Erfindungen 13.01.2012, 12:02 Uhr

Motorenentwickler von nebenan basteln am Stelzer-Motor

Otto- und Dieselmotoren sind das Nonplusultra in der Autoindustrie. Trotzdem suchen einige Unentwegte weiter nach besseren Antrieben. Oft berechnen und konstruieren sie noch, während andere längst ihren Feierabend oder Ruhestand genießen. Ein Beispiel ist Hans J. Richter. Der pensionierter Roboter-Entwickler hat einen kleinen Elektroantrieb entwickelt, der Großes verspricht.

An Frank Stelzer scheiden sich noch immer die Geister. Für Manchen bleibt der 2007 gestorbene Schöpfer des Stelzer-Motors ein genialer Erfinder, für andere ein Scharlatan. Fakt ist: Obwohl er nie müde wurde, die Überlegenheit seines Freikolbenmotors zu preisen, knatterte der nur in Hinterhofwerkstätten und Hütten. Die Paläste der Automobilindustrie blieben ihm versperrt.

Stelzers Erfinderleben ist eine typisch deutsche Geschichte. Im Land von Otto und Diesel, von Benz, Maybach und Bosch wimmelt es weiterhin von Motorentüftlern. Viele von ihnen finden sich auch nach 125 Jahren Automobil und weit über 1 Mrd. gefertigter Hubkolbenmotoren nicht damit ab, dass Otto und Diesel in der Branche den Standard gesetzt haben.

„Initiative Druckzellenmotor“ entwickelten zwei Prototypen, bevor der Verein sich auflöste

„Wir können es uns nicht leisten, mit Otto- oder Dieselmotoren weiter zu leben. Dafür sind ihre Wirkungsgrade zu schlecht“, brachte Johannes Reitz die Haltung der Unentwegten auf den Punkt. Reiz war Vordenker des Initiativkreises Druckzellenmotor, in dem pensionierte Ingenieure, aktive Professoren und mittelständische Unternehmer an einem Motor arbeiten, der es besser machen soll. Finanziert aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden brachten die 20 Mitglieder des Vereins immerhin zwei Prototypen ihres Druckzellenmotors ans Laufen, ehe Reitz Ende 2010 mit 85 Jahren starb. Einige Monate später löste sich auch der Verein auf.

„Wir mussten einsehen, dass die Entwicklung mit unseren begrenzten Mitteln nicht zu stemmen ist“, so Vereinssprecher Werner Schelling. Die in der Freizeit konstruierten und selbst gebauten Prototypen hielten bei Prüfstandversuchen nicht, was die Berechnungen versprochen hatten. „Die Ursache waren Druckverluste, die wir nicht in den Griff bekamen“, berichtet er. Doch ohne Druck blieb der Wirkungsgrad des Druckzellenmotors mau.

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Der Erfinderkreis hat die vier Takte, die in herkömmlichen Verbrennern im Zylinder ablaufen, auf drei simultan arbeitende Einheiten verteilt. Ein Kompressor saugt Luft an und verdichtet sie. Von dort gelangt sie in eine isolierte Druckzelle, in der Kraftstoff zugeführt und kontinuierlich bei Luftüberschuss verbrannt wird. Die heißen Verbrennungsgase treiben dann die Schaufeln eines Expanderrads in der dritten Einheit an. Vorteil des Kammerkonzepts: Das Gemisch hat mehr Zeit zu verbrennen als im Zylinder. Auch minderwertiger Brennstoff brennt so ohne Ruß- oder Stickoxidbildung durch. Zudem läuft der Motor ruhig, weil das heiße Gas permanent in das Expanderrad strömt, statt den Kolben ruckartig nach unten zu stoßen.

Laufruhe, hohe Wirkungsgrade, abgasarmer Betrieb mit verschiedenen Kraftstoffen – das Ganze mit Patenten abgesichert und von renommierten Motorexperten wie dem Aachener Prof. Stefan Pischinger für gut befunden. Reitz und seine Mitstreiter waren überzeugt, eine epochale Erfindung voranzutreiben. Doch ihre Überzeugung wich mit den Druckverlusten der Prototypen. Ganz aufgeben wollen sie aber nicht. „Zusammen mit Experten der Hochschule Heilbronn loten wir die Chancen für einen Neuanlauf aus“, so Schelling.

