Arbeitsrecht 04.01.2012, 01:00 Uhr

Pflegezeitgesetz: Arbeitnehmer haben Kündigungsschutz

Bekanntermaßen führt die Überalterung unserer Gesellschaft bereits zu Veränderungen im Alltag. Die Auswirkungen machen sich mittlerweile auch im Bereich des Arbeitsrechts zunehmend bemerkbar. Der Bundestag hat neben dem bereits existierenden Pflegezeitgesetz Ende Oktober das sogenannte „Familienpflegezeitgesetz“ beschlossen, um die sozialpolitisch bevorzugte häusliche Pflege weiter auszubauen. Das am 1. Januar 2012 in Kraft getretene Gesetz ermöglicht Arbeitnehmern unter bestimmten Voraussetzungen für die Dauer von maximal zwei Jahren ihre Arbeitszeit zu reduzieren, um einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen zu betreuen.

Bei pflegebedürftigen Angehörigen gilt das Pflegezeitgesetz.

Bei pflegebedürftigen Angehörigen gilt das Pflegezeitgesetz.

Foto: panthermedia.net/Melpomene

Sowohl das Pflegezeit- als auch das neue Familienpflegezeitgesetz setzen voraus, dass ein naher pflegebedürftiger Angehöriger in häuslicher Umgebung gepflegt wird. Die Pflegebedürftigkeit richtet sich nach den Definitionen des Sozialgesetzbuches (§§ 14, 15 SGB XI) und ist durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen. Nahe Angehörige im Sinne des Gesetzes sind u.a. Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Ehegatten, Lebenspartner, Geschwister, Kinder und die Kinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder.

Pflegezeitgesetz

Bereits seit dem 1. Juli 2008 gilt das Pflegezeitgesetz. Hat der Arbeitgeber in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer, steht dem Arbeitnehmer nach diesem Gesetz ein Rechtsanspruch auf eine sogenannte Pflegezeit zu. Während der Pflegezeit ruht das Arbeitsverhältnis. Es ist allerdings auch möglich, während der Pflegezeit die Arbeitszeit lediglich zu reduzieren und in Teilzeit zu arbeiten. Allerdings ist für eine Reduzierung eine Vereinbarung erforderlich. Der Arbeitgeber kann dem Teilzeitverlangen dringende betriebliche Gründe entgegen halten.

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Möchte der Arbeitnehmer eine Pflegezeit in Anspruch nehmen, muss er dies dem Arbeitgeber spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn schriftlich ankündigen. Die Pflegezeit dauert für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen maximal sechs Monate. Der Arbeitnehmer erhält während der Pflegezeit kein Entgelt bzw. im Falle der Arbeitszeitreduzierung nur ein proportional zur Reduzierung anteiliges Entgelt.

Während der Pflegezeit gilt für den Arbeitnehmer ein Sonderkündigungsschutz. Eine Kündigung ist von der Ankündigung der Pflegezeit bis zu deren Beendigung nur mit Zustimmung der zuständigen Behörde zulässig.

Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang kürzlich eine interessante Entscheidung gefällt (Urteil vom 15. November 2011 – 9 AZR 348/10). Nach der Auffassung des Gerichtes ist es nicht möglich, die Pflegezeit in mehrere getrennte Zeitabschnitte aufzuteilen. Dies gelte auch dann, wenn die genommene Pflegezeit die Höchstdauer von sechs Monaten unterschreite.

Darüber hinaus hat der Arbeitnehmer nach dem Pflegezeitgesetz einen Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsbefreiung für eine Dauer von bis zu zehn Arbeitstagen, um für einen nahen Angehörigen in einer akut auftretenden Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen.

Familienpflegezeitgesetz

Da deutlich geworden ist, dass das Pflegezeitgesetz die immer größer werdende Pflegelücke nicht zu schließen vermag und die häusliche Pflege weiter gefördert werden soll, hat der Bundestag nunmehr das Familienpflegezeitgesetz erlassen. Ein besonderes Anliegen des Gesetzes ist es, die „finanzielle Abfederung zu gewährleisten“, so die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem mittlerweile verabschiedeten Gesetzesentwurf.

Eine Familienpflegezeit dauert maximal zwei Jahre. Anders als nach dem Pflegezeitgesetz hat der Arbeitnehmer hierauf allerdings keinen Rechtsanspruch. Vielmehr hat der Gesetzgeber sich für die Vertragslösung entschieden – Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen sich also einigen.

Das Gesetz sieht vor, dass der Arbeitnehmer seine bisherige Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden reduzieren kann, wenn er einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen pflegen möchte. Während der Arbeitszeitverringerung erhält er vom Arbeitgeber eine Aufstockung des Arbeitsentgeltes. Das Arbeitsentgelt wird um die Hälfte des Produktes aus monatlicher Arbeitszeitverringerung in Stunden und dem durchschnittlichen Entgelt pro Arbeitsstunde aufgestockt. Wer so beispielsweise während der Familienpflegezeit von einer Vollzeit- auf eine Halbzeitstelle wechselt, erhält dennoch weiterhin 75 Prozent seines letzten Bruttoeinkommens. Nach Ende der Familienpflegezeit beginnt dann die sogenannte Nachpflegephase. Während dieser Zeit arbeitet der Arbeitnehmer wieder in dem bisherigen Umfang, erhält jedoch weiterhin das reduzierte Gehalt. Der Arbeitgeber gewährt dem Arbeitnehmer somit letztlich während der Familienpflegezeit ein Darlehen, das der Arbeitnehmer in der Nachpflegephase in monatlichen Raten zurückzahlt. Um die Arbeitgeber hierdurch nicht zu belasten, erhält der Arbeitgeber, wenn die Vereinbarung zwischen den Parteien die im Gesetz vorgegebenen Kriterien erfüllt, wiederum ein zinsloses Darlehen vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in gleicher Höhe.

Auch der Fall, dass die Pflegeperson vor Rückzahlung der Entgeltaufstockung stirbt oder berufsunfähig wird, ist im Gesetz geregelt. Der Arbeitnehmer muss für diese Fälle eine Familienpflegezeitversicherung abschließen, die dieses Ausfallrisiko abdeckt. Die Kosten für die Versicherung sollen bei ca. 10 bis 15 Euro pro Monat liegen.

Auch während der Familienpflegezeit und in der Nachpflegephase gilt für den Arbeitnehmer ein Sonderkündigungsschutz. Ausnahmsweise ist eine Kündigung auch während dieser Zeiten nur mit Zustimmung der zuständigen Behörde zulässig.

Bewertung und Ausblick

Letztlich zeigt das Gesetz den Arbeitsvertragsparteien nur eine Möglichkeit der Vertragsgestaltung auf, die allerdings vom Staat gefördert wird. Die Opposition hält das Gesetz insbesondere wegen des fehlenden Rechtsanspruchs des Arbeitnehmers für wirkungslos. In der Tat stellt sich die Frage, ob Arbeitgeber bereit sein werden, mit den Arbeitnehmern im Einzelfall entsprechende Vereinbarungen zu schließen. Nicht zu unterschätzen ist allerdings der allgemeine Wettbewerb der Arbeitgeber um qualifiziertes Personal. Bei den Bewerbern wird zunehmend auch die Frage wichtiger, wie der mögliche zukünftige Arbeitgeber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt. Nicht nur die Kinderbetreuung, sondern auch die Betreuung von Eltern und anderen älteren Familienmitgliedern wird zukünftig eine größere Rolle spielen. Arbeitgeber werden daher zukünftig auch danach bewertet werden, ob sie den Arbeitnehmern in diesem Bereich praktikable Lösungsmöglichkeiten unterbreiten. Umsichtige Arbeitgeber werden daher genau abwägen, ob sie einen Antrag auf Familienpflegezeit ablehnen oder nicht. Darüber hinaus spricht für die Vereinbarungslösung, dass auf diese Weise auch die unternehmerische Freiheit der Arbeitgeber Berücksichtigung findet.

Interessante Fragen dürften sich im Zusammenhang mit der außerplanmäßigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Familienpflegezeit bzw. in der Nachpflegephase ergeben. Das Gesetz sieht grundsätzlich vor, dass der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer in diesen Fällen einen Ausgleich in Geld verlangen kann (sofern eine Befriedigung aus der Familienpflegezeitversicherung ausscheidet). Nach dem Gesetz erlischt jedoch der Ausgleichsanspruch, wenn keine Aufrechnung gegen Forderungen aus dem Beschäftigungsverhältnis erfolgen kann und der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis mit Zustimmung der zuständigen Stelle aus Gründen, die nicht im Verhalten des Beschäftigten liegen, gekündigt hat. Es wird sich somit beispielsweise die Frage stellen, ob Ähnliches nicht auch gelten muss, wenn der Arbeitnehmer selbst das Arbeitsverhältnis aus Gründen kündigt, die im Verhalten des Arbeitgebers liegen und so der Arbeitgeber mittelbar dafür verantwortlich ist, dass eine Rückzahlung aus dem Entgelt nicht erfolgen kann. Hierfür spricht § 628 Abs. 2 BGB. Dieser begründet im Falle einer durch vertragswidriges Verhalten veranlassten Kündigung eine Schadensersatzpflicht hinsichtlich der durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses hervorgerufenen Schäden.

Ein Beitrag von:

  • ingenieur.de

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