Windenergie 10.07.2023, 07:05 Uhr

Recycling von Windkraftanlagen: Es gibt ein Problem

Es werden immer mehr Windkraftanlagen in Deutschland gebaut. Aber es heißt auch andererseits, dass immer mehr ausgediente Anlagen irgendwann abgebaut werden müssen. Doch wie werden die riesigen Rotoren, Masten und Alt-Anlagen entsorgt oder recycelt? Der Entsorgungswirtschaftsverband BDE warnt vor einem langfristigem Müllproblem.

Recycling der Windkraftanlagen

Viele Windkraftanlagen müssen aufgrund gesetzlicher Vorgaben bald rückgebaut und recycelt werden.

Foto: PantherMedia / CreativeNature

Die deutsche Entsorgungsbranche drängt auf eine Neuausrichtung beim Bau von Windrädern, um sicherzustellen, dass die Rotorblätter nach ihrer Demontage recycelt werden können und nicht verbrannt werden müssen. „Deutschland stellt seit Jahrzehnten Windanlagen auf die Felder, die nicht vernünftig verwertbar sind“, sagte der Präsident des Entsorgungswirtschaftsverbandes BDE, Peter Kurth,gegenüber  der dpa. Vor allem die mit Carbon oder Glasfaser durchsetzten Rotoren seien für das Recycling ein Problem. Denn: Die Verbundwerkstoffe landen in der thermischen Verwertung oder im Ausland auf Deponien, und dies sei eine Ressourcenverschwendung. Deshalb forderte er: „Die Wertstoffe müssen zurück in den Kreislauf, anstatt sie einfach nur zu verbrennen.“ Er hofft darauf, dass im kommenden Jahr die Bundesregierung konkrete Vorgaben für eine Kreislaufwirtschaft in einer Strategie festlegt. Es ist vorstellbar, dass Hersteller eine Übergangsfrist gewährt wird und sie danach nur noch Rotorblätter auf den Markt bringen dürfen, die gut recycelbar sind.

Lebensdauer von 20 Jahren

Viele Windkraftanlagen aus den 2000er Jahre können demnächst abgebaut werden. Für etwa ein Drittel der über 31.000 deutschen Windränder in Deutschland endet bald ein Förderprogramm. Man geht generell von einer durchschnittlichen Lebensdauer einer Anlage von 20 Jahren aus. Mit anderen Worten: Viele Windkraftanlagen müssen aufgrund gesetzlicher Vorgaben in den kommenden Jahren stillgelegt und rückgebaut werden. Für die Branche ist das eine enorme Herausforderung.

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„Für ein Recycling infrage kommen in der Regel Anlagen, die seit mehr als zwanzig Jahren am Netz sind. Nach dieser Zeit erlischt die EEG-Förderung. In zwanzig Jahren hat die Technologie große Sprünge gemacht – in der Regel hat sich die maximale Anlagenleistung vervierfacht“, kommentierte der Pressereferent der BWE (Bundesverband WindEnergie e.V) Frank Grüneisen unsere Anfrage.

Laut BWE gibt es in Deutschland etwa 5938 Anlagen, die mehr als 16 und weniger als 20 Jahre alt sind. 6612 sind älter als 20 Jahre.
Nach dem aktuellen EEG bekommen die Betreiber von Windkraftanlagen eine Förderung für 20 Jahre. Technisch gesehen, könnten viele dieser Anlagen noch einige Jahre danach weiter funktionieren, doch dann lohnt es für die meisten Betreiber nicht mehr, diese Anlagen zu behalten. Mit anderen Worten: Wenn die alten Anlagen nicht mehr gefördert werden, werden viele von ihnen abgebaut, zerlegt oder ins Ausland verkauft. Dafür müssen Betreiber von WEA für den Rückbau Rücklagen bilden.

Ein einheitlicher Standard für Recycling der Windkraftanlagen ist wichtig

„Vor allem ist es aus unserer Sicht zentral, dass ein einheitlicher Standard für den Rückbau als gute fachliche Praxis etabliert wird“, erklärte Frank Grüneisen.

Eine DIN-Norm (DIN SPEC 4866) „Nachhaltiger Rückbau, Demontage, Recycling und Verwertung von Windenergieanlagen“ für das Recycling von Windkraftanlagen wurde am 17. Juli 2020 veröffentlicht, darin sind die Standards für den Rückbau festgelegt.

Bereits heute sind nach unterschiedlichen Angaben etwa 90 Prozent eines Windrads recycelbar, bzw. es gibt für die meisten Komponenten – Stahl, Zement, Kupferdraht, Elektronik und Getriebe etablierte Recyclingverfahren für eine umweltgerechte Entsorgung.
„Im Allgemeinen werden fast 90 Prozent der zurückgebauten Bestandteile einer WEA, bezogen auf die Gesamtmasse, einem geordneten Verwertungsprozess zugeführt“, heißt es im Hintergrundpapier (November 2019) des Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE) „Rückbau und Recycling von Windenergieanlagen“.

Was passiert beim Rückbau einer Windkraftanlage?

Ein Windrad wird in seine Einzelteile zerlegt, zerschnitten oder zum Teil gesprengt. Mehr als 80 Prozent des Abfalls ist Beton aus Türmen und Fundamenten. Stahl, metallische Abfälle wie Kupfer, Aluminium, seltene Erden, Elektroschrott, Altbatterien, Verbundstoffe kommen hinzu. Außerdem sind Schmiermittel, Altöle und Isoliergas zu entsorgen. Die großen Mengen Altbeton könnten zu Recyclingbeton aufbereitet werden. Deshalb stellen Beton, Stahl und Kupfer kein Problem dar. Für die gibt es ausreichend Verwendung in der Bau- und Metallindustrie.

Recycling der Rotorblätter stellt die Branche vor eine Herausforderung

Aber so einfach ist es doch nicht – mit der Wiederverwertung der eingesetzten Stoffe. Das Hauptproblem stellen die Rotorblätter dar, weil sie u.a. aus Verbundkunststoffen wie Carbonfasern (CFK) oder Glasfasern (GFK) bestehen. Zum einen besteht für diese Art Kunststoffe seit 2005 ein Verbot, sie auf Mülldeponien zu vernichten. Zum anderen, es ist sehr kompliziert, diese Faserverbundwerkstoffe zu trennen und es erfordert einen viel größeren Aufwand. Sie sind in den langen Flügeln fest miteinander verbunden. Durch diesen Verbundstoff haben die Rotorblätter eine langfristig hohe Stabilität. Und gerade diese Materialien lassen sich sehr schwer auftrennen und erschweren die Wiederverwertung.

Auch die Größe der Blätter stellt ein zusätzliches Problem dar. Bei älteren Baureihen kann ein einzelner Rotorflügel bis zu 45 Meter lang sein und 9 bis 12 Tonnen wiegen.

Verschiedene Lösungsansätze

„Der Bundesverband Windenergie e.V. unterstützt die Bestrebungen der Branche einen geordneten Rückbau und eine sinnvolle Verwertung zurückgebauter Windenergieanlagen zu sichern. Dazu begleitet der Verband verschiedene Projekte der Branche und Behörden, und fordert alle Akteure auf, gemeinsam globale, bzw. mindestens europäische und einheitliche Regeln zu erarbeiten“, heißt es im BWE-Hintergrundpapier.

Doch wie lassen sich alte Windkraftanlagen möglichst mit allen Komponenten wiederverwerten? Das ist eine Herausforderung an sich und dafür gibt es verschiedene Lösungsansätze.

Das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES entwickelt gemeinsam mit dem Institut für Energie und Kreislaufwirtschaft (IEkrW) an der Hochschule Bremen Konzepte, um Rotorblätter besser recyceln und nachnutzen zu können. Ziel des Projekts „Konzept für Recycling und Nachnutzung von Rotorblättern aus Kunststoffverbundmaterialien“ (KoReNaRo), ist es dabei, eine wirtschaftlich umsetzbare Entsorgungsstrategie aufzusetzen. Wichtig dabei ist u.a. auch mittels einer sogenannten Slow-Batch-Pyrolyse, die hochwertigen Glasfasern aus den dickwandigen Flansch- und Gurtmaterialien zurückzugewinnen.

„Die ganzheitliche Konzeptionierung ist wichtig, damit ein nachhaltiges Recycling-Konzept für Rotorblätter entsteht, das der Windindustrie einen klaren Rahmen gibt, um einen wettbewerbsfähigen Markt für Sekundärprodukte und Entsorgung zu schaffen. Dafür benötigen wir konkrete Umsetzungsstrategien. In das Forschungsprojekt KoReNaRo bringen wir vom Fraunhofer IWES unsere umfassenden Kompetenzen in der Komponenten- und Werkstoffprüfung ein sowie unsere langjährige Erfahrung in der Rotorblattentwicklung- und Fertigung“, wurde Projektkoordinator Dr.-Ing. Steffen Czichon, Abteilungsleiter Rotorblätter beim Fraunhofer IWES in der entsprechenden Pressemitteilung zitiert.

Stoffliche- und thermische Verwertung von Rotorblättern

Auch andere Akteure aus der Branche beschäftigen sich intensiv mit dem Problem des ausgedienten Windkraftanlagen, entwickeln eigene Konzepte und somit sind viele Ansatzmöglichkeiten für Recycling vorhanden.

„Das GFK wird in der Zementindustrie erst als Brennstoff eingesetzt und ersetzt an der Stelle den Primärrohstoff „Kohle“. Danach werden die Verbrennungsrückstände (Glas/Silikat) als Ersatz für Rohsand eingesetzt. Die Verwertungsquote beträgt somit 100% inkl. des stofflichen Glas/Silikatanteils“, erklärte Mika Lange, Leiter Entsorgung GFK / CFK bei der neowa GmbH, wie die stoffliche- und thermische Verwertung von Rotorblättern funktioniert.

