeit: Wie werde ich erfolgreich?

Aktiv sein, Augen und Ohren offenhalten, nicht müde werden, zu akquirieren. Nicht auf ein Pferd setzen, sondern Projekte und Kundenstamm diversifizieren. Brechen ein oder zwei Auftraggeber weg, ist das leicht zu verschmerzen, wenn man breit aufgestellt ist. Experten empfehlen, jede Woche mindestens drei Stunden in die Neukundenakquise zu investieren und den Kundenstamm kontinuierlich zu erweitern. Was auch aus einem anderen Grund wichtig ist: Wer mehr als 5/6 seines Einkommens durch nur einen Auftraggeber bestreitet, gilt als scheinselbstständig. Idealerweise entwickelt man seine Skills so weiter, dass sie in verschiedenen Bereichen oder gar Branchen nützlich sind. Heißt auch: Sich weiterbilden, fachlich netzwerken, neugierig bleiben.

Was sind die Nachteile als Freelancer?

Eine gewisse Unsicherheit: schwankendes Einkommen, teure soziale Absicherung, unbezahlter Urlaub, Angst vor krankheitsbedingten Ausfällen und säumige oder streitlustige Kunden. Und natürlich gibt es niemanden, der Weihnachtsgeld, Provisionen oder Erfolgsbeteiligungen zahlt.

Selbsttest zum Schluss: Bin ich überhaupt für das Dasein als Freelancer geeignet?

Zunächst: Ein Kaltstart direkt nach dem Studium wird kaum glücken, weil Kunden erfahrene Kräfte oder Spezialisten suchen – und das auch belegt haben möchten. In dem, was man tut, muss man richtig gut sein. Außerdem risikofreudig, flexibel und sozial kompetent.

Sehr kritisch sollte man sich diesen Fragen stellen:

  • Warum möchte ich frei arbeiten?
  • Bin ich bereit, länger und härter als Festangestellte zu arbeiten?
  • Ist Selbstorganisation kein Problem für mich?
  • Kann ich mit Ungewissheit und Risiken umgehen?
  • Bin ich belastbar?
  • Habe ich ein finanzielles Polster?
  • Bin ich zumindest rudimentär betriebswirtschaftlich bewandert?
  • Bin ich ein Unternehmertyp?
  • Ist Selbstmarketing mein Ding?
  • Bin ich ein begnadeter Netzwerker?
  • Offen für Neues?
  • Ist meine (Dienst-)leistung marktgängig?
  • Ist mein Profil klar umrissen?

Seien Sie bei der Beantwortung wirklich ehrlich zu sich. Wenn Sie zu viele der Fragen mit Nein beantworten müssen oder gar nicht recht benennen können, warum Sie als Freiberufler arbeiten wollen, sollten Sie den Plan lieber noch einmal gründlich überdenken.

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Ein Beitrag von:

  • Chris Löwer

    Chris Löwer

    Chris Löwer arbeitet seit mehr als 20 Jahren als freier Journalist für überregionale Medien. Seine Themenschwerpunkte sind Wissenschaft, Technik und Karriere.

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