Gesunderhaltung am Arbeitsplatz 18.09.2017, 00:00 Uhr

Rückentipps für Ingenieure

Wer viel sitzt, kriegt es schnell am Rücken. Mit der richtigen Sitzposition und regelmäßiger Bewegung lassen sich viele Beschwerden vermeiden. Wir haben verschiedene Hintergrundinfos und Tipps zusammengetragen. Und Experten gefragt, wie man sich zu mehr Sport aufrafft. 

Jeden Tag kommen 70.000 Beschäftigt nicht zur Arbeit aufgrund von Rückenschmerzen.

Jeden Tag kommen 70.000 Beschäftigt nicht zur Arbeit aufgrund von Rückenschmerzen.

Foto: panthermedia.net/AndreyPopov

Wie sitzen Sie am Schreibtisch? Aufrecht, im 90 Grad Winkel? Dann sollten Sie sich öfter mal zurücklehnen. Denn das belastet die Bandscheiben am allerwenigsten. Herausgefunden haben das Forscher aus Aberdeen. Mit dem bildgebenden Verfahren der Kernspinresonanztomographie hatten sie untersucht, wie sich verschiedene Sitzpositionen auf den Rücken auswirken.

Ohnehin bringt jedes Regen am Schreibtisch Segen. „Statisch fixierte Rückenpositionen wie Sie sie am Schreibtisch oder beim Autofahren haben, provozieren Rückenschmerzen“, weiß Jérôme Becher, Sport- und Physiotherapeut mit der Lizenz vom Deutschen Olympischen Sportbund. Sein Rat: So oft wie möglich bewegen.

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Sitzend mehr bewegen

Bei sitzenden Berufen ist das naturgemäß schwierig. Aber: „Jeder kann die Sitzposition regelmäßig ändern, oder die Sitzfläche instabil gestalten, z.B. mit einer aufblasbaren Sitzfläche“, so Becher. Jeder Gang zum Kopierer, jede Positionsänderung sei Gold wert. „Wenn man den Rücken zu sehr schont, haben die kleinen (autochtonen) Muskeln keine Aufgabe mehr und bilden sich zurück“. Auch die Bandscheiben verkümmern. „Sie wurden als Puffer gebaut und sollten auch so genutzt werden“.  Als Rückensport empfiehlt er Laufen und Boxtraining. Mit der Betonung auf Training. Wichtig sei, überhaupt etwas zu tun.

Die Muckis richtig trainieren

Wer im Fitnessstudio trainieren möchte, sollte auf eine individuelle Betreuung achten, um falsche Bewegungen zu vermeiden. Außerdem sollte das Training nicht einseitig sein. Die Rückenmuskulatur lässt sich mit gezielten Übungen aufbauen.

Wenn der Rücken im Vergleich zur Bauchmuskulatur aber zu stark ist, kann das ein Auslöser von Rückenbeschwerden sein. Bei einem solchen Ungleichgewicht spricht man von Dysbalancen. Viele Fitnessstudios, Trainingszentren und Therapieeinrichtungen erfassen mit speziellen Analyse- und Trainingsgeräten, ob ein solches Ungleichgewicht vorliegt.

Auch langes Sitzen schwächt den Bauch

„Sowohl einseitige Belastungen am Arbeitsplatz als auch einseitiges Training können zu muskulären Dysbalancen führen“, so Martin Helmes vom Forschungs- und Präventionszentrum. Bei Menschen mit überwiegend sitzender Tätigkeit sei häufig die Bauchmuskulatur zu schwach. Wie der Diplom-Sportlehrer erklärt, können muskuläre Dysbalancen zu typischen Fehlhaltungen wie einer nach vorne geneigten Brustwirbelsäule (Kyphose) und einem überstreckten Nacken führen. Probleme würden dann meist im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule und dem Schulter-Nackenbereich entstehen.

„Durch die Fehlhaltung hängen die Rückenmuskeln permanent in den Seilen, das heißt, dass die passiven Strukturen, also die Sehnen und Bänder ständig unter Zug stehen, bzw. dass die Bandscheibe und die Wirbelgelenke übermäßigem, einseitigem Druck ausgesetzt sind“, warnt Helmes. In der Folge würde die Nacken- und Rückenmuskulatur permanent übermäßig belastet. Langfristig führe dies zu muskulären Verspannungen.

Durch Bewegung zur Ruhe

Auch Stress kann zu Verspannungen führen. „Bei Anspannung werden die anatomischen Strukturen in die Enge getrieben. Die Muskulatur kann sich dann nicht mehr kontrahieren und ausdehnen, und verhärtet sich. Auch den Bandscheiben fehlt dann der Raum. Sie werden unter dem Druck herausgeschoben“, erklärt Katrin Jonas. Die Körper-Mind-Therapeutin, Meditationsmentorin und Autorin arbeitet viel mit Schmerzpatienten. Von Operationen hält sie wenig. Dabei werde oft nur das Symptom beseitigt, aber nicht die Ursache. „Bei einer Bandscheiben-OP wird entweder eine künstliche Bandscheibe eingesetzt oder es werden zwei Wirbelkörper miteinander versteift. Diese können in ihrer Unbeweglichkeit natürlich nicht mehr wehtun. In beiden Fällen wird das Symptom behandelt, aber nicht die Ursache“. Das eigentliche Grundproblem, die belastende Arbeitssituation, sei aber noch vorhanden.

Wie Sie gegen Stress vorgehen und mit welchen Tricks Sie besser schlafen, verraten wir in unserem Magazin.

Viele ihrer Patienten haben nach Jahren der Schmerzen ihr Körperbewusstsein verloren, etwa die Fähigkeit zu erkennen, was ihnen eigentlich gut tut. „Um die innere Balance wieder zu finden, empfiehlt die Autorin mehrerer Ratgeber Techniken zur sensomotorischen Wiederbelebung und zur Entwicklung von Körperbewusstsein. Außerdem rät sie zu Meditationsübungen. Damit ist nicht unbedingt stillsitzen und innehalten gemeint. Bei Dauergestressten kann diese Meditationstechnik sogar kontraproduktiv sein. „Wenn der Körper die Stresshormone aktiviert hat, kann man ihm nicht sagen, entspann dich mal“. Jonas rät, den Körper dort abzuholen, wo er ist. Und den Stress in bewusste Bewegung umzuwandeln. Sie setzt dabei auf Techniken wie Tai Chi, Qi Gong, Feldenkrais oder dynamisches Yoga. Beim dynamischen Yoga geht es weniger um das Einnehmen von statischen Haltungen. Hier steht die Bewegung im Vordergrund. Um die richtige Übung zu finden, empfiehlt Jonas, so viele Techniken wie möglich auszuprobieren.

Geduld üben

„Der häufigste Irrtum ist, dass Rückenschmerzen auf Krankheiten zurückzuführen sind, und dass mit dem Alter automatisch Rückenschmerzen auftreten. Rückenschmerzen sind in den meisten Fällen ein Resultat unserer Lebensgewohnheiten“, meint Krystian Manthey, Blogautor der Ergotopia GmbH. Er erlebt es immer wieder, dass die Menschen zu ungeduldig sind. „Man kann nicht erwarten, dass Rückenschmerzen, die über Jahre oder Jahrzehnte entstanden sind, nach kurzer Zeit wieder verschwinden.

Wer aber längerfristig mit Krankheitssymptomen zu kämpfen hat, sollte sich bewusst machen, dass Krankheit nicht nur ein persönliches, sondern dass Kranksein auch ein Karriere-Risiko sein kann. Welche Rechte Arbeitnehmer bei langfristigen Krankheitsfällen haben, lesen Sie hier.

„Die Erkenntnis, woher der Schmerz kommt und eine Menge Motivation sind notwendig, um gesunde Gewohnheiten im Alltag zu integrieren“, meint Manthey. Das ist mitunter schwer.

Innerer Schweinehund: So schaffen es die anderen

Das kann Rebecca Schweier von der HTWK Leipzig bestätigen. „In der Reha lernt man, wie man gesünder leben kann. Daheim schleichen sich aber oft wieder die alten Gewohnheiten ein.“ Im Rahmen eines Forschungsprojekts haben sie und ihre Kolleginnen die Internetplattform www.lebensstil-aendern.de entwickelt. Auf dieser erzählen Rückenpatienten, wie sie ihre guten Vorsätze durchziehen. So erzählt ein Patient, wie er morgens seine Sportsachen ins Auto packt, damit er direkt nach der Arbeit ins Sportstudio fahren kann.

Der Hintergedanke der Plattform war, dass der Mensch von anderen Betroffenen lernt. Damit sich möglichst jeder wiederfindet, wurden ganz unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen befragt. Ob es geholfen hat? Die Forscher machten mit 700 Reha-Patienten die Probe aufs Exempel. Eine Hälfte erfuhr während der Reha von der Website. Die andere Hälfte blieb ahnungslos. Während des Aufenthalts dort und drei  Monate nach der Entlassung durften alle auf einem Fragebogen kundtun, wie viel Sport sie treiben und wie sie sich ernähren. Und siehe da: Wer die Website mehrfach genutzt hatte, dem gelang es besser, seinen eigenen Schweinehund zu überwinden, gesünder zu leben und die guten Ratschläge aus der Reha im Alltag umzusetzen.

Zum Aufstehen gezwungen

Aber auch der Arbeitgeber kann aktiv werden und Bewegungs- sowie Fitnessprogramme anbieten. Allerdings sind meist nur sportliche Menschen motiviert, wer schon mit Rückenproblemen zu kämpfen hat, den sprechen die meisten Fitnessangebote gar nicht mehr an, so die Erfahrung von Jérôme Becher, der Gesundheitsförderungsprogramme mit Firmen entwickelt. Manchmal gelingt es aber auch durch einen Umweg, die Menschen zur Bewegung zu bringen. Becher erinnert sich, wie er in einer Firma Bildschirmschoner eingerichtet hat, die nach 45 Minuten ein fünfminütiges Übungsprogramm mit Bewegungen zeigten. „Die wenigsten haben die Übungen gemacht. Da die Mitarbeiter aber fünf Minuten nicht am Bildschirm arbeiten konnten, sind sie aufgestanden und haben sich bewegt. So haben wir unser Ziel am Ende doch noch erreicht.“

Ihrem inneren Schweinehund können Sie seit einiger Zeit auch mit Technik beikommen. Bereits auf der CES 2015 zeigten die Unternehmen Wearables, die unsere Schritte zählen, den Schlaf überwachen und die Hirnströme messen. Sie sind mittlerweile in unserem Alltag angekommen – als einfaches Armband, analysierende Brillen, hübsche Ohrringe oder Bestandteil einer Smartwatch.

 

Ein Beitrag von:

  • Sabine Philipp

    Sabine Philipp arbeitet seit 2004 als freie Journalistin. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Technik, Industrie und Wirtschaft.  In ihren Artikel befasst sie sich gerne mit der praktischen Umsetzung von innovativen Technologien und Gesetzesvorgaben.

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