Erneuerbare Energien 17.01.2023, 09:30 Uhr

Kann Deutschland seine Ausbauziele für die Windenergie auf See realisieren?

Das Erreichen der Ausbauziele für die Offshore-Windenergie erfordert enge Zusammenarbeit zwischen Politik und Industrie. Wie entwickelt sich die Branche vom Plan zur Umsetzung?

Windkraftanlagen im Meer

Die Offshore-Windkraft spielt eine immer größere Rolle bei der Erzeugung der Energie

Foto: PantherMedia / DanitaDelimontMicro (Peter Adams)

Die Offshore-Windkraft spielt eine immer größere Rolle bei der Erzeugung regenerativer Energien. Die Bundesregierung hat über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ambitionierte Ausbauziele festgelegt. Die Erhöhung der Ausbauziele für die Offshore-Windenergie wurde in der Novelle zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) bereits im Sommer vergangenen Jahres gesetzlich verankert. Die installierte Leistung von Offshore-Windenergieanlagen soll demzufolge bis zum Jahr 2030 auf insgesamt mindestens 30 GW, bis zum Jahr 2035 auf mindestens 40 GW und bis zum Jahr 2045 auf 70 GW gesteigert werden.

Doch um etwas auszubauen und alle Möglichkeiten und Perspektiven besser abzuschätzen, muss man zunächst den Status Quo kennen. Genau diese Zahlen haben die Branchenvertreter jetzt bekannt gegeben.

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1.539 Offshore-Windenergieanlagen in Betrieb

Insgesamt waren in Deutschland in der deutschen Nord- und Ostsee zum Stichtag 31. Dezember 2022 1.539 Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) mit einer Leistung von 8,1 GW in Betrieb. Im vergangenen Jahr gingen 38 Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) mit einer Leistung von 342 MW im Projekt Kaskasi erstmalig ans Netz. Weitere Fundament- und Anlageninstallationen fanden statt. Denkt man an das für 2035 avisierte Ziel von 30 GW, wird schnell klar, was zu tun ist.

„Für das Erreichen der Ausbauziele bis 2030 müssen in Deutschland in weniger als acht Jahren 22 Gigawatt (GW) auf See installiert werden. In Europa sollen in diesem Zeitraum zusammen rund 150 GW Windenergieleistung zugebaut werden“, teilten die Branchenorganisationen BWE, BWO, Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE, VDMA Power Systems, WAB e.V. und WindEnergy Network e.V. bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit.
Dabei erwartet die Branche einen erheblichen Anstieg ab 2025 und vor allem gegen Ende des Ausbauzieles 2030.

Maßnahmen, um das Ausbauziel zu erreichen

Es wurden auch diverse Maßnahmen (kurzfristig und langfristig) skizziert, die für das Erreichen dieser Ziele dringend notwendig sind. So müssten vor allem die Lieferketten, Hafenkapazitäten, Schiffe für Errichtung und Service, Personal sowie belastbare Quantifizierungen für konkrete Ausschreibungsmengen und Netzanbindungen sichergestellt werden.

„Fachkräfte sind Schlüssel zum Erfolg“, hob auch Stefan Thimm von Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore e.V. hervor. In dieser Hinsicht wünschen sich die Verbände u.a. mehr Arbeitnehmerfreizügigkeit über EU-Grenzen hinaus und eine effektive Einwanderungspolitik.
Unter langfristigen Maßnahmen wurden folgende aufgezählt:

  • Europäische Industriestrategie zur Stärkung der europäischen Lieferkette
  • Finanzierung sichern: Europäischen Fonds für Skalierungsaktivitäten auflegen
  • Forschung und Entwicklung stärken durch den Abbau bürokratischer Hürden

Zusammenarbeit von Regierung und Industrie ist wichtig

„Für den Aufbau stabiler Lieferketten und einen zukunftsorientierten Ausbau von Fertigungskapazitäten braucht es einen stetigen und gleichmäßigen Zubau-Pfad. Die für das Erreichen der Ausbauziele notwendigen Produktionskapazitäten und Fachkräfte fehlen bisher in substanziellem Maße. Ein Plan allein reicht hier nicht. Wir müssen gemeinsam mit der Politik umgehend eine realistische Grundlage für die Umsetzung der Ausbauziele im Bereich Windenergie auf See für Strom und grünen Wasserstoff schaffen“, appellierten die Branchenorganisationen bei der gemeinsamen Pressekonferenz.

