Bessere Bezahlung dank mangelnder Loyalität?
Erschreckend, wie die Berufswege von Ingenieuren heute immer häufiger verlaufen. Eine Position reiht sich an die nächste, eine durchschnittliche Verweilzeit von fünf Jahren in den Unternehmen wird kaum noch erreicht. Der Grund dafür sind nicht etwa Kündigungen, vielmehr ist es der Drang nach einer besseren Bezahlung, der zum ständigen Jobwechsel führt.
Auch die Loyalität gegenüber den Arbeitgebern scheint vielen Ingenieuren abhanden zu kommen. Die Kandidaten nutzen einfach jede Gelegenheit, um ihre Bezahlung zu verbessern. Verübeln kann ihnen das allerdings eigentlich niemand, denn wem kann man es schon vorwerfen, auf diese Art und Weise „käuflich“ zu sein. Schließlich machen die Arbeitgeber mit ihrem Streben nach absoluter Gewinnmaximierung den jungen Leuten vor, wie heiß der Hunger auf noch mehr Einnahmen sein kann – und die Party am Arbeitsmarkt geht ja bekanntermaßen weiter.
Freiwillige Stellenwechsel für mehr Bezahlung?
Selbstverständlich ist es schön, wenn die Bezahlung bei 80.000 Euro, 90.000 Euro oder noch mehr pro Jahr liegt. Doch nicht nur die absolute Zahl ist interessant, es spielt auch eine Rolle, wie es zu diesem hohen Gehalt kam. Als Resultat von vielen freiwilligen Stellenwechseln ist es bedenklich. Einerseits kann den Kandidaten fehlende Loyalität gegenüber den Arbeitgebern nachgesagt werden, andererseits fehlt hier aber auch grundsätzlich die Bereitschaft, sich mental mit einem Unternehmen zu verbinden.
Die Kandidaten sind zwar Weltmeister im Stellenwechsel, haben wahrscheinlich aufgrund der äußeren Erscheinung und dem entsprechenden Auftreten großen Erfolg in Vorstellungsgesprächen und glänzen in der Einarbeitungszeit. Doch danach fehlt ihnen etwas. Vielleicht ist es die unrealistische Einschätzung der Möglichkeiten bei dem jeweiligen Arbeitgeber oder überhaupt in der Berufswelt, vielleicht mangelt es aber auch am Identifikationsvermögen oder der Begeisterungsfähigkeit, die durch bessere Bezahlung kompensiert werden will. Vielleicht liegt es auch an der fehlenden Begabung, aus vorhandenen Dingen etwas zu machen.
Bezahlung: Unternehmen spielen das Spiel mit
Wie dem auch sei, immer auf der Suche nach der nächsten Veränderung mit besserer Bezahlung sind die kurzen Episoden kaum wertvoll für einen Arbeitgeber. Die Profession dieser Kandidaten ist eben der Stellenwechsel und nicht die langfristig wertvolle Arbeit für das Unternehmen.
Zurzeit läuft das Geschäft gut und viele Unternehmen drücken in ihrer Not, zumindest kurzfristig Personallücken schließen zu müssen, beide Augen zu. Doch letztlich bringt das ständige Wechseln keinem etwas. Zwar erhält der Ingenieur bei jedem Wechsel möglicherweise die Selbstbestätigung und eine bessere Bezahlung, die ihm im laufenden Job versagt blieb, auf Dauer wird sich das jedoch sicherlich nicht auszahlen.
Gute Bezahlung kann zur Sackgasse werden
Die Ingenieure in der Telekommunikations- und Internetbranche müssen diesbezüglich noch heute bittere Pillen schlucken. Was nützt es, kurzfristig eine viel bessere Bezahlung zu haben, wenn man sich langfristig mit den hohen Gehältern aus dem Arbeitsmarkt schießt.
Allerdings wäre es zu einseitig, hier nur die Kandidatenseite zu betrachten. Schließlich gibt es ja noch die Unternehmensseite, die den Ingenieuren dieses Vorgehen in Punkto Bezahlung ermöglicht. Offensichtlich gelingt es vielen Unternehmen nicht, sich auf die augenblickliche Arbeitsmarktsituation richtig einzustellen. Die Hilflosigkeit besteht oftmals darin, sich im Personalgeschehen hauptsächlich um den Nachschub, die Rekrutierung, zu kümmern.
Nicht immer auf die Bezahlung schielen
Doch was nützt es, wenn auf der einen Seite eingestellt wird und auf der anderen Seite die Ingenieure schon wieder nach dem nächsten Arbeitgeber Ausschau halten. Hier zeigen sich doch ganz klare Defizite in der Personalentwicklung, die zu einer stärkeren betrieblichen Bindung der Ingenieure führen sollte, ohne immer nur auf die Bezahlung zu schielen. Offensichtlich liegt hier noch viel Potenzial brach.
Fazit: Es gibt Grenzen für das Geschäft mit dem Stellenwechsel! Wo allein der Gedanke an die Bezahlung die Arbeitsmoral dominiert, können keine ordentlichen Leistungen erbracht werden. Für einen überzeugten Ingenieur kann das einfach nicht befriedigend sein, und es drohen auch, wie dargestellt, erhebliche Nachteile.
Früher: Erst gute Leistung, dann gute Bezahlung
Früher funktionierte das „Geld machen“ meist anders herum. Erst wurden Gute Leistungen erbracht, dann wurde die Bezahlung angepasst. Zwar war früher in der Arbeitswelt nicht alles besser, das Vorgehen war aber durchaus für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gesund. Heute begehen bedauerlicherweise die Unternehmen auch den entscheidenden Fehler, sich auf einen Gehaltspoker ausschließlich bei der Einstellung einzulassen. Danach geht dann nicht mehr viel und hier setzt die Crux ein.
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