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Building Information Modeling in der Praxis 16.09.2022, 13:03 Uhr

„Die Einführung von BIM ist Chefsache“

Obwohl weltweit bereits viele, vor allem große, Projekte unter Einsatz von Building Information Modeling (BIM) gebaut werden, beäugen viele Baubeteiligte die konzertierte Planungsmethode nach wie vor skeptisch. Im Interview berichtet Peter Körber, TGA-Planer und Geschäftsführer des Aschaffenburger Ingenieurbüros Planteam K, aus der Praxis.

Foto: panthermedia.net/WrightStudio

Foto: panthermedia.net/WrightStudio

HLH: Herr Körber, was bedeutet BIM für Ihren Arbeitsalltag?

Peter Körber: BIM ermöglicht uns eine umfassende Optimierung unserer Planungsarbeit als TGA-Planer in allen Leistungsphasen. Im Zentrum der Planungsarbeit steht mit BIM nun das Modell und nicht mehr der Plan. Statt in verschiedene Zeichnungsprogramme, Tabellen und händische Listen werden bei der Arbeit mit BIM alle Informationen direkt ins Modell eingepflegt. Die BIM-Methodik haben wir in unserem Büro bereits 2018 und unabhängig von konkreten Anforderungen der Auftraggeber eingeführt. Wenn man den ersten „BIM“-Auftrag hat, erspart man sich so eine Menge Stress und gleichzeitig können alle beteiligten Mitarbeiter parallel zum Tagesgeschäft eingearbeitet werden. Inzwischen nutzen wir das Modell für die Kollisionsplanung, zur Massenermittlung für Kostenschätzung und -berechnung, für die LV-Erstellung und später für die Baustelle – neben Visualisierungszwecken für den Bauherren und die anderen Projektteilnehmer. Die technischen Möglichkeiten der mobilen Geräte wie Tablets oder Smartphones ermöglichen inzwischen eine direkte Visualisierung der Modelle im Maßstab 1:1 in der realen Baustelle ohne futuristische Helme oder Brillen. So wird das Modell bis zur Fertigstellung des Projektes genutzt und ist für den Monteur und Bauleiter bei den heute hochinstallierten Gebäuden direkt vor Ort zur Detailabstimmung eine sehr große Hilfe. Aus dem Modell entstehen auch immer noch Pläne, denn selbst wenn diese heute häufig nur noch digital genutzt werden – ganz ohne geht es noch nicht. Um langfristig flexibel zu sein, setzen wir deswegen in allen Planungsphasen auf Autodesk Revit als Modellierungswerkzeug und schätzen vor allem die Erweiterungsmöglichkeit mit Zusatz-Tools.

Peter Körber ist TGA-Planer und einer der beiden Geschäftsführer bei Planteam K in Aschaffenburg. Das Ingenieurbüro mit dem Schwerpunkt im Wohnungsbau ist im gesamten Rhein-Main-Gebiet tätig und bearbeitet mit seinen derzeit zehn Mitarbeitern alle Gewerke der modernen Gebäudetechnik.

Foto: Planteam K

HLH: Was benötigen Sie für die effiziente Arbeit mit BIM in der Planung?

Körber: Für eine zügige Modellierung unserer Ideen sind umfassende Herstellerdaten notwendig, damit wesentliche Anlagenteile frühzeitig und vor allem realistisch eingeplant werden können. Diese müssen nicht bis ins letzte Detail ausmodelliert sein, das erhöht nur unverhältnismäßig die Datenmenge der Modelle. Wichtig ist, dass sich die Bauteile einfach einbauen lassen: zum Beispiel Konnektoren für alle Rohrleitungsanschlüsse haben und Mindestabstände für Einbau und Wartung als „Störraum“ aufweisen. Wenn herstellerspezifische Auslegungstools – zum Beispiel für RLT-Geräte, Kesselanlagen oder Druckentwässerungen – diese Modelle direkt aus der Auslegung generieren können, spart uns das dank der Informationen zu jedem Bauteil bereits ab der Entwurfsphase viel Zeit für die Berechnungen. Doppelte Dateneingaben und Übertragungsfehler werden minimiert und der Planungsablauf beschleunigt. Die schnelle Kostenermittlung ist ebenfalls ein Vorteil der integrierten Planung im Modell.

HLH: Warum wird BIM in der Branche noch nicht flächendeckend genutzt?

Körber: BIM ist ein sehr großes Feld und bezogen auf die konventionelle, zeichnungsbasierte Planungsmethode ein disruptiver Prozess. Es ist mehr als verständlich, dass Entscheider zögern, etwas Neues einzuführen, wenn von Auftraggeberseite eher selten die Anforderung gestellt wird. Für den Start mit BIM empfehle ich, ein kleines Projekt mit konkret definierten BIM-Zielen zu wählen. Ein mögliches Ziel könnte lauten: „Für die Ausschreibung werden keine Materiallisten mehr gedruckt und abgetippt, das Modell soll mit allen Maßen direkt in die Ausschreibungssoftware eingelesen werden können“. Damit wird der Nutzen für den Planer direkt greifbar und die Zielerreichung überprüfbar.

HLH: Wie ist das Zusammenspiel mit anderen Beteiligten?

Körber: Je nach Wissensstand der Projektmitglieder zum Thema BIM funktioniert es unterschiedlich gut. In jedem Fall ist Open-BIM eine gute, erste Wahl, damit alle mit ihrer gewohnten Software arbeiten und der Austausch über offene Standards wie IFC erfolgen kann. In größeren Büros gibt es meist schon spezielle BIM-Koordinatoren, mit denen man sich fachlich zur Projektorganisation und dem Modellaustausch abstimmen kann. In kleineren Büros ist der Wissensstand häufig noch sehr abhängig von der Erfahrung der einzelnen Mitarbeiter. Die Einführung von BIM im Büro ist in jedem Fall Chefsache. Die Definition der Ziele – „Was soll BIM für das Büro bringen?“ – und die damit notwendige Anpassung der internen Prozesse, muss den Mitarbeitern erklärt werden. Die technische Ausstattung, Motivation und Schulung der Mitarbeiter und auch das Stellenprofil für neue Mitarbeiter – alles strategisch wichtige Themen für den Chef. Als TGA-Planer führen wir unsere Planung bereits seit vielen Jahren in 3D aus, daher fällt uns der Schritt von der 3D-Zeichnung zum BIM-Modell vermutlich auch leichter als anderen Fachdisziplinen. Im Projektteam müssen aber alle Beteiligten einen einigermaßen einheitlichen Wissensstand zur BIM-Methodik haben, besonders die Architekturbüros sind hier häufig noch zu verhalten und treiben das Thema zu wenig an. Mit jedem Projekt wird die Zusammenarbeit und der Wissensstand aber besser, immer mehr in der Branche erkennen die Vorteile von BIM für ihren Arbeitsalltag.

 

 

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