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IT-Serverhotel 28.04.2023, 09:39 Uhr

Größtes 3D-Druck-Gebäude Europas entsteht in Heidelberg

Derzeit entsteht in Heidelberg innerhalb weniger Monate das größte 3D-gedruckte Gebäude Europas. Der ikonische Gewerbebau benötigt nur etwa 140 Stunden Druckzeit und wird künftig ein Rechenzentrum beherbergen.

Seit 31. März 2023 gedruckt wird das 54 Meter lange, 11 Meter breite und 9 Meter hohe Gebäude in Heidelberg. Die Visualisierung zeigt die Ansicht von Süden. Foto: SSV Architekten

Seit 31. März 2023 gedruckt wird das 54 Meter lange, 11 Meter breite und 9 Meter hohe Gebäude in Heidelberg. Die Visualisierung zeigt die Ansicht von Süden.

Foto: SSV Architekten

Die ortsansässigen Kraus Gruppe errichtet auf der Konversionsfläche Campbell Heidelberg Europas größtes Gebäude im 3D-Betondruck. Dieses Projekt wird gemeinsam mit den Firmen Peri 3D Construction und Heidelberg Materials realisiert.

54 Meter lang, 11 Meter breit und 9 Meter hoch

Der Andruck des 54 Meter langen, 11 Meter breiten und 9 Meter hohen Gebäudes hat bereits am 31. März 2023 begonnen und wird voraussichtlich bis Ende Juli 2023 in Anspruch nehmen. Als zukünftiger Mieter wird der Cloud- und Rechenzentrumsanbieter Heidelberg iT Management GmbH Co. KG das Gebäude Ende 2023 als „IT-Serverhotel“ nutzen.

Das geplante 3D-gedruckte Serverhotel von Westen gesehen (Visualisierung).

Foto: SSV Architekten

„Als unabhängiges Familienunternehmen mit Tradition und Zukunft möchten wir in Heidelberg innovative Bauweisen voranbringen und einen positiven Beitrag zum nachhaltigen Bauen leisten“, betont Bauherr Hans Jörg Kraus, geschäftsführender Gesellschafter der Kraus Gruppe. „Deshalb habe ich mich bewusst für dieses Bauverfahren entschieden, wobei es für mich wichtig war, auch lokale Partner für dieses Projekt zu gewinnen“, ergänzt Kraus.

Die Fassade des „Serverhotels“ hat eine Wellenform, bei der der 3D-Druck seine Stärken richtig ausspielen kann.

Foto: Peri 3D Construction

Formgebung der Fassade als Besonderheit

Der Projektpartner Peri 3D Construction liefert das Know-how zum 3D-Druckprozess und erstellt mit seinem Baudrucker Cobod Bod2 3D die vertikalen Elemente des Rechenzentrum-Gebäudes. Der sogenannte Portaldrucker verfügt über einen Druckkopf, der sich über drei Achsen bewegt und den druckfähigen Mörtel Schicht für Schicht extrudiert.

„Bei dem parametrischen Design und der Wellenstruktur kann der 3D-Druck seine Stärken richtig ausspielen“, so Dr. Fabian Meyer-Brötz, Geschäftsführer der Peri 3D Construction GmbH. Bald werde in Nordrhein-Westfalen auch das erste öffentliche Gebäude Deutschlands gedruckt und man freue sich sehr zu sehen, wie der 3D-Baudruck an Fahrt gewinnt.

Meyer-Brötz hob hervor, dass der Drucker von nur zwei Personen bedient werden kann und sehr hohe Druckgeschwindigkeiten erreicht und damit eine Antwort auf die Kernherausforderungen der Baubranche Fachkräftemangel, stagnierende Produktivität und Nachhaltigkeit sein kann. „Insgesamt rechnen wir hier mit einer reinen Druckzeit von etwa 140 Stunden.“

Fabian Meyer-Broetz ist Geschäftsführer der Peri 3D Construction GmbH.

Foto: Peri 3D Construction

CO2-reduzierter Baustoff

Heidelberg Materials liefert für das Projekt rund 450 Tonnen des eigens für den 3D-Betondruck entwickelten Hightech-Baustoffs. Das mineralische Material beinhaltet nach Angaben des Herstellers ein Bindemittel mit etwa 55 % CO2-Reduktion gegenüber einem reinen Portlandzement und sei vollständig recyclebar. Damit zahle das Produkt auf das Ziel von Heidelberg Materials ein, bis 2030 für die Hälfte seiner Betonprodukte weltweit zirkuläre, also kreislauffähige, Alternativen anzubieten.

„Durch eine gezielte Entwurfsplanung ergibt sich ein hohes Potenzial für einen effizienten Materialeinsatz“, so Dr. Jörg Dietrich, Leiter Engineering & Innovation und Produktmanagement bei Heidelberg Materials Deutschland. „Das Material ist gut pumpbar und besitzt gleichzeitig sehr gute Extrusionseigenschaften. Die zielsichere Festigkeitsentwicklung sorgt zudem für ein Druckbild mit hoher Formtreue.“

3D-Druck-Beton von Heidelberg Materials kam 2020 bereits beim Druck der ersten Wohnhäuser in Deutschland – in Beckum und Wallenhausen – zum Einsatz. Seither hat das Unternehmen den Baustoff nach eigenen Angaben weiterentwickelt und dessen CO2-Fußabdruck reduziert. Damit der Baustoff auch lokal bleibt und flexibel verfügbar ist, wurde in den vergangen zwei Jahren ein Produktionsstandort in Deutschland aufgebaut.

Drohnenaufnahme von der Baustelle.

Foto: Heidelberg Materials

Malroboter im Einsatz

Entworfen und die Ausführung geplant haben den ikonischen Bau Mense Korte Ingenieure+Architekten und SSV Architekten. Für die Malerarbeiten im Innenraum kommt ein Malroboter von DAW (Deutsche Amphibolin-Werke von Robert Murjahn mit den Marken Caparol und Alpina) zum Einsatz, der in Zusammenarbeit mit dem Start-up Okibo für den Einsatz unter realen Baustellenbedingungen entwickelt wird. Das 3D-gedruckte „Serverhotel“ ist dafür ein willkommenes Pilotprojekt.

„Nach dem Pinsel, der Rolle und dem Airless-Verfahren ist die Robotik der nächste logische Schritt im Malerhandwerk“, so Uwe Michaelis, Leiter Innovationsmanagement der DAW SE. „Robotik ist nicht neu, aber in Umgebungen, die immer anders sind, schon – Stichwort Baustellenumgebung.“

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Von Peri 3D, Heidelberg Materials, Kraus Gruppe / Karlhorst Klotz