Die alten Recken des Initiativkreises treibt die Elektromobilität um. Angesichts der bescheidenen Energiedichte von Batterien denken Autohersteller über „Range Extender“ nach. Motoren sollen an Bord der Elektroautos Strom erzeugen. Und das mit geringem Bau- und Hubraum sowie hohen Wirkungsgraden. Viele Erfinder sehen das als „Stellenausschreibung“ für ihre lange verschmähten Motor-Alternativen. „Weil auch die Nachfrage nach Mini-Blockheizkraftwerken steigt, wittern die Erfinder mit ihren Ablegern von Wankel-, Stirling- und Kugelmotoren oder Rotations-, Frei- und Gegenkolbenmotoren Morgenluft“, beobachtet Wolf Burger. Der Professor der Dualen Hochschule Baden-Württemberg leitet mit einer Kollegin das dortige Engine Research Center und entwickelt selbst Motoren.

Allerdings verschwendet Burger dabei keinen Gedanken an die Automobilindustrie. Dort, wo Heerscharen von Ingenieuren mit Milliardenaufwand etablierte Motorenkonzepte verbessern, hätten Einzelerfinder nicht den Hauch einer Chance. „Nach 125 Jahren Erfahrung mit Hubkolbenmotoren werden Hersteller kaum auf unerprobte Technik vom Tüftler nebenan umschwenken“, so Burger. Folgerichtig baue General Motors den ersten Stromer mit Range Extender im Markt mit Viertakt-Ottomotor, obwohl es sicherlich Alternativen gegeben hätte.

Optimierter Stelzer-Motor eignet sich als Range Extender für Elektrofahrzeuge

Trotz alledem hegen Tüftler wie Johannes Schild von Spannenberg den Traum, dass Autohersteller auf ihre Aggregate aufmerksam werden. In seiner Wiesbadener Werkstatt entwickelt der ehemalige Mitarbeiter Stelzers den Freikolbenmotor weiter. Nach eigener Einschätzung hat er grundlegende Probleme gelöst. Die Patentierung seiner Ideen laufe. Als Einsatzgebiete für seinen optimierten Stelzer-Motor nennt er u. a. Wasserpumpen, Blockheizkraftwerke, Stromerzeugung auf Schiffen – und eben Range Extender für Elektrofahrzeuge.

Stelzer-Motoren blieb von Spannenberg wegen ihrer Schlichtheit treu. Anders als die aufwändigen Benziner und Diesel bestehen die kastenförmigen Zweitakter aus acht Bauteilen. Nur eines davon bewegt sich: ein Dreifachkolben, der bis zu 20 000 Mal pro Minute waagerecht im Motor hin- und herschwingt (s. Grafik). Im Motor gibt es mittig eine Vorverdichterkammer, und zwei Brennräume links und rechts. Der Dreifachkolben bedient sie alle. Schwingt er nach rechts, drückt der mittlere Kolbenteil eingeblasenes Luft-Kraftstoff-Gemisch in die Brennkammer vor dem rechten Teil. Der gibt rechts außen angekommen die Auspuffschlitze frei. Das frische Gemisch kann so die Abgase der letzten Zündung verdrängen. Auf der anderen Motorseite verdichtet derweil der linke Teil des Kolbens frisches Gemisch im dortigen Brennraum, das Zündkerzen zünden und so den nächsten Takt in die entgegengesetzte Richtung einleiten. Der Mittelteil schiebt nun frisches Gemisch in die linke Brennkammer, während rechts verdichtet und gezündet wird.

Stelzer war sicher, mit dem Motor doppelt so hohe Wirkungsgrade wie Otto- und Dieselmotoren erzielen zu können. Zudem brauche der Motor keine Schmierung, glänze mit Reibungsverlusten im niedrigen einstelligen Prozentbereich und vertrage Benzin, Diesel, Erdgas und Ethanol. Dass Autohersteller ihn dennoch verschmähten, erklärt sich von Spannenberg damit, dass sein früherer Chef zentrale Fragen nie in den Griff bekam – etwa Vibration, Zündung und Abgase. Tatsächlich zeugen die letzten filmischen Dokumente von Stelzer von diesen Problemen. Es knattert und qualmt gewaltig, wenn sich sein Motor heftig schüttelnd in Bewegung setzt.

Motorentwickler von Spannenberg will Stelzer-Motor von Kinderkrankheiten befreien

Mit seinem Partner Herbert Klement will von Spannenberg die Kinderkrankheiten nun beseitigt haben. „Die Schwingungen neutralisieren wir, indem wir zwei Motoren bei 1000 Umdrehungen je Minute versetzt laufen lassen“, erklärt er. Eine Taumelscheibe kopple sie und übersetze das lineare Hin und Her in eine Drehbewegung. Daneben setzen die Tüftler auf geregelte Zündung und gesteuerte Ventile. Das Konzept steht. Partner, darunter ein süddeutscher Automobilzulieferer und Forscher der TU Darmstadt, sind gefunden. Doch die Entwickler sind kalt gestellt. „Nach der teuren Patentanmeldung fehlt uns das Geld zum Weitermachen“, räumt von Spannenberg ein.

Da hat es der Augsburger Ingenieur und Erfinder Hans J. Richter besser. In seinem früheren Leben war der 75-jährige Entwicklungschef bei verschiedenen Herstellern von Industrierobotern. Unter anderem geht der erste computergesteuerte Roboter auf ihn zurück. „Noch mit Lochkarten“, lacht er. Seinerzeit verdiente er gut, investierte in eine feine Wohnanlage in seiner Heimatstadt und ist nur finanziell unabhängig – aber nicht reich. Denn Richter hat in den letzten Jahren gut 5 Mio. € in seinen Motor gesteckt: ein neuartiger Piezomotor. Kaum größer als eine Männerfaust, 20 kW stark. Jeweils vier dieser Kraftpakete sollen künftig Elektroautos antreiben. Unter Stromzufuhr sollen sie die Räder über CFK-Bremsscheiben antreiben und generatorisch abbremsen.

Schlüssel dazu sind die speziellen Eigenschaften von Piezo-Keramiken. Unter Stromzufuhr dehnen sie sich aus und erzeugen bei Druck Spannung. Zwar sind die Wege µm-kurz, doch die Kraft ist enorm. „Die Kraftdichte ist bis zu 1000-mal höher als bei magnetisch-induktiven Motoren“, so Richter. Ihm sei es mit einer ganzen Reihe patentierter Erfindungen gelungen, diese ungeheure Kraft zu bändigen, zu lenken und zu steuern. Neben den Vorteilen bei Bauraum und Gewicht hat der Erfinder einen weiteren Trumpf im Ärmel: „Der Piezomotor braucht nur Strom, die Spannung passt sich in einem Schwingkreis automatisch der Frequenz der Piezos an.“ Hochvolt-Technik der heutigen Hybride und Stromer werde überflüssig. Damit könnten Akkus so leicht wechselbar werden, wie bei Notebooks. „Reichweite wird kein Problem mehr sein“, prophezeit Richter.

Nach Jahren des Tüftelns in seiner kleinen Werkstatt hat er nun einen Förderantrag beim Bundesverkehrsministerium gestellt. Wird er bewilligt, will Richter ein Niederspannungsauto mit seinen Piezomotoren ausrüsten. Zeitziel: Ende 2012. Geht es nach ihm, wird bald Schluss sein mit dem Geknatter und Gequalme der Ottos, Diesels, Wankels, Stelzers & Co. „Die Zukunft fährt elektrisch“, ist der Erfinder überzeugt. 

Ein Beitrag von:

  • Peter Trechow

    Peter Trechow ist Journalist für Umwelt- und Technikthemen. Er schreibt für überregionale Medien unter anderem über neue Entwicklungen in Forschung und Lehre und Unternehmen in der Technikbranche.

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