Die Rotorblätter der ersten Generation Windkrafträder werden klein gehäckselt und beispielsweise als Gemisch zusammen mit anderen Abfällen als Sandersatz bei der Zementherstellung verwendet. So setzt sich Veolia für nachhaltiges Repowering, Rückbauen und Recyceln von Windenergieanlagen ein und hat eine Methode zur Verwertung von Rotorblättern entwickelt. Mit einer mobilen Rotorblattsäge werden die Rotorblätter vor Ort im Windpark zerlegt. Zerkleinerung der Blätter sowie die umweltgerechte Verwertung erfolgt am Anfallort. So kann man beispielsweise kostspielige und logistisch aufwendige Schwertransporte von nicht mehr verwendbaren Blättern vermeiden. Das Sägeprozess wird abgeschirmt, so dass keine Partikel in die Umgebung ausgetragen werden können.

Kaffee-Tische aus den alten Rotorblättern?

André Schnabel, Gründer von Wings for Living. Foto: Wings for Living

André Schnabel, Gründer von Wings for Living.

Foto: Wings for Living

Eine kreative Idee zu der Wiederverwendung der ausgedienten Rotorblättern kann man bei „Wings for Living“ finden. Ausrangierte Rotorblätter von Windkraftanlagen bekommen ein zweites Leben – in Gestalt von Outdoor-Möbeln. So können daraus außergewöhnliche Wohnaccessoires entstehen. „Wir verwerten aus 200 t Rotorblatt-Abfall 99,5 Prozent Material für unsere Wings“, heißt es auf der Webseite des Unternehmens. Da die einzelnen Rotorblätter nicht gleich geformt sind, sind diese gefertigten Möbelstücke einzigartig, also Unikate. „Die Idee ist in Zusammenarbeit mit unserem Partner Anmet in Polen entstanden. Anmet befasst sich seit einigen Jahren mit dem Recycling von vielen Werkstoffen und ist dann zum Spezialisten für die Demontage von Windkraftanlagen geworden“, erklärt André Schnabel, Geschäftsführer von „Wings for Living“. „Hier standen wir vor der großen Herausforderung, was aus den Rotorblättern wird, die zurückgebaut wurden“, so Schnabel weiter.

„Da das Material durch seine Langlebigkeit und hohe Widerstandskraft überzeugt, wurde eine Kooperation mit dem Designlehrstuhl der Universität Zielona Góra ins Leben gerufen und unter Studenten ein kleiner Wettbewerb ausgerufen, Outdoormöbel zu entwickeln. Die Entwürfe haben Anmet so begeistert, dass diese in die Realität umgesetzt wurden. Im Jahr 2020 entstand daraus die Marke Wings for Living, unter der wir die Produkte weltweit vertreiben“, berichtet André Schnabel, wie diese Idee entwickelt wurde.

Wenn Windenergie im „Ruhestand“ auf Solar-Power trifft

Dabei werden neben klassischen Sitzgelegenheiten und Tischen, Hochbeete, Pflanzkübel, seit neuestem auch Kaffee-Tische als Interieur produziert. Daraus entstehen auch Fahrradständer und Mülleimer-Einfassungen. „Ebenso hat Anmet ihn vergangenen Jahr in Szrpotawa die erste Fußgängerbrücke der Welt mit Rotorblättern als tragendes Element errichtet“, erzählt Geschäftsführer „Wings for Living“, was daraus entstehen kann. „Seit diesem Jahr bieten wir Stadtmöbel mit Solarfolien an, um autarke Stromversorgung für mobile Endgeräte im öffentlichen Bereich zur Verfügung zu stellen. Hierbei trifft Windenergie im „Ruhestand“ auf Solar-Power“.

So kann Windenergie im „Ruhestand“ auf Solar-Power treffen. Foto: Wings for Living

So kann Windenergie im „Ruhestand“ auf Solar-Power treffen.

Foto: Wings for Living

In Dänemark gibt es auch kreative Recycling-Ideen. So wurden dort ganze Brücken aus alten Windkraftanlagen gebaut.

Die Forscher der Michigan State University haben ein Verbundharz für die Rotorblätter hergestellt. Dafür haben sie Glasfaser mit einem aus Pflanzen gewonnenen Polymer und einem synthetischen Äquivalent kombiniert. Das Verbundharz soll dann in einer alkalischen Lösung aufgelöst werden, sodass Kaliumlactat entsteht. Dieser Stoff kann in Süßigkeiten und Sportgetränken verarbeitet werden. Beim Recyclen lässt sich aus diesem Verbundharz Kaliumlactat extrahieren. Dieser als E326 bekannte Geschmacksverstärker steckt unter anderem in Gummibärchen. Doch das gilt nur für die neuen Windturbinenblätter und scheint eher Zukunftsmusik zu sein.

 

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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