Direkteinstieg in den Job: Einsteigen statt aufschieben?
Das Studium ist geschafft. Doch wie weiter? Erstmal ein Praktikum? Ein Trainee? Oder doch lieber der Direkteinstieg in den Job? Karriereberater und Bewerbungstrainer Gerhard Winkler weiß, was zu tun ist. Er gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Berufseinstieg.
Ingenieur.de: Viele Absolventen tendieren nach dem Studienabschluss dazu, sich ein Praktikum oder Ähnliches zu suchen, anstatt den Direkteinstieg zu wagen. Ist das klug?
Gerhard Winkler: Bis zum Studienabschluss haben Mittzwanziger bereits einige Pflichtpraktika absolviert. Diese sind in den schulischen Lehrplänen und Studienordnungen zwingend vorgesehen. Viele Junge, die dem Arbeitsleben wohlwollend gegenüberstehen, jobben fleißig und notieren auch alle ihre Aushilfen und Einsätze im Lebenslauf unter „Praktische Erfahrung“. Es kommt allerdings recht häufig vor, dass Vierundzwanzigjährige in ihrem Lebenslauf dort nur Leerstellen haben, wo praktischer Einsatz erwartet wird. Dann finden sich zum Beispiel nur zwei Wochen Erfahrung in einem Katholischen Kindergarten („Kommunikation mit den Eltern“) plus ein vierwöchiges Praktikum im Tourismusbüro von Müllrose. Wie reagiert ein Arbeitgeber, wenn sich bei ihm eine frisch qualifizierte, jedoch innerlich für das Arbeitsleben noch nicht ganz bereite Person um einen Praktikumsplatz bewirbt? Er hat die Wahl, an der Arbeitsbereitschaft und Arbeitsleistung zu zweifeln oder die Person gnadenlos auszubeuten. Sich als Einsteiger in einem intakten Jobmarkt um ein (weiteres) Praktikum zu bewerben wird also eher als ein Eingeständnis eines Defizits aufgefasst.
Auch ein Praktikum ist für den Einstieg wichtig
Unter welchen Umständen könnte dennoch der Umweg über ein Praktikum sinnvoll sein?
In schlechten Zeiten, wenn zu wenig Stellen für Jobeinsteiger angeboten werden, hat man sich notgedrungen um ein „Praktikum“ beworben. „Praktikum“ war die Umschreibung für: „Bring volle Leistung und sei froh um das Taschengeld.“ Allein der Umstand, dass Jahr für Jahr Absolventen nachrücken werden, legt einem ja nahe, dass man so schnell wie möglich irgendwo landen sollte – selbst wenn der Job befristet ist und schlecht bezahlt. Die Empfehlung lautet also: Bewirb Dich dann um einen Praktikumsplatz, wenn Du nur so in der Arbeitswelt landen kannst!
Welche Fragen sollte man sich stellen, um zu entscheiden, ob man direkt oder lieber später (nach Praktikum, Trainee, Master…) in den Beruf starten möchte?
Bewerben Sie sich vor dem Bachelorabschluss um Trainee-Jobs oder um sonstige für Einsteiger geeignete Stellen. Sprechen Sie zugleich mit den Dozenten Ihres Vertrauens und mit berufstätigen Menschen vom Fach darüber, ob ein Masterstudium für Sie gewinnbringend wäre. Sondieren Sie in Betrieben, die Sie bereits kennen, ob man an einem Einsatz von Ihnen als Masterand interessiert ist. Übersehen Sie keine Option. Arbeiten Sie alle Ihre Optionen so weit aus, dass Sie je nach Ihrer Entscheidung, wirklich Ihre Wunschkarte ziehen. Falls Sie allerdings vor dem Jobeinstieg noch auf dem Fußweg von Darwin nach Adelaide wandern möchten, tun Sie das.
Der sanfte Übergang vom Studium zum Job
Vom Studium direkt ins Berufsleben – sieht so der perfekte Lebenslauf aus?
Der perfekte Lebenslauf von Absolventen listet unter „Ausbildung“ die schulischen und akademischen Schwerpunkte und Erfolge auf. Unter „Praktische Erfahrung“ stehen (noch) erwähnenswerte Schülerjobs, Studijobs und Praktika. Diese Einträge werden alle noch unterfüttert: Aufgaben, Sonderaufgaben, Projekte, Leistungen. Wer sich irgendwo einbringt, wer Teammitglied ist, sportliche Erfolge erzielt, sich engagiert und nützlich macht, der notiert das unter „Engagement“. Mit einem solchen Lebenslauf gelingt der sanfte Übergang vom Studium zum Job!
Ihre Tipps: Wie steigt man nach dem Studium richtig in den Job ein – so dass auch das Gehalt angemessen ist?
Der wichtigste Rat ist: Weggefährten, Freunde, Förderer, Unterstützer in der Wirklichkeit finden, sich in der Virtualität vernetzen, Branchen-, Karriere-, Infotools nutzen: Als junger Mensch wird man bombardiert mit praktischen Tipps zur Planung und Optimierung des Karrierewegs. Auch das uralte Rätsel „Wie viel ist in diesem Einstiegsjob für mich drin?“ kann man oft schon dank Google, spätestens nach etwas Recherchearbeit schnell lösen.
Mit dem ersten Arbeitgeber einen Aha-Effekt auslösen
Schon, aber wie setzt man mit seinem ersten Arbeitgeber bereits ein Statement?
Um den bestmöglichen ersten Arbeitgeber zu bestimmen, blickt man einige Jahre in die Zukunft. Wenn dann ein neuer Arbeitgeber den eigenen Lebenslauf vor sich hat, sollte der Name des ersten Arbeitgebers einen Aha-Effekt auslösen. Die aufgelisteten Aufgaben und Leistungen sollten ein solides Fundament für die weitere fachliche Spezialisierung bilden. Es sollte möglichst eine Beförderung, eine positive Änderung des ursprünglichen Trainee-Titels notiert sein. Der Zeitraum des ersten Jobs sollte zwei, drei, vielleicht fünf Jahre umfassen – also ausreichend lang, aber nicht zu lange sein.
Inwiefern entscheidet der erste Job über den Rest der Karriere?
Mindestens ein Jahr, besser zwei Jahre durchhalten. Aufgaben, Zuständigkeiten, Pflichten übernehmen, die zur Qualifikation passen. Ein aussagefähiges, werthaltiges, von Wohlwollen getragenes Arbeitszeugnis mitnehmen. Vielleicht sogar einen Mentor gefunden haben. In einen zweiten Job wechseln, der von den Aufgaben und vom Umfeld geeigneter, anspruchsvoller, noch zufriedenstellender und auskömmlicher ist als der erste. Dann kann man getrost die weitere Karriere in Angriff nehmen!
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