Nachhaltige Zementproduktion 02.07.2024, 07:00 Uhr

CO2-neutraler Biobeton: Cyanobakterien machen´s möglich

Fraunhofer-Forschende haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sie Biobeton und biogene Baumaterialien mithilfe von Cyanobakterien produzieren. Das Verfahren bindet CO2 anstatt es zu emittieren – ist das die umweltfreundliche Lösung für die “CO2-Schleuder” Beton?

Man sieht grün gefärbtes Baumaterial

"Lebendes" Baumaterial. Die grüne Färbung geht auf das Chlorophyll der lebenden Bakterien zurück.

Foto: Fraunhofer IKTS

Cyanobakterien, auch Blaugrüne Bakterien genannt, sind in der Lage mittels Fotosynthese und einigen Zusatzstoffen Kalkstein zu bilden und dabei gesteinsartige Strukturen zu formen, sogenannte Stromatolithen. Diesen natürlichen Prozess haben Forschende des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS und des Fraunhofer-Instituts für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP nun in einem technischen Verfahren nachgebildet. Dabei wird CO2 aus der Atmosphäre fixiert und im biogen produziertem Gestein gebunden.

Die Bauindustrie steht vor einem Dilemma: Zement, der Hauptbestandteil von Beton, verursacht enorme CO2-Emissionen. Allein in Deutschland entstanden 2018 rund 20 Millionen Tonnen CO2 bei der Zementherstellung. Forschende des Fraunhofer IKTS und FEP haben im Projekt „BioCarboBeton“ eine umweltfreundliche Alternative entwickelt: Biobeton auf Basis von Cyanobakterien.

Biobeton entsteht durch Mineralisierung

Zunächst werden die Cyanobakterien in einer Nährlösung kultiviert. Durch Zugabe verschiedener Calciumlieferanten und CO2 wird die Mineralisierung angeregt. Das Bakterien-Mischmaterial wird, angereichert mit Füllstoffen wie Sand, in Form gebracht und verfestigt sich im Zuge der Mineralisierung. Alternativ können auch poröse Substrate nachträglich mit der Cyanobakterienkultur behandelt werden.

“Der entstehende Festkörper ist während des Prozesses noch porös, so dringt Licht ins Innere ein und treibt die CO2-Fixierung durch Kalkstein-Mineralisierung voran. Durch Entzug von Licht und Feuchtigkeit oder durch Änderung der Temperatur stoppen wir den Prozess”, erklärt Projektleiter Matthias Ahlhelm. Alle Bakterien sterben dann vollständig ab. So entsteht ein Festprodukt auf Basis von biogenem Calciumcarbonat und Füllstoffen, das beispielsweise als Ziegel benutzt werden kann. Die Bio-Baustoffe aus Cyanobakterien enthalten keine giftigen Substanzen.

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Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten für Biobeton

Durch gezielte Auswahl der Füllstoffe und Steuerung der Prozessparameter lassen sich Biobeton-Produkte für verschiedene Anwendungen herstellen: vom Dämmmaterial über Ziegel bis hin zu Mörtel oder Fassadenputz ist alles denkbar und potenziell machbar. Die Forschenden arbeiten nun an der Skalierung der Mengen und Optimierung der Festkörpereigenschaften.

Ein Ziel des “BioCarboBeton”-Projekts ist es, die möglichen Material- und Festigkeitseigenschaften der herzustellenden Festkörper zu bestimmen und Prozesse zu skalieren. Dabei denken die Forschenden bereits an einen Kreislauf-Prozess. So könnte das CO2 beispielsweise aus industriellen Abgasen stammen. Als Calciumquellen könnten Basalte und Minenabfälle dienen, aber auch Milchreste aus Molkereien. Und als Füllstoff sind neben Sand auch zerkleinerter Bauschutt oder nachwachsende Ressourcen verwendbar.

Ebnen Bakterien in der Baubranche den Weg in die Kreislaufwirtschaft?

Nachdem das Team der Forschenden den Prozess am Fraunhofer IKTS und am Fraunhofer FEP etabliert und getestet hat, arbeitet es nun daran, die Mengen und gewünschten Festkörpereigenschaften spezifisch bestimmen und skalieren zu können. Ziel ist es, den Herstellern eine “bakterielle Toolbox” an die Hand zu geben, die umweltfreundliche Bio-Baustoffe schnell und wirtschaftlich in den erforderlichen Mengen mit den gewünschten Eigenschaften produziert.

“Das Verfahren zeigt, welch enormes Potenzial in der Biologisierung der Technik liegt. Insgesamt bietet unser Projekt nicht nur für die Bauwirtschaft die Chance, einen großen Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft zu machen”, so Matthias Ahlhelm und Ulla König, die am Fraunhofer FEP die Bakterienkultivierung leitet.

Das Projekt “BioCarboBeton” demonstriere das enorme Potenzial der Biologisierung in der Technik, so die Forschenden weiter. Durch den Einsatz von Cyanobakterien könnten nicht nur umweltfreundliche Baustoffe hergestellt werden, sondern auch Abfallstoffe wie industrielle Abgase oder Minenabfälle als Rohstoffe genutzt werden. So könnte Biobeton den Weg in eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft in der Baubranche ebnen.

Ein Beitrag von:

  • Thomas Kresser

    Thomas Kresser macht Wissenschafts- und Medizinjournalismus für Publikumsmedien, Fachverlage, Forschungszentren, Universitäten und Kliniken. Er ist geschäftsführender Gesellschafter von ContentQualitäten und Geschäftsführer von DasKrebsportal.de. Seine Themen: Wissenschaft, Technik, Medizin/Medizintechnik und Gesundheit.

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