Zum E-Paper
Regenwassernutzung in Zeiten des Klimawandels 22.09.2022, 12:02 Uhr

Schwammstadt: Komplementäre Versorgung mit „Stadtwasser“

Noch immer wird Regenwasser vielerorts ungenutzt als Abwasser abgeleitet. Oder es verdunstet oder versickert. Dabei könnte der Niederschlag maßgeblich zur Stadtkühlung beitragen. Forschende aus Hannover haben dazu ein neues Schwammstadt-Konzept entwickelt.

Das Konzept der Forschenden aus Hannover sieht eine aus der Schwammstadt generierte komplementäre Versorgung mit so genanntem „Stadtwasser“ vor. Un- oder gering verschmutzter Niederschlag wird dabei im städtischen Schwamm gespeichert und kann – abgesichert durch eine einfache dezentrale Aufbereitung in so genannten City Water Hubs – in unterschiedlichen Qualitäten als Stadtwasser wieder abgegeben werden. Verschmutzter Niederschlag wird unter Nutzung der bereits vorhandenen Entwässerungsinfrastruktur abgeleitet und in einer Kläranlage behandelt.Grafik: ISAH/LUH

Das Konzept der Forschenden aus Hannover sieht eine aus der Schwammstadt generierte komplementäre Versorgung mit so genanntem „Stadtwasser“ vor. Un- oder gering verschmutzter Niederschlag wird dabei im städtischen Schwamm gespeichert und kann – abgesichert durch eine einfache dezentrale Aufbereitung in so genannten City Water Hubs – in unterschiedlichen Qualitäten als Stadtwasser wieder abgegeben werden. Verschmutzter Niederschlag wird unter Nutzung der bereits vorhandenen Entwässerungsinfrastruktur abgeleitet und in einer Kläranlage behandelt.Grafik: ISAH/LUH

Der Sommer 2022 war in Deutschland der sonnigste seit Beginn der Aufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes. Er wird zudem als sechsttrockenster und viertwärmster in die Annalen der Statistiker eingehen. „Wir dürften damit in Zeiten des Klimawandels einen bald typischen Sommer erlebt haben“, so der Pressesprecher des DWD, Uwe Kirsche, nach Abschluss der ersten Auswertungen der Ergebnisse von rund 2.000 Messstationen Ende August. Die Erhebungen des DWD unterstreichen die Dringlichkeit, sich mit den Folgen des Klimawandels zu befassen und alternative städtebauliche Szenarien und Versorgungskonzepte zu entwickeln – so auch für den Bereich Wasserversorgung. Forschende der Leibniz Universität Hannover haben dazu ein neues Konzept erdacht.

Forschende erwarten höheren Wasserbedarf

„Eine weitere Absicherung der städtischen Wasserversorgung ist dringend geboten, da der Wasserbedarf in den Städten in den nächsten Jahren spürbar steigen wird“, so Professor Dr. Stephan Köster vom Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik (ISAH) an der Leibniz Universität Hannover. Die Forschenden in der Leinestadt haben sich intensiv mit den Folgen des Klimawandels beschäftigt und erwarten einen deutlichen steigenden Wasserbedarf, beispielsweise bei der Bewässerung von Bäumen, Parks und weiterem Stadtgrün sowie für die Speisung urbaner Gewässer oder für die Vernebelung von Wasser in Innenstadtlagen als Hitzeschutz.

Wie funktioniert das Prinzip Schwammstadt?

Um diesem steigenden Bedarf zukünftig gerecht werden zu können, haben Professor Dr.-Ing. Stephan Köster und Dr.-Ing. Maike Beier (ISAH) ein Konzept zur Regenwasserbewirtschaftung in der Schwammstadt mit intelligenter Bewirtschaftung der Wassermengen und -bedarfe entwickelt. Im Fokus steht dabei die Nutzung ohnehin vorhandener Wasserressourcen: Bei einer Schwammstadt versickert das Regenwasser nicht ungenutzt oder landet im Abwasser, sondern es wird aufgefangen und gespeichert – eben wie in einem Schwamm. Das aufgefangene Wasser könnte – auch in Dürreperioden – Grünflächen und urbane Gewässer versorgen, die sogenannten blau-grünen Elemente einer Stadt. Hinzu kämen Teilstrecken mit einer Versickerungsfunktion, um den Boden feucht zu halten und das Grundwasser unter der Stadt anzureichern. Darüber hinaus trägt der Schwammstadtansatz dazu bei, die Folgen von Starkregenereignissen abzumildern, indem das Wasserrückhaltevermögen durch die blau-grünen Infrastrukturen an der städtischen Oberfläche erheblich erhöht und somit das Kanalnetz entlastet wird.

Stadtwasser als komplementäre Versorgungskomponente

Das Konzept der Hannoveraner sieht vor, neben der Trinkwasserversorgung eine aus der Schwammstadt generierte komplementäre Versorgung mit sogenanntem „Stadtwasser“ umzusetzen. Unverschmutzter beziehungsweise gering verschmutzter Niederschlag wird dabei im städtischen Schwamm gespeichert, während verschmutzter Niederschlag unter Nutzung der heute bereits vorhandenen Entwässerungsinfrastruktur abgeleitet und auf einer Kläranlage behandelt wird. Das gespeicherte Wasser kann – abgesichert durch eine einfache dezentrale Aufbereitung in sogenannten City Water Hubs – in unterschiedlichen Qualitäten als Stadtwasser abgegeben werden und würde dort eingesetzt, wo Trinkwasserqualität nicht erforderlich ist beziehungsweise kein Trinkwasser zum Einsatz kommen soll. Bei der Aufbereitung sollen niedrigenergetische Technologien sowie regenerative Energien zum Einsatz kommen.

Der Ansatz des ISAH-Teams geht damit einen deutlichen Schritt weiter als bisherige Schwammstadtkonzepte. Mit dem Stadtwasser-Konzept wird ein neuer, qualitätsorientierter Ansatz bei der Niederschlagsbewirtschaftung und eine komplementäre dezentrale Wasserversorgungskomponente eingeführt. Auf diese Weise lässt sich das Wasserangebot in der Stadt bei zeitgleicher Entlastung der Trinkwasserversorgung erhöhen. Zeitgleich werden die Qualität der städtischen Abwasserentsorgung und die städtische Überflutungsvorsorge verbessert.

 

 

Das könnte Sie auch interessieren:

Nachtragsangebote: Schweigen ist die schlechtere Alternative

„Die Einführung von BIM ist Chefsache“

Light + Building: Neustart ab 2. Oktober

Null-Emissionenhaus: Aktive und passive Energiesysteme kombiniert

„Kletterei“ mit multivalenter Strom-, Wärme- und Kälteversorgung

Firmen setzen kaum auf Gebäudeautomation

Nachträgliche Leistungsänderungen: Was ist bei der Vergütung zu beachten?

Interesse an Wärmepumpen deutlich gestiegen

Druckbelüftete Treppenräume: Was bei der Planung zu beachten ist

Baustellen: Millionenschaden durch fehlerhafte Planung und hohen Zeitdruck

Sachverständige warnen: Warmwasser-Temperaturen nicht reduzieren

Von ISAH LUH / Marc Daniel Schmelzer