Bioinspirierte Robotik 19.12.2023, 13:16 Uhr

„Ahornsamen“ aus dem 3D-Drucker als Umweltsensoren

Ahornsamen sind wahre Flugkünstler, wie viele sicherlich als Kind selbst ausprobieren konnten. Ihre ausgeklügelte Technik wollen Forschende nun als Sensoren nutzen, um damit wichtige Umweltparameter ohne Strom zu messen. Hergestellt werden die Samen im 3D-Druck.

künstliche Ahornsamen

Sehen aus wie Ahornsamen, fliegen wie Ahornsamen, werden allerdings im 3D-Drucker hergestellt.

Foto: Istituto Italiano di Tecnologia (IIT)

Lernen von der Natur: Die Sensoren mit dem Namen „Acer I-Seed“ ahmen das Aussehen und die Funktionsweise von Ahornsamen nach. Entwickelt wurden sie vom Istituto Italiano di Tecnologia (IIT) in Genua in Zusammenarbeit mit dem INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken. Die Sensoren in Ahornsamenoptik messen wichtige Umweltparameter ohne Strom und ohne umweltschädliche Bestandteile. Sie werden mit einem 3D-Drucker hergestellt und bestehen aus biokompatiblen und kompostierbaren Materialien.

Fliegen wie ein Hubschrauber

Die Sensoren imitieren das aerodynamische Verhalten der Samen des Feldahorns („Acer campestre“), einer in Europa weit verbreiteten Baumart. Die reifen Samen dieser Bäume lösen sich und werden vom Wind über weite Strecken verteilt. Ihr einzigartiges aerodynamisches Design ermöglicht es ihnen, sich während des Fallens zu drehen, ähnlich wie die Rotorblätter eines Hubschraubers.

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Diese Autorotation verlangsamt ihre Fallgeschwindigkeit und ermöglicht es ihnen, länger in der Luft zu bleiben, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie durch Windböen verbreitet werden. Interessanterweise könnte dieses Prinzip auch Leonardo da Vinci zu seiner Idee der „vite aerea“, einer Art Luftschraube, inspiriert haben.

Bioinspirierte Robotik

Das Forschungsteam aus Italien am IIT befasst sich ganz allgemein mit bioinspirierter weicher Robotik. So hat sich das Team zum Beispiel bereits mit Wachstums- und Bewegungsstrategien von Wurzeln, kletternden Pflanzen und Storchschnabel-Samen befasst und diese nachgeahmt. Nun konzentriert sich die Gruppe auf die Erforschung der Flug- und Verbreitungsmerkmale der geflügelten Ahornsamen.

Unsere Studie zeigt, dass das Nachahmen der Strategien oder Strukturen lebender Organismen und deren Übertragung auf Robotertechnologien Schlüsselelemente sind, um Innovationen mit geringem Umwelteinfluss in Bezug auf Energie und Umweltverschmutzung zu realisieren“, betont Barbara Mazzolai, stellvertretende Direktorin für Robotik am IIT und Leiterin des Labors für bioinspirierte Softrobotik (BSR).

Künstliche Samen entwickelt

Nach der Analyse der Morphologie, Histologie und Aerodynamik natürlicher Samen entwickelte die Forschungsgruppe einen künstlichen biomimetischen Samen. Dieser besteht aus einem biokompatiblen und kompostierbaren Material auf der Basis von Polylactid (PLA), in das fluoreszierende Partikel eingebettet sind.

Diese Partikel ändern ihre Leuchtfarbe je nach Temperatur, so dass sie bei unterschiedlichen Temperaturen in verschiedenen Farben leuchten. Da die Partikel aus umweltfreundlichen Mineralien hergestellt werden, sind sie für die Natur unbedenklich. Schließlich stellte das Team die künstlichen Leuchtsamen mithilfe von 3D-Drucktechnologien her.

Flugsensoren lassen sich mit Drohnen auslesen

Nachdem die fluoreszierenden Flugsensoren in der Natur verteilt wurden, können sie von überfliegenden Drohnen ausgelesen werden. Diese Drohnen verwenden fLiDAR, eine auf Laserlicht basierende Technologie. Diese Methode ermöglicht die dezentrale Überwachung der Bodentemperatur und anderer Umweltparameter über größere Entfernungen. Die Ausbringung der Acer I-Seeds wurde bereits erfolgreich in natürlichen Umgebungen getestet und damit die Praxistauglichkeit bewiesen.

„Durch die Integration der Sensorik in das Material kann auf die Verwendung von Stromquellen und Elektronik verzichtet werden. Dies macht die fliegenden Sensoren umweltfreundlich und robust“, sagt Tobias Kraus, der die Entwicklung der Sensormaterialien des Acer I-Seed am INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien leitet.

Wie geht es weiter?

Bislang lag der Fokus der Forschung auf der Erfassung lokaler Temperaturen. Zukünftig plant die Forschungsgruppe, ihre Sensoren mit fluoreszierenden Partikeln auszustatten, die auf weitere wichtige Umweltparameter wie Luftfeuchtigkeit, CO2-Gehalt und Schadstoffkonzentrationen reagieren.

Als nächsten Schritt strebt das Team eine Kooperation mit interessierten Unternehmen an. Ziel ist es, die neuen Sensoren auf größeren Flächen, etwa in der Landwirtschaft, einzusetzen. Dies soll eine umfassende, drahtlose und umweltfreundliche Umweltanalyse ermöglichen, die dezentral und simultan durchgeführt werden kann.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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