Wettlauf zum Mond 28.04.2020, 07:01 Uhr

Weltraumforscher: „Die Erde ist der ungeeignetste Ort für Rohstoff-Abbau“

Hakan Kayal ist Professor für Raumfahrttechnik an der Uni Würzburg. Er glaubt: Ein neuer Wettlauf zum Mond ist längst im Gange. Besonders in einem Aspekt sieht er eine große Chance.

Der Mond ist erneut Ziel eins Wettlaufs. Diesmal mischen auch Privatunternehmen wie SpaceX mit. Foto: Peter Sieben

Der Mond ist erneut Ziel eins Wettlaufs. Diesmal mischen auch Privatunternehmen wie SpaceX mit.

Foto: Peter Sieben

INGENIEUR.de: Kommt es zu einem neuen Wettlauf zum Mond?

Hakan Kayal: Es ist bereits ein Wettlauf zum Mond im Gange. Die einzige Frage, die sich mir dabei stellt, ist nicht ob, sondern, nur wie schnell es geht. Wirtschaftliche, politische oder auch andere Ereignisse von globaler Bedeutung, wie jetzt etwa die Corona-Krise, können natürlich mehr oder weniger starken Einfluss darauf haben. Aber langfristig ist für mich die Erschließung des Mondes und später auch anderer Himmelskörper wie des Mars lediglich die Folge einer natürlichen Entwicklung. Die Nutzung des Weltraums inklusive des Mondes und des Mars als neuer Lebensraum sind nur die logischen nächsten Schritte.

Wer mischt denn bei dem Wettlauf mit?

Die Nasa hat sich im Rahmen des Artemis-Programms zum Ziel gesetzt 2024 Menschen auf dem Mond zu landen. Dabei wird eine kleine Raumstation, die Lunar Gateway, Reisen zum Mond und zurück unterstützen. Mitte der 2020er Jahre sollen erste Module aufgebaut werden. Kommerzielle Raumfahrtfirmen wie SpaceX sollen dabei helfen und erhalten Aufträge für wichtige Elemente wie Trägerraketen oder Raumkapseln.

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Mit der erfolgreichen Landung des Chang’e 4 auf der Rückseite des Mondes hat China seine Ambitionen in Richtung Mond unterstrichen. Weitere Missionen zum Mond werden in den kommenden Jahren den Weg zu einer permanenten Basis ebnen. Auch China forscht an Möglichkeiten auf dem Mond, Gebäude unter Nutzung von lokalen Materialien, etwa durch 3D-Druck-Technologien, zu errichten.

Auch Russland wird sicherlich nicht lange nur dabei zusehen, wie andere den Mond nach und nach erschließen. Erste Raumfahrer sollen bis 2030 auf dem Mond landen.

Ist das eher ein politisches Prestige-Projekt wie in den 60er Jahren spielen jetzt wirtschaftliche Interessen eine größere Rolle?

Die Wirtschaft lebt nicht nur von der Produktion, dem Handel und den Dienstleistungen, die wir im Alltag gewohnt sind. Durch technologische Entwicklungen und innovative Ideen aller Art entstehen völlig neue Bereiche, die es vorher entweder schlicht nicht gab oder die man zumindest für unvorstellbar gehalten hat. Oft ist es so, dass zunächst wenige, vielleicht wagemutige Vorreiter aus völlig anderen als wirtschaftlichen Beweggründen den Weg für spätere, große Märkte geebnet haben und dabei oft nicht an das wirtschaftliche Potential gedacht haben. Beispiele dafür gibt es in vielen Bereichen: Die Entdeckung Amerikas etwa oder die Entwicklung von Flugzeugen. Wichtig ist zu erkennen: Wenn man erst einmal substantielle, nachhaltige Möglichkeiten zur Reise und zum Aufenthalt auf dem Mond geschaffen hat, dann werden nicht nur wissenschaftliche, sondern sehr bald auch wirtschaftliche Aktivitäten folgen. Das wird sich mit Sicherheit nicht auf den Abbau von möglichen Rohstoffen beschränken, sondern wird sich auf die Produktion von Gütern und den Tourismus erweitern.

Hochphase der bemannten Mondflüge: Buzz Aldrin steht vor der amerikanischen Flagge auf dem Erdtrabanten.

Hochphase der bemannten Mondflüge: Buzz Aldrin steht vor der amerikanischen Flagge auf dem Erdtrabanten.

Foto: Nasa

Welche Rohstoffe können dort überhaupt abgebaut werden? 

Es gibt einige Rohstoffe, die direkt nutzbar sein könnten, wobei natürlich die Wirtschaftlichkeit gegeben sein muss, was noch länger dauern kann. Dazu zählen Stoffe wie Titan, Aluminium, diverse Edelmetalle oder möglicherweise auch Helium-3. Aber ich denke, angesichts der vielfältigen Nutzungspotentiale sollte man die Bedeutung des Wettlaufs zum Mond nicht alleine auf den Abbau von möglichen Rohstoffen reduzieren und vielmehr langfristig denken. Im Grunde genommen ist die Erde der denkbar ungeeignetste Ort für den Abbau von Rohstoffen und die Produktion von Materialien, die große Energiemengen benötigen und viele für die Umwelt giftige Substanzen freisetzen.

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Etwas überspitzt formuliert ist das so, als ob man in seinem eigenen Wohnzimmer immer mehr Stoffe abbaut, Waren produziert und dabei die gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen bewusst in Kauf nimmt. Den Abbau und die Produktion von zumindest einigen Materialien oder Gütern, deren Produktion auf der Erde umweltschädlich sind, könnte man durchaus auf den Mond oder auch auf geeignete Asteroiden verlagern und damit die Umwelt auf der Erde schonen. Natürlich können viele Materialien, die auf dem Mond vorhanden sind, auch für den Bau und den Betrieb von Anlagen und Wohnblöcken direkt auf dem Mond genutzt werden und müssten nicht aufwendig erst von der Erde dort hingebracht werden. Die Esa spricht in diesem Zusammenhang von einer „Moon Village“.

Welche Konflikte oder welche Chancen können aus neuen Raumfahrtprogrammen erwachsen?

Wenn erstmal bezahlbare Mondflüge in greifbare Nähe rücken, kann ich mir unter anderem einen wachsenden Tourismus vorstellen. Das wird anfänglich für die meisten ganz sicher nicht bezahlbar sein. Aber denken Sie nur mal an die rasante Preisentwicklung bei Computern, Handys, den Kreuzschifffahrten oder an die Luftfahrt von den Anfängen bis heute. Dann werden Sie feststellen, dass vieles am Anfang einfach unmöglich erschien und entsprechende Zweifel heute nur noch als Anekdoten weitererzählt werden.

Es gibt allerdings leider sicher auch Konfliktpotentiale, genauso wie auf der Erde auch, wenn Ressourcen knapper werden und neue Bereiche erschlossen werden sollen. Ich kann nur hoffen, dass die sich daraus ergebenden zukünftigen Konflikte im Weltraum besser gelöst werden können als heute auf der Erde. Einen wichtigen Beitrag dazu könnte vermehrte internationale Zusammenarbeit beitragen, die aufgrund der enormen Kosten, ohnehin in der Raumfahrt oft die einzige Möglichkeit zur Verwirklichung von ambitionierten Plänen ist. Insofern können solche aufwändigen Pläne in Richtung Mond auch einen wertvollen Beitrag zum Weltfrieden leisten.

Wie ist es zu bewerten, dass Privatunternehmen wie SpaceX zunehmend in den Weltraum streben?

Es ist in der Forschung häufig so, dass risikoreiche Vorhaben erst von Institutionen finanziert werden, die keine unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen fordern. In der Grundlagenforschung beispielsweise ergeben sich manchmal aus neuen Entdeckungen oder Erkenntnissen erst viel später wirtschaftlich verwertbare Nutzen oder auch nicht. In der Raumfahrt ist es ähnlich.

Heute hat sich daraus ein großer Markt mit viel Wettbewerb entwickelt, der uns allen auf der Erde im alltäglichen Leben zugutekommt. Man kann davon ausgehen, dass in Zukunft der Anteil der Privatunternehmen in den Weltraumaktivitäten weiter zunehmen wird. Das Thema wird heute unter dem Begriff „New Space“ viel diskutiert. Auch wenn heute noch signifikante staatliche Unterstützung notwendig erscheint, und einige Unternehmen es nicht ohne diese Unterstützung weiter schaffen werden, voranzukommen, werden sich langfristig private Firmen mit Weltraumaktivitäten immer mehr selbst tragen können.

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Dass dies prinzipiell gewollt ist, kann man daran erkennen, dass einige Staaten die gesetzlichen Grundlagen dafür vorbereiten. Der sogenannte Weltraumvertrag von 1967, der die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper regelt, ist für die sich heute abzeichnende Entwicklung zur wirtschaftlichen Nutzung des Weltraums und des Mondes nicht mehr ausreichend. Daher gibt es weltweit Bemühungen, neue, detailliertere Regelungen zu schaffen, die den aktuellen Erfordernissen Rechnung tragen sollen.

Wie könnte der Mond in zehn oder 20 Jahren aussehen?

Es wird eine schrittweise Entwicklung geben. In zehn Jahren werden wir sicherlich die ersten Schritte zur Rückkehr zum Mond erleben können. Menschen werden in dieser Zeit wieder den Mond betreten. Immer mehr Forschungsmissionen werden auf dem Mond landen und im Gegensatz zu früheren Missionen die darauffolgenden Schritte zur dauerhaften Besiedlung langsam vorbereiten. Dazu gehören zum Beispiel Untersuchungen, Tests und Experimente, wie man auf dem Mond Stoffe für das Leben dort gewinnen kann. In der Fachwelt spricht man von „In Situ Ressource Utilization (ISRU)“. Die Gewinnung von Wasser und Sauerstoff aus dem Regolith, dem Bau von Siedlungen, die Produktion von Treibstoffen, die Energiegewinnung und auch der Anbau von Pflanzen sind nur einige der Schlüsselthemen, die nach und nach entwickelt, auf dem Mond getestet und genutzt werden müssen. Die Erfahrungen, die auf dem Mond gemacht werden, können sicherlich teilweise auch für Siedlungen auf dem Mars nützlich sein. Darüber hinaus können Reisen zum Mars vom Mond aus günstiger sein als direkt von der Erde, wenn man zum Beispiel einige Strukturen für ein Erde-Mars Pendelschiff direkt auf dem Mond bauen und in seinem Orbit montieren könnte.

Testen Sie Ihr Wissen: Das große Mond-Quiz

An der Universität Würzburg haben Studierende in meiner Lehrveranstaltung „Planetare Basen und Orbitalstationen“ bereits seit einigen Jahren die Möglichkeit, an Semesterprojekten zum Entwurf von Basen auf dem Mond und auf dem Mars teilzunehmen. So entstanden komplette Studien zum Thema „Mondbasis 2030“ oder „Marsbasis 2030“. Daneben betreiben wir ein Forschungsteleskop, das automatisch kurzzeitige Leuchtphänomene auf dem Mond, sogenannte „Transient Lunar Phenomena“, erkennen kann. Die Software wird im Rahmen von Masterarbeiten derzeit weiterentwickelt. Auch im Erdorbit betreiben wir seit Juli 2019 einen Nanosatelliten, mit dem neue Technologien zur Erhöhung der Autonomie getestet wird. Höhere Autonomie ist eines der Schlüsseltechnologien für den zukünftigen Aufbau und Betrieb von Systemen auf dem Mond und Mars. Die Studierenden werden damit gut auf die anstehenden interdisziplinären Herausforderungen in Ihrem Berufsleben nach dem Studium vorbereitet und könnten eines Tages an der Besiedlung des Mondes und des Mars mitwirken.

Ein Beitrag von:

  • Peter Sieben

    Peter Sieben schreibt über Forschung, Politik und Karrierethemen. Nach einem Volontariat bei der Funke Mediengruppe war er mehrere Jahre als Redakteur und Politik-Reporter in verschiedenen Ressorts von Tageszeitungen und Online-Medien unterwegs.

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