Schließlich eröffnen sich mit einem Wachstum der Offshore-Wind-Zulieferkette neben einer kostengünstigen Energieversorgung und einer größeren Versorgungssicherheit Europas immense Wertschöpfungspotenziale.

„Aufgrund des großen Volumens der Ausschreibungen müssen Regierung und Industrie von Anfang an Hand in Hand arbeiten, um Nachbesserungen zu vermeiden. Das betrifft auch den Erhalt der Akteursvielfalt der Projektierer“, heißt es in der Presserklärung.

Windenergie naturverträglich ausbauen?

Aber wie viel Windkraft vertragen Nord- und Ostsee noch? Und kann der Ausbau der Offshore-Windenergie überhaupt naturverträglich gelingen? Schließlich bringt er u.a. große Risiken für die Meeresnatur mit sich, stellt aber gleichzeitig eine Chance für das Klima dar. Bau, Betrieb und Wartung der Anlagen können Meeressäuger, Vögel und Fische gefährden. Wie kann man alles unter einen Hut bringen?

Der Naturschutzbund Deutschland hat bereits vor einigen Jahren Anforderungen an Offshore-Windenergie in Europa formuliert. So sollten sich Ausbauziele für Offshore-Windenergie europaweit an den ökologischen Belastungsgrenzen der Meere orientieren.

Auch die Vertreter der Windbranche versicherten, dass sie von Anfang an in einem konstruktiven Gespräch mit Naturschutzverbänden waren und sind. Auch diese Branche lernt stetig dazu. Deshalb sind sie sicher, dass man die Windenergie naturverträglich ausbauen kann und wird.

Kommt Floating-Technologie nach Deutschland?

Interessant wäre in dieser Hinsicht zu wissen, wie es mit dem Ausbau der schwimmenden Offshore-Windkraftanlagen in Deutschland aussieht?
Schwimmende Windkraftanlagen spielen weltweit gesehen eine größere Rolle. In Deutschland bisher nicht. Deutsche Windräder stehen in der Nordsee im Meeresboden, weil es die Wassertiefe zulässt. Die meisten Anlagen befinden sich in Deutschland mindestens 40 Kilometer von der Küste entfernt und in Wassertiefen ab 20 Meter. Einige Anlagen sind sogar 120 Kilometer entfernt und sind in Wassertiefen bis zu 44 Meter installiert. Schwimmende Windkraftanlagen installiert man hingegen, wenn die Wassertiefen vor der Küste deutlich höher sind.

Was ist Floating-Technologie?

Eigentlich gibt es die Idee der schwimmenden Offshore-Windkraftanlagen schon mehr als zehn Jahre. So ging „Hywind“, der erste Prototyp 2009 vor der norwegischen Küste mit einer Leistung von 2,3 Megawatt in Betrieb. Diese Technologie aus schwimmenden Fundamenten wird im Fachjargon „floating offshore wind energy“ genannt und ermöglicht Offshore-Stromerzeugung bei tieferen Gewässern.

Die Windkraftanlagen werden auf schwimmenden, mit Ketten und Leinen im Meeresboden verankerten Fundamenten installiert. Damit sind sie umweltfreundlicher, weil die Eingriffe in die Meeresumwelt kleiner ausfallen. Den erzeugten Strom transportiert man dann über Seekabel zur Küste.

Diese Technologie erschließt bisher unzugängliche Standorte auf dem offenen Meer. Da das Wasser vor der deutschen Küste nicht so tief ist, kam diese Technologie bisher noch nicht in Einsatz. Allerdings schließen die Verbände nicht aus, dass künftig auch solche Anlagen vor deutschen Küsten installiert werden könnten.

 

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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