Unbemannte Schifffahrt 28.08.2025, 11:12 Uhr

Weltweit größtes autonome Schiff erhält Zulassung

Das weltweit größte unbemannte Schiff, der „Saildrone Surveyor“, erhält eine ABS-Zulassung. Was bedeutet das für autonome Schiffe, Sicherheit und künftige Regelwerke?

Saildrone Surveyor

Der 20 Meter lange Saildrone Surveyor: Das unbemannte Schiff kann monatelang allein über die Ozeane fahren und wird per Satellit gesteuert.

Foto: Saildrone Technologies

Ein Schiff, 20 Meter lang, und an Bord keine Menschen: Der Saildrone Surveyor hat Ende August als erstes seiner Art die volle Klassifizierung durch das American Bureau of Shipping (ABS) erhalten. Damit gilt er offiziell als sicher, seetauglich und bereit für den weltweiten Einsatz.

Das autonome Oberflächenfahrzeug (USV), so der offizielle Name für diese Art von Wasserfahrzeugen, wird künftig monatelang allein über die Ozeane fahren. Die Steuerung läuft per Satellit. Ein Team an Land überwacht das Schiff rund um die Uhr. Vor Ort bleibt es still. Keine Brücke. Keine Kombüse. Nur Sensoren, Antennen, Kameras und Software, die den Kurs halten.

Richard Jenkins, Gründer und CEO von Saildrone, sagt: „Die ABS-Klassenzertifizierung ist mehr als nur ein Zertifikat – sie ist ein Signal an Regierungen und die maritime Industrie, dass die USVs von Saildrone ausgereift, sicher, getestet und bereit für den großflächigen Einsatz sind.“

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Was die Klassifizierung bedeutet

ABS gehört zu den ältesten Klassifikationsgesellschaften der Welt. Seit über 160 Jahren prüft die Organisation Schiffe auf Stabilität, Bauweise und Sicherheit. Bisher ging es dabei meist um Tanker, Containerschiffe oder Marineschiffe. Jetzt hat erstmals ein unbemanntes Schiff diese Prüfungen vollständig durchlaufen.

Patrick Ryan, Technikvorstand bei ABS, erklärt: „ABS und Saildrone erschließen neue Grenzen und geben das Tempo für Innovationen vor. Dieser Schritt nach vorne ist das Ergebnis unserer Investitionen in die technischen Fähigkeiten von ABS und trägt dazu bei, dass unsere Regeln Innovationen mit einem klaren Fokus auf Sicherheit unterstützen können.“

Der Saildrone Surveyor im Porträt

Saildrone arbeitet seit Jahren an autonomen Booten. Bereits 2023 erhielt das kleinere Modell Voyager eine ABS-Zulassung. Es misst 10 Meter und überwacht Küstengewässer auf Dauer. Der Surveyor setzt eine Stufe darüber an. Er ist 20 Meter lang und bleibt wochen- bis monatelang auf offener See. So kann er Aufgaben übernehmen, für die sonst teure Forschungsschiffe auslaufen müssten.

Aufgaben an Bord: Vermessen, überwachen, schützen

Sein Einsatzspektrum ist breit. Er kartiert den Meeresboden. Er überwacht Routen von transozeanischen Kabeln. Er kann Aufgaben in der U-Boot-Abwehr unterstützen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Ein USV bleibt lange draußen, verbraucht weniger Energie als ein bemanntes Schiff und kommt mit widrigen Bedingungen zurecht, ohne eine Crew zu gefährden.

Jenkins betont den Weg zur Zulassung: „Es war eine sehr große Investition und ein mehrjähriger Prozess, um die ABS-Klassenzertifizierung zu erreichen, aber wir sind stolz darauf, das erste Unternehmen weltweit zu sein, das dies geschafft hat.“

Sicherheit im Fokus

Die ABS-Prüfung beschränkt sich nicht auf Rumpf und Antrieb. Bei einem autonomen Schiff zählt die Digitaltechnik genauso. Geprüft werden unter anderem:

  • die Funktion der Navigationssoftware
  • die Kommunikationssysteme zwischen Schiff und Land
  • die Cybersicherheit
  • Redundanzen, die bei Ausfällen übernehmen

Die Klassifizierung trägt die Bezeichnung ✠A1, DV Naval Craft, AUTONOMOUS. Diese Kategorie ist eigentlich für Kriegsschiffe und schnelle Marinefahrzeuge gedacht. Das zeigt, wie robust ein USV sein muss, um ohne Crew in der offenen See zu bestehen.

Ein Signal an die Branche

Die maritime Welt bewegt sich Richtung Automatisierung. Viele Projekte stecken aber noch im Testbetrieb. Zertifizierungen wie die des Surveyor setzen Maßstäbe. Sie zeigen, dass autonome Schiffe nicht nur eine Idee sind. Sie können den harten Alltag auf See meistern. ABS arbeitet dafür eng mit Werften, Behörden und der Industrie. Ohne klare Regeln bleibt die Akzeptanz gering.

Ryan fasst es so zusammen: „Dieser Schritt nach vorne trägt dazu bei, dass unsere Regeln Innovationen unterstützen können, wobei der Fokus unverändert auf der Sicherheit liegt.“

Blick nach vorn

Der Surveyor könnte zur Speerspitze einer Flotte werden. Zusammen mit kleineren USVs wie der Voyager ließe sich ein System aufbauen, das Küsten und Ozeane abdeckt. Forschung, Militär und Wirtschaft zeigen Interesse: für die Kartierung unbekannter Seegebiete, den Grenzschutz, den Schutz kritischer Infrastrukturen.

Auch die Nachhaltigkeit spielt mit. Unbemannte Systeme arbeiten effizient und brauchen oft weniger Energie als bemannte Schiffe. Das senkt Emissionen und Kosten. Die Zulassung des Saildrone Surveyor markiert daher nicht nur einen Stichtag. Sie zeigt, wie eine Zukunft aussehen kann, in der Schiffe selbstverständlich ohne Besatzung fahren.

Zertifizierung autonomer Schiffe – Hürde, Hebel, Hausordnung

Autonome Fahrzeuge kennen Sie von der Straße. In der Schifffahrt nimmt der Wandel Fahrt auf. Forschungsