Lohnersatzleistung 16.07.2019, 10:04 Uhr

Kinderkrankengeld: Wann Ingenieure Anspruch darauf haben

Ist das Kind krank oder hatte einen Unfall, muss es gepflegt werden. Wenn beide Eltern berufstätig sind, ist das jedoch schwierig. Für diesen Fall gibt es das Kinderkrankengeld oder Kinderverletztengeld, eine Lohnersatzleistung für einen bestimmten Zeitraum der Pflege.

Mädchen liegt im Bett, Vater hält ihr die Stirn und ein Fieberthermometer

Foto: panthermedia.net/ArturVerkhovetskiy

 

Liegt das Kind mit Grippe oder gebrochenem Fuß im Bett, braucht es Mutter oder Vater. Es ist das gute Recht der Eltern, in einem solchen Fall zu Hause zu bleiben – zumindest ein Elternteil. Das würde normalerweise einen Lohnausfall bedeuten. Doch der Gesetzgeber stärkt die Eltern: Überstunden und Urlaub müssen nicht geopfert werden, wenn das Kind so krank wird, dass es nicht in die Schule oder den Kindergarten gehen kann und zu Hause von den Eltern gepflegt werden muss. Stattdessen werden Arbeitnehmer in solchen Fällen von der Arbeit freigestellt. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, darf der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz sogar umgehend verlassen, wenn die Erkrankung des Kindes dies erfordert. Er muss sich lediglich abmelden. Das ist gesetzlich geregelt.

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Damit den Eltern kein Lohnausfall droht, gibt es das Kinderkrankengeld. Es ist eine Art Lohnersatzleistung für den genannten Fall. Ist das Kind nicht krank, sondern hatte einen Unfall, beispielsweise in Schule oder Kindertagesstätte, spricht man von Kinderverletztengeld.

Paragraf 616 BGB: Grundlage für Lohnfortzahlung

Im Paragraf 616 des Bundesgesetzbuches (BGB) heißt es: „Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.“ Das bedeutet im Klartext nichts anderes, als dass der Arbeitgeber seine Angestellten, die kurzfristig und für einen begrenzten Zeitraum ihr Kind pflegen müssen, weiterbezahlen muss.

Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag

Aber: Die Praxis sieht heute anders aus. Inzwischen schließen viele Unternehmen Paragraf 616 BGB im Arbeitsvertrag aus. Das gilt vor allem für Führungskräfte. Eine typische Klausel dafür lautet beispielsweise: „Bei sonstiger Dienstverhinderung aufgrund eines in seiner Person liegenden Grundes besteht kein Anspruch des Mitarbeiters auf Fortzahlung der Vergütung. Paragraf 616 BGB findet keine Anwendung“ oder auch „nur tatsächlich geleistete Arbeit wird auch vergütet“. Wer einen solchen Zusatz in seinem Arbeitsvertrag hat, muss auf die Lohnfortzahlung verzichten. Eine Ausnahme bilden übrigens Auszubildende mit Kind: Ihnen kann der Arbeitgeber laut Berufsbildungsgesetz (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG) die Lohnfortzahlung nicht vertraglich verwehren.

Das Recht auf Freistellung kann der Arbeitgeber bei keinem Angestellten ausschließen. Bei gesetzlich versicherten Ingenieuren und Informatikern kommt in diesem Fall die gesetzliche Krankenversicherung für die Lohnfortzahlung auf und zahlt den Eltern das Kinderkrankengeld oder Kinderverletztengeld. Geregelt ist das in Paragraf 45 des Sozialgesetzbuchs V.

Wer bekommt Kinderkrankengeld?

Paragraf 45 SGB V regelt nicht nur das Kindekrankengeld an sich, sondern auch die Voraussetzung für die Zahlung sowie deren Dauer. So bekommen Eltern das Kinderkrankengeld nur, wenn im Haushalt keine andere Person lebt, die das Kind betreuen könnte – beispielsweise Großeltern oder andere Verwandte. Zudem wird Kinderkrankengeld oder Kinderverletztengeld nur dann gezahlt, wenn das Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Für behinderte Kinder gilt diese Altersgrenze nicht. Zwingend ist auch, dass das Kind im Haushalt des Elternteils lebt, der das Kinderkrankengeld beantragt. Diese Regel kann für geschiedene Paare relevant sein.

Voraussetzung gesetzliche Krankenversicherung

Um die Lohnersatzleistung zu erhalten, müssen nicht nur die Eltern gesetzlich krankenversichert sein, sondern auch der Nachwuchs. Haben Ingenieure oder Informatiker eine Familienversicherung, ist dies zumeist der Fall. Sind beide Eltern in unterschiedlichen Krankenkassen gesetzlich versichert, zahlt die Krankenkasse der Betreuungsperson das Kinderkrankengeld – unabhängig davon, in welcher Krankenkasse das Kind versichert ist.

Ist das kranke Kind hingegen privatversichert steht den Eltern kein Kinderkrankengeld zu, auch wenn diese selbst gesetzlich versichert sind. Bei privaten Krankenkassen ist ein Anspruch auf Kinderkrankengeld grundsätzlich nicht vorgesehen. Legen Versicherte Wert auf eine solche Zahlung, müssen Sie sich vor Abschluss der Versicherung über spezielle Kinderkrankengeld-Tarife informieren. Den Anspruch auf Freistellung hingegen verlieren Privatversicherte nicht. Denn diese Regelung betrifft den Arbeitgeber und nicht die Krankenkasse.

Beantragung bei Krankenkasse

Werden die gesetzlichen Vorgaben eingehalten, können betroffene Eltern Kinderkrankengeld oder Kinderverletztengeld bei ihrer Krankenkasse beantragen. Dafür sind zwei Bescheinigungen notwendig.

  • Zum einen ein ärztliches Attest, das bestätigt, dass der betreffende Elternteil aufgrund der Pflege eines kranken oder verunfallten Kindes nicht arbeiten kann.
  • Außerdem benötigen Angestellte eine Verdienstbescheinigung ihres Arbeitgebers, auf deren Basis die Höhe des Kinderkrankengeldes berechnet wird.

Achtung: Ist das Kind über einen Monatswechsel erkrankt, verlangen einige Krankenkassen für beide Monate eine Verdienstbescheinigung. Auf dem Antrag für das Kinderkrankengeld müssen die Versicherten zudem ihre Kontoverbindung angeben und erklären, dass sie in dieser Zeit kein Gehalt vom Arbeitgeber bekommen. Die Krankenkasse überweist den entsprechenden Betrag dann auf das Konto. Manche Arbeitgeber verlangen ebenfalls das ärztliche Attest für ihre Unterlagen. Stellt der Arzt kein Zweitexemplar aus, ist eine einfache Kopie vollkommen ausreichend.

Sonderfall Unfallversicherung

Besagt das Attest des Arztes, dass das Kind aufgrund eines Unfalls in Schule oder Kindergarten betreut werden muss, springt nicht die Krankenkasse für die Lohnfortzahlung ein, sondern die gesetzliche Unfallversicherung übernimmt das Kinderverletztengeld. Diese Versicherung muss von Schule oder Kindergarten für alle Kinder verpflichtend abgeschlossen werden. Sie zahlt aber nur, wenn das Kind

  • im Kindergarten
  • in der Schule
  • auf dem Weg dorthin oder
  • auf dem Weg nach Hause (Wegeunfall)

verunfallt ist. Ist der Unfall in den eigenen vier Wänden passiert, zahlt wiederum die Krankenkasse.

Wie lange gibt es Kinderkrankengeld?

Wie lange das Kinderkrankengeld oder Kinderverletztengeld gezahlt wird, hängt von den Lebensumständen ab. Jedes Elternteil bekommt maximal für 10 Tage Kinderkrankengeld bezahlt – pro Kind. Bei zwei Kindern wären das 40 Tage Kinderkrankengeld für beide Eltern. Alleinerziehenden stehen pro Kind 20 Tage zu, bei mehr als zwei Kindern maximal 50 Tage. In einer Familie mit zwei Elternteilen sind es bei mehr als zwei Kindern maximal 25 Tage pro Elternteil und Jahr.

Sonderfall: Unheilbar kranke Kinder

Ein Sonderfall ist die Betreuung unheilbar kranker Kinder. Die Tagesgrenze gilt in diesem Fall nicht, das Kinderkrankengeld wird zeitlich unbegrenzt bezahlt. Auch müssen die Kinder sich nicht mehr zwingend im Haushalt der Eltern befinden, sondern können von diesen auch in einer Klinik oder einem Hospiz betreut werden.

Grundlage für diese Regelung ist das zum 1. August 2002 in Kraft getretene „Gesetz zur Sicherung der Betreuung und Pflege schwerstkranker Kinder“, das ebenfalls in § 45 SGB V verankert ist. Der unbefristete Anspruch besteht allerdings nur, wenn die Erkrankung des Kindes ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat, das eine Heilung ausschließt sowie eine palliativmedizinische Behandlung notwendig macht. Auch darf nur noch eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten bestehen.

Höhe des Kinderkrankengeldes

Auch die Höhe des Kinderkrankengeldes ist gesetzlich geregelt: 90 % des ausgefallenen Nettoarbeitsentgeltes werden von der Krankenversicherung oder der Unfallversicherung übernommen. Aufgrund der Beitragsbemessungsgrenze beträgt das maximale Kinderkrankengeld im Jahr 2019 pro Tag 105,88 Euro. Vom Kinderkrankengeld werden vor der Auszahlung Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung in Höhe des üblichen Arbeitnehmer-Beitragssatzes abgezogen. Beiträge zur Krankenkasse sind für die Dauer der Kinderkrankengeld-Zahlung nicht fällig.

Was müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber beachten?

Wichtiges für Arbeitnehmer: Eltern, die im Lauf des Jahres Kinderkrankengeld oder Kinderverletztengeld bezogen haben, müssen darauf achten, diese Lohnfortzahlung in der Steuererklärung anzugeben, vor allem, wenn die Summe mehr als 410 Euro pro Kalenderjahr beträgt. Kinderkrankengeld und Kinderverletztengeld sind zwar steuerfrei, unterliegen aber dem sogenannten Progressionsvorbehalt. In der Steuererklärung gehört das Kinderkrankengeld unter den Punkt „Sonstige Angaben“.

Hat die Krankenkasse berechtigte Zweifel an der im Antrag angegebenen Situation, kann sie eine Überprüfung verlangen. Gegebenenfalls wird kontrolliert, ob tatsächlich keine andere Person die Betreuung übernehmen kann. Besteht Zweifel an der Schwere der Erkrankung des Kindes, kann der medizinische Dienst der Krankenkassen eingeschaltet werden, der ein unabhängiges Gutachten erstellen muss. Die Eltern haben in diesen Fällen eine Mitwirkungspflicht gegenüber ihrer Versicherung.

Anspruch auf Freistellung übertragen

Hat ein Elternteil seinen Anspruch auf Freistellung bereits ausgeschöpft, ist es grundsätzlich möglich, diesen Anspruch von der Mutter auf den Vater und umgekehrt zu übertragen. Dies darf jedoch nicht ohne Zustimmung des Arbeitgebers geschehen. Er kann die Übertragung des Anspruchs aus betrieblichen Gründen ablehnen. Wird sie gewährt, muss die Übertragung auch schriftlich bei der Krankenkasse beantragt werden. Und zwar bei der Versicherung des Elternteils, der den Anspruch übertragen will.

Wichtiges für Arbeitgeber: Unternehmen können den Freistellungsanspruch ihrer Arbeitnehmer weder durch tarifvertragliche noch durch einzelvertragliche Regelungen ausschließen. Auch die unmittelbare Nutzung des Anspruchs kann nicht verhindert werden. Die elterliche Fürsorgepflicht hat in aller Regel Vorrang vor betrieblichen Interessen. Mütter und Väter dürfen also nach Hause gehen, wenn es die Erkrankung ihres Kindes dringend erforderlich macht.  Nutzt ein Mitarbeiter eine Freistellung jedoch unberechtigt oder widerrechtlich, kann diese mit einem späteren Freistellungsanspruch verrechnet werden.

Unternehmen, die mehrere Eltern mit kleinen Kindern im Team beschäftigen, müssen sich darauf einstellen, dass diese öfter fehlen. Gerade das erste Kindergartenjahr ist hart. Die Jüngsten nehmen so gut wie jede Infektion mit. Arbeitgeber tun gut daran, verständnisvoll zu sein und nicht auf die gesetzlichen Regelungen und die begrenzten Freistellungstage zu pochen, wenn sie ihre Mitarbeiter langfristig binden möchten.

Denn gerade in Branchen mit Fachkräftemangel will man seine Arbeitnehmer nicht verprellen (wird eine solche Kulanz ausgenutzt, sieht es natürlich anders aus). Die Einplanung einer gewissen Personalreserve sowie eine gute Durchmischung von Teams bestehend aus Kollegen mit und ohne Kinder, bei denen letztere im Fall der Fälle zügig einspringen können, kann Engpässe verhindern.

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist freiberufliche Texterin und Medizinautorin.

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