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LEED-zertifiziertes Bürogebäude Greenspace PCTG 14.09.2022, 11:53 Uhr

Null-Emissionenhaus: Aktive und passive Energiesysteme kombiniert

Das Greenspace PCTG in der spanischen Hafenstadt Gijón ist das erste Netto-Null-Bürogebäude in der Region und eines von wenigen im ganzen Land. Maßgeblich für das Erreichen der vorbildlichen Energiebilanz ist der kombinierte Einsatz aktiver und passiver Energiesysteme.

Das Greenspace PCTG produziert mehr Strom als es verbraucht. Drei der vier Seiten sind mit Solarzellen ausgestattet. Foto: Tania Crespo

Das Greenspace PCTG produziert mehr Strom als es verbraucht. Drei der vier Seiten sind mit Solarzellen ausgestattet.

Foto: Tania Crespo

Das von den Büros EMASE Arquitectura und SvR Ingenieros entworfene LEED-goldzertifizierte Gebäude ist beispielhaft für eine nachhaltige Konstruktion, die den Zielen des europäischen Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft als Teil des Green Deals entspricht. „Wir brauchten ein System, das auf die Gebäudestruktur zugeschnitten und gleichzeitig so energieeffizient ist, dass es unseren Berechnungen und den Anforderungen an die hydraulische Auslegung gerecht wird“, berichtet Ramón van Riet von SvR Ingenieros. Die Planung für das Bürohaus beinhaltete unter anderem Sonnenkollektoren, die einerseits die Sonneneinstrahlung vom Gebäude fern halten und andererseits Energie erzeugen – mehr als das Gebäude verbraucht. Außerdem entschieden sich die Projektpartner dazu, mithilfe thermisch aktiver Bauteilsysteme (TABS) den Energieverbrauch des Gebäudes zu minimieren.

Erfolgreiche Kombination für einen Zweck

Heute erzeugt das Bürogebäude mehr Energie als es verbraucht. Möglich wird dies, durch eine Kombination effizienter aktiver und passiver Energiesysteme. „Zu den passiven Systemen gehören die Ausrichtung des Gebäudes, die Isolierung, die Bepflanzung sowie die natürliche Beleuchtung und Belüftung. Zu den aktiven gehören hingegen die Solarzellen, die thermisch aktiven Bauteilsysteme sowie die Fußbodenheizung. Auch mit der stetigen Überwachung und Steuerung der Haustechnik kann aktiv in den Energieverbrauch eingegriffen werden“, erläutert Eugenia del Río von EMASE Arquitectura. Das stetige Prüfen dieser Werte ist ein weiterer Faktor für die positive Energiebilanz. „Wir überwachen kontinuierlich die Lösungen für das Raumklima, die Pumpen, die Beleuchtung und den Energieverbrauch für jede einzelne Anlage sowie den Ertrag der Solarzellen“, fügt Ramón van Riet hinzu.

Betonkernaktivierung: Thermische Trägheit genutzt

Da die Heizung und Kühlung Teil des aktiven Energiesystems ist, müssen diese Elemente energieeffizient und wirtschaftlich sein. Mit den thermisch aktiven Bauteilsystemen wird die thermische Trägheit der Betonstrukturen des Gebäudes genutzt. „Die Entscheidung für Uponor TABS fiel aufgrund der Tatsache, dass die niedrige Spannung der Generatoren zusammen mit der starken thermischen Trägheit des Gebäudes, eine Heiz- und Kühllösung mit minimalem Energieverbrauch erlaubt“, so José Manuel Santiago, Business Development Manager bei Uponor für Spanien und Portugal. Um die thermische Trägheit nutzen zu können, wurde ein Rohrnetz in die Gebäudestruktur integriert. Mithilfe der Betonkernaktivierung kann deshalb sowohl Wärme als auch Kälte gespeichert und abgegeben werden.

Das Funktionsprinzip: Das Wasser in den Rohren wird auf natürliche und erneuerbare Weise gekühlt und sorgt in der Nacht für die Kühlung des Betonkerns. Grafik: Uponor

Diese Rohre führen das Wasser für die Heiz- und Kühlsysteme des Gebäudes und sorgen das ganze Jahr über für angenehme Temperaturen. Versorgt werden sie von Wärmepumpen und halten das Wasser auf Temperatur: 29 °C zum Heizen und 19 °C zum Kühlen, nahe an der Temperatur der Umgebung. Insgesamt sind im Gebäude 7.500 Meter Rohr mit einem Durchmesser von 20 Millimetern und einer Wandstärke von zwei Millimetern verbaut. Diese sind an einem B500T-Wellstahlgeflecht mit den Maßen sechs Meter auf 2,20 Meter befestigt. „Jedes Modul wurde nach Maß entwickelt“, sagt José Manuel Santiago. „Neben den klassischen Standardmodulen benötigten wir auch zahlreiche individuell angefertigte Module.“ Die thermisch aktiven Bauteilsysteme können zwar die Nutzung von Klimaanlagen und Ventilatoren nicht komplett verhindern, aber stark minimieren. Die Systeme sind viel effektiver bei der Bewältigung der fühlbaren Lasten, während das Luftsystem nur für die latenten Lasten und die Frischluftzufuhr ausgelegt ist. Weiterhin erklärt Holmer Deecke, Director International Engineering bei Uponor: „Durch die perfekte Kompatibilität mit aerothermischen oder geothermischen Wärmepumpen oder mit anderen Systemen zur Nutzung erneuerbarer Energien, können der Energieverbrauch des Gebäudes und die CO2-Emissionen erheblich reduziert werden.“

Tagsüber speichert der gekühlte Beton sowohl die im Gebäude erzeugte Wärme als auch die durch die Sonneneinstrahlung erzeugte Wärme im Freien. Grafik: Uponor

Sonnenkollektoren an drei Seiten

In Zusammenarbeit mit dem Hersteller konnten EMASE Arquitectura und SvR Ingenieros den Designprozess effizient unterstützen und die Bauzeit verkürzen. „Durch den Einsatz der HEAT2 Simulationssoftware konnten wir die Statik des Gebäudes und das dynamische thermische Verhalten analysieren. Dies war elementar, um den besten Weg zur Nutzung von TABS“, sagt José Manuel Santiago. Um ein Aufheizen im Sommer zu vermeiden und jedes Stockwerk des Gebäudes mit ausreichend Schatten zu versorgen, hat Greenspace eine Pergola mit zahlreichen Sonnenkollektoren, durch die Sonnenstrahlen vom Gebäude abgehalten und zur Energieerzeugung aufgefangen werden. Die Solaranlage befindet sich hauptsächlich auf dem südlichen Teil des Daches und hat eine Spitzenleistung von 60 kWp. Drei Seiten des Bürogebäudes sind mit Sonnenkollektoren ausgestattet: Ost- und Westseite nehmen während den Morgen- und Abendstunden das meiste Sonnenlicht auf und die Südseite mit der Pergola ist der vollen Sonneneinstrahlung ausgesetzt. „Alle 134 Solarmodule auf der Pergola wurden nach Maß angefertigt und sind so ausgelegt, dass sie im Innenbereich Schatten spenden und gleichzeitig Strom für das Gebäude erzeugen. Da das Gebäude über 70 MWh pro Jahr erzeugt, also weit mehr als es verbraucht, kann der Überschuss in das Stromnetz eingespeist werden“, sagt Eladio Rodriguez von EMASE Arquitectura und fügt hinzu: „Die erzeugte Energie in der Spitze reicht aus, um etwa drei Millionen LED-Leuchten zu betreiben.“

Um das Ziel der Energieeffizienz zu erreichen, werden in dem Gebäude energiesparende LED-Leuchten verwendet. Diese verfügen über Sensoren, die Stärke und Intensität der Beleuchtung automatisch an die Umgebung anpassen. Zur nachhaltigen Planung des Gebäudes gehört auch ein Aufzug, der den Transport zwischen den drei Obergeschossen ermöglicht. Er steckt in einer Kabine aus Glas, in der Maschinen zur Energierückgewinnung untergebracht und sichtbar sind. „Der Lift wird durch die Energie der Sonnenkollektoren angetrieben – die Batterien enthalten bei voller Ladung genug Energie, um den Aufzug 100 Mal ohne weitere Energiezufuhr auf- und abfahren zu lassen“, sagt Ramón van Riet.

Maximaler Komfort für die Mitarbeitenden

Durch das geräuscharme und in der Gebäudestruktur integrierte System sind die Büros frei von Lärm und visuell störenden Elementen. Die Ausrichtung des Gebäudes, die Öffnungen in der Architektur und die Sensoren zur Lichtregulierung sorgen für ein gleichmäßiges Beleuchtungsniveau in den Arbeitsbereichen. Die Temperatur bleibt dank TABS konstant auf einem angenehmen Niveau. Besonders bemerkenswert: Den Wärmetausch mit den umgebenden Flächen empfinden die Arbeitnehmer als angenehm. „Ein weiterer Vorteil der TABS: Sie bleiben in Betrieb, wenn sich niemand im Gebäude aufhält. Das bedeutet, dass die Wärme entweder über einen längeren Zeitraum am Tag abgegeben oder entzogen werden kann. So werden Spitzen in der Kühlung verhindert und angenehme Temperaturen können aufrechterhalten werden“, so Holmer Deecke.

Nachhaltigkeits- und Umweltaspekte wurden in die Gestaltung des Gebäudes miteinbezogen, was nun eine einladende und gesunde Arbeitsumgebung ermöglicht. Gerade in Zeiten der Covid-19-Pandemie ist dies wichtiger denn je. Greenspace lebt von der natürlichen Belüftung, durch die frische Luft im gesamten Gebäude zirkuliert. „Im Kampf gegen das Virus wurde ein Nachteil der herkömmlichen Heiz- und Kühlsysteme deutlich. Denn durch die Verwendung von Strahlungssystemen kann die Luftzirkulation in den Räumen durch das Lüftungssystem reduziert werden. Also warum nicht gleich komplett auf Umluft verzichten und sich auf die Zufuhr von Frischluft von außen konzentrieren?“, sagt Holmer Deecke.

LEED-Zertifizierung in Gold

Durch die zahlreichen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und der bioklimatischen Gestaltung sowie der Nutzung von erneuerbaren Energien, einer gesunden Architektur und emissionsarmer Materialien, hat Greenspace die LEED-Zertifizierung in Gold erhalten. Durch die Einhaltung der Normen und Kriterien hat das Gebäude seine Umweltauswirkungen und seinen Energieverbrauch auf ein Minimum reduziert – und die Emissionen fast auf Null gesenkt.

 

 

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Von Uponor/ Marc Daniel Schmelzer