IBM Quantum System One 16.06.2021, 11:23 Uhr

Warum dieser Quantencomputer eine große Hoffnung für Europa ist

Mit der Eröffnung des ersten kommerziellen Quantencomputers in Europa verbinden Politik, Wirtschaft und Wissenschaft große Hoffnungen. Er ist ein wichtiger Baustein für die technologische und digitale Souveränität Deutschlands und Europas.

IBMs Quantum System One in Ehningen. Betrieben wird der Quantencomputer gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft. Foto: IBM Research

IBMs Quantum System One in Ehningen. Betrieben wird der Quantencomputer gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft.

Foto: IBM Research

Kleiner Bahnhof und große Hoffnungen: Pandemiebedingt fiel die Eröffnung des ersten kommerziellen europäischen Quantencomputers, eines IBM Quantum System One in Ehningen bei Stuttgart, bescheiden aus. Eine Handvoll Gäste, darunter Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und IBMs Chairman für das Geschäft in Europa, Afrika und den Nahen Osten Martin Jetter waren an den Ort des Geschehens gekommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesforschungsministerin Anja Karliczek, IBM-Chef Arvind Krishna und der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft Reimund Neugebauer blieben auf digitaler Distanz. Wie auch einige tausend Gäste, die der Veranstaltung im Videostream folgten.

Quantencomputer unter Pandemiebedingungen realisiert

In eine Grußbotschaft zeigte sich IBM-Chef Krishna sichtlich stolz über das Erreichte. Unter den schwierigen Bedingungen der Pandemie hätten die Teams von IBM und Fraunhofer in Deutschland und den USA viel gleistet und beispielsweise einen neuen Quantenchip in das System integriert.

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Für Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer ist der Quantencomputer eine starke Säule künftiger Rechnerarchitekturen. Es geht um die Lösung komplexer Rechenaufgaben, mit denen auch die größten Supercomputer überfordert sind. Dazu gehören Optimierungsverfahren für eine nachhaltige Mobilität, Materialforschung, die Analyse komplexer Finanzströme und die Entwicklung neuer Arzneimittel.

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Forschungsplattform für kleine und große Unternehmen

Für alle diese Aufgaben gilt es nun, die dafür nötigen Quantenalgorithmen zu entwickeln. Mit dem gestern offiziell eingeweihten System steht Unternehmen und Institutionen in Deutschland ab sofort eine sichere Forschungsplattform zur Verfügung, mit der sie ihre Expertise auf- und ausbauen sowie quantenbasierte Rechenstrategien mit Blick auf die vielversprechendsten Anwendungen ausprobieren können. Worauf IBM wie Fraunhofer besonderen Wert legen: Alle verarbeiteten Projekt- und Nutzerdaten verbleiben zu jeder Zeit in Deutschland und unterliegen den deutschen Datenschutzbestimmungen.

„Das Interesse, Quantencomputing als zukünftige Schlüsseltechnologie für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und technologischen Souveränität in die Anwendung zu bringen, ist sowohl in der Forschung als auch in der Industrie groß“, sagte Fraunhofer Präsident Reimund Neugebauer. Die Plattform biete künftig Großkonzernen, KMUs, Start-ups und Forschungseinrichtungen die Möglichkeit, Kompetenzen aufzubauen und neue Anwendungsmöglichkeiten und Geschäftsmodelle zu testen. »Die wegweisende Initiative von Fraunhofer-Gesellschaft und IBM für angewandtes Quantencomputing in Deutschland und Europa eröffnet neue Möglichkeiten für eine nachhaltige Wertschöpfung.“

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Bund will Quantentechnologien stärker fördern

Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstrich die Hoffnung, der Qantencomputer könne in Verbindung mit der KI-Forschung Deutschlands technologische und digitale Souveränität sichern helfen. Sie ist überzeugt: „Deutschlands Forschung zu Quantentechnologien gehört zur Weltspitze.“ Sie sagte zu, die Investitionen in Quantentechnologien bis 2025 um 2 Mrd. € zu steigern. Unter Federführung des DLR sollen Kompetenzen gebündelt und in marktnahe Anwendungen überführt werden. „Wir schaffen ein innovatives Ökosystem, das sich zu einer neuen industriellen Basis entwickelt.“ Den Projektpartnern IBM und Fraunhofer riet sie, hart an der Arbeit zu bleiben: „Der Rest der Welt schläft nicht.“

Auch das Land Baden-Württemberg unterstützt die Initiative von Fraunhofer und IBM maßgeblich und stellt insgesamt bis zu 40 Mio. € bis 2024 bereit – den Großteil davon für Verbundprojekte des Fraunhofer-Kompetenzzentrums Quantencomputing in Baden-Württemberg in Kooperation mit Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und assoziierten Industriepartnern.

Megatrends Digitalisierung und Dekarbonisierung

Für Ministerpräsident Kretschmann ist klar: „Quantentechnologien sind der Schlüssel zur Zukunft. Wer Quantentechnologien beherrscht, beherrscht die zwei Megatrends unserer Zeit: Digitalisierung und Dekarbonisierung.“ Mit dem Quantencomputer in Ehningen werde ein Beitrag für ein deutsches Quantentechnologie-Ökosystem mit internationaler Strahlkraft geschaffen. „Wir verzahnen wissenschaftliche Exzellenz und wirtschaftliche Schlagkraft.“ Das Potenzial und die Möglichkeiten seien enorm. Kretschmann: „Da geht es darum, wie man kritische Infrastrukturen stabilisiert. Da geht es um clevere Algorithmen für die Fertigung und Logistik. Da geht es um die Modellierung von Batterie und Brennstoffzelle. Dieses Projekt ist ein Meilenstein auf dem Weg ins Quanten-Land Baden-Württemberg.“

Quantum System One mit 27 Qbits

Modell des Innenlebens des Quantencomputers, ausgestellt von IBM auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung 2019. Foto: Jens D. Billerbeck

Modell des Innenlebens des Quantencomputers, ausgestellt von IBM auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung 2019.

Foto: Jens D. Billerbeck

Das jetzt in Ehningen installierte Quantum System One verfügt aktuell über 27 Qbits und ein Quantenvolumen von 32. Letzteres ist eine von IBM eingeführte Maßzahl, um Quantencomputer besser vergleichen zu können. Anders als die bits des „normalen“ Computers können Qbits nicht nur die Zustände Eins und Null annehmen, sondern auch alle dazwischenliegenden. Diese Eigenschaft vieler paralleler Qbits sorgt mit den entsprechenden Algorithmen für die hohe Leistungsfähigkeit bei speziellen Problemstellungen. Doch die Qbits sind äußerst empfindliche und kurzlebige Gesellen. So muss das System stark gekühlt werden und das Einbringen von Zuständen und auch das wieder Auslesen der Ergebnisse sind komplexe, störanfällige Vorgänge.

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Zugang über Fraunhofer-Kompetenznetzwerk

Hier blickt Neugebauer bereits in die Zukunft. Denn die Fehlererkennung und -korrektur bei Systemen mit mehr Qbits ist eines der Forschungsfelder für die Zukunft. Ebenso die Verzahnung des Quantenrechners mit der existierenden Welt der Hochleistungs- und Supercomputer. Er ermuntert große wie kleine Unternehmen, sich der Technologie anzunehmen und sie für die eigenen Bedürfnisse zu erproben. Dazu dient das Fraunhofer-Kompetenznetzwerk Quantencomputing, das zentrale Anlaufstelle für die Nutzung des Computers ist. Das Preismodell basiert auf einem monatlichen Ticket. Damit seien auch kurzzeitige, flexible Zugänge zur Erprobung und Einschätzung der Technologie möglich.

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Ein Beitrag von:

  • Jens D. Billerbeck

    Jens D. Billerbeck

    Leiter Content Management im VDI Verlag. Studierte Elektrotechnik in Duisburg und arbeitet seit seiner Schulzeit jounalistisch. Nach Volontariat und Studienabschluss Redakteur der VDI nachrichten u. a. für Mikroelektronik, Hard- und Software, digitale Medien und mehr.

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