Fliegende Elektrofähre 06.11.2025, 18:30 Uhr

Fly-by-Wire trifft Meer: Wie die Candela P-12 Seekrankheit technisch eliminiert

Kampf der Seekrankheit: Die Candela P-12 fliegt elektrisch über das Meer – gesteuert vom Flight Controller, der jede Bewegung in Echtzeit ausgleicht.

Candela P-12

Wie ein Flugzeug auf dem Wasser: Dank Flight Controller fliegt die Elektrofähre Candela P-12 ab 2026 nahezu schaukelfrei über die Wellen der Malediven.

Foto: Candela

Die Szene kennen viele Malediven-Reisende: Sie steigen aus dem Flugzeug, die Luft ist warm und feucht, die Vorfreude groß – und dann kommt das Schnellboot. Es dröhnt, es riecht nach Benzin, es schlägt in die Wellen. Wer zu Seekrankheit neigt, hofft nur, dass der Transfer schnell vorbei ist.

Ab 2026 soll dieses Kapitel Inseltourismus Geschichte sein. Dann startet auf den Malediven eine neue Generation von Shuttle-Schiffen: die Candela P-12, eine elektrische Tragflächenfähre, die nicht durch das Wasser pflügt, sondern darüber „fliegt“. Eine Flotte von zehn dieser Boote hat der lokale Betreiber Ego Shuttle bestellt.

Wie ein Flugzeug auf Kufen: Tragflächen statt Verdrängerrumpf

Kern der Idee: Die P-12 fährt nicht permanent als klassisches Boot. Zwei Tragflügel unter dem Rumpf funktionieren wie die Flügel eines Flugzeugs – nur eben im Wasser. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit erzeugen sie Auftrieb und heben den Rumpf rund 1,5 m aus dem Wasser.

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Damit schrumpft der Widerstand drastisch. Der Hersteller spricht von rund 80 % weniger Energiebedarf im Vergleich zu einem konventionellen Schnellboot gleicher Größe. Erst dadurch wird ein rein elektrischer Antrieb mit brauchbarer Reichweite möglich.

Wenn die P-12 „fliegt“, berühren nur noch die schlanken Tragflügel die Oberfläche. Das Kielwasser bleibt sehr klein: Die Heckwelle ist weniger als 10 cm hoch und ähnelt eher der Spur eines kleinen Beiboots als dem Schaumteppich eines klassischen Speedboats. Das schont Ufer, Korallen und Stege – und eröffnet auf vielen Strecken Ausnahmen von Geschwindigkeitsbegrenzungen, weil fast keine Wellen entstehen.

Flight Controller an Bord: Die „digitale Pille gegen Seekrankheit“

Wer Tragflächenboote aus älteren Zeiten kennt, denkt schnell an holprige Fahrten. Die P-12 geht einen anderen Weg. An Bord arbeitet ein Flight Controller, also ein Computer, der den Winkel der Tragflügel fortlaufend anpasst. Sensoren erfassen Lage und Bewegung des Schiffs, Wellenhöhe und Beschleunigungen. Der Controller stellt die Flügel so nach, dass die Fähre stabil „in der Luft“ bleibt.

Die Technik erinnert an Fly-by-Wire-Systeme moderner Jets: Ohne Computer wäre das Fahrzeug kaum zu steuern, mit ihm wirkt es ruhig und gutmütig. In der Kommunikation von Candela ist deshalb von einer „digitalen Pille gegen Seekrankheit“ die Rede.

Für viele Reisende wird das ein echter Unterschied: Statt lauter Schläge in die Wellen gibt es eine sanftere, gleichmäßige Bewegung. Shabir Walji, CEO von Ego Shuttle, beschreibt das so: „Bislang gab es keine wirklichen Möglichkeiten, den Wassertransport zu elektrifizieren, da herkömmliche Rümpfe einfach zu ineffizient sind, um mit Batteriestrom betrieben zu werden. Mit dem Candela P-12 haben wir endlich ein Schiff mit der Reichweite und Geschwindigkeit, um Boote mit fossilen Brennstoffen zu ersetzen – und gleichzeitig die Auswirkungen auf diese einzigartige Umwelt zu minimieren.“

Technik im Detail: Daten zur Candela P-12

Für die Malediven kommt die P-12 als Shuttle-Version mit Platz für rund 30 Fahrgäste plus Crew zum Einsatz. Der Rumpf besteht aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff. Das hält das Gewicht niedrig und steigert die Effizienz.

Candela P-12 – Technische Eckdaten (Shuttle-Version)

  • Länge: ca. 11,99 m
  • Breite: ca. 4,5 m
  • Kapazität: 30 Passagiere + 1 Crewmitglied
  • Antrieb: 2 elektrische Candela C-Pod-Motoren (insgesamt bis rund 300–340 kW Spitzenleistung)
  • Batterie: je nach Version etwa 250–380 kWh nutzbare Kapazität
  • Reisegeschwindigkeit: rund 25 Knoten
  • Reichweite: bis zu 40 Seemeilen bei Reisegeschwindigkeit
  • Energieverbrauch: ca. 80 % geringer als vergleichbare, schnelle Dieselboote

Angaben nach Herstellerinformationen, variieren je nach Konfiguration.

 

Unter dem Rumpf sitzen die erwähnten Tragflügel mit integrierten C-Pod-Motoren. Die E-Motoren treiben direkt die Propeller an, ohne Getriebe. Dadurch sinken Geräuschentwicklung und Wartungsaufwand.

Die Energie kommt aus Lithium-Ionen-Batterien. Geladen wird vorzugsweise per DC-Schnellladung, je nach Ausbaustufe mit bis zu einigen hundert Kilowatt. Für Insel-Shuttles wie auf den Malediven reicht das: Die Distanzen zwischen Flughafen, Hauptstadt Malé und Außenatollen liegen meist deutlich unter der Reichweite einer Batterieladung.

Von der Diesel-Gischt zum leisen Gleitflug

Aktuell dominieren auf den Malediven Schnellboote mit zwei Außenbordmotoren. Sie verbrauchen auf typischen Transferstrecken etwa fünf Liter Benzin pro Seemeile – das ist rund das 15-Fache des Verbrauchs eines Busses auf derselben Strecke. Dazu kommen Motorlärm und hohe Wellen, die Korallenriffe und Strände angreifen und Riffökosysteme stören.

Hier setzt die P-12 an. Sie stößt lokal kein CO₂ aus, wenn sie mit Strom aus erneuerbaren Quellen geladen wird. Ihr minimaler Wellenschlag entlastet Küstenstrukturen. Und der leise Elektroantrieb reduziert Unterwasserlärm, der Fische bei der Fortpflanzung stören kann.

Walji sieht darin einen wichtigen Baustein für den Inselstaat: „Wir sind stolz darauf, diese Weltneuheit auf die Malediven zu bringen, unterstützt durch die ambitionierte Klimapolitik der Regierung und ihr Engagement, bis 2030 Netto-Null zu erreichen. Nur wenige Nationen haben mehr dafür getan, Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt ihrer Entwicklung zu stellen. Die Malediven sind seit langem eine globale Stimme für Klimaschutzmaßnahmen, und mit der Einführung des Candela P-12 zeigen sie, wie selbst die am stärksten gefährdeten Nationen mit gutem Beispiel vorangehen können.“

Candela P-12

Blick ins Innere der Candela P-12.

Foto: Candela

Komfort-Features: WLAN statt Auspuffgeruch

Innen erinnert die P-12 eher an eine kleine Regionalbahn als an ein klassisches Schnellboot. Es gibt Sitzreihen, Platz für Kinderwagen und Rollstühle, einen barrierearmen Einstieg und Stauraum für Gepäck. Ego Shuttle plant WLAN, Unterhaltungsbildschirme, Erfrischungen und Steckdosen für Smartphones und Laptops.

Statt die Zeit mit Blick auf den Horizont gegen die Übelkeit zu kämpfen, können Gäste Serien schauen, Mails checken oder einfach die Aussicht genießen – während das Schiff ruhig über die Wellen „fliegt“.

Gustav Hasselskog, Gründer und CEO von Candela, erläutert: „Es ist einfach ein besseres Erlebnis. Die Tragflügelboot-Technologie ist eine Win-Win-Situation – besser für die Passagiere und besser für den Planeten. Wir sind sehr stolz darauf, mit Ego Shuttles zusammenzuarbeiten, um unsere Tragflügelboot-Technologie auf die Malediven zu bringen, wo sie einen nachhaltigen Einfluss auf einen der weltweit beliebtesten und artenreichsten Orte haben wird.“

Erprobt in Stockholm, weiterentwickelt für die Tropen

Ganz neu ist die P-12 nicht mehr. In Stockholm hat Candela bereits eine Linie im öffentlichen Nahverkehr in Betrieb genommen. Die Fähre „Nova“ verbindet dort einen Vorort mit dem Stadtzentrum und halbiert die Fahrzeit im Vergleich zu bisherigen Schiffen und Bussen.

Die Erfahrungen aus Skandinavien sind für den Einsatz in der tropischen Inselwelt wertvoll:

  • Die Regelung der Tragflügel ist im rauen Ostseewetter getestet.
  • Das Schnellladesystem ist erprobt.
  • Der Betrieb mit nur einer Crew-Person reduziert Kosten, was für kleine Inselstaaten entscheidend ist.

Auf den Malediven kommt eine zusätzliche Dimension dazu: Höher konzentriertes Salzwasser, Wärme und hohe Luftfeuchtigkeit. Hier zählen Materialwahl, Korrosionsschutz und eine robuste elektrische Architektur.

Ausbildung vor Ort und neue Jobs

Ego Shuttle will die Boote nicht nur betreiben, sondern auch lokal warten. Geplant ist ein Service- und Logistik-Hub auf den Malediven. Dort sollen maledivische Fachkräfte für Betrieb, Wartung und Reparatur geschult werden.

Das schafft neue, vergleichsweise gut bezahlte Arbeitsplätze im Bereich Elektromobilität und Maritime Technik. Und es sorgt dafür, dass die P-12-Flotte nicht von einer weit entfernten Werft abhängig ist, wenn einmal ein Sensor oder ein Leistungsmodul ausgetauscht werden muss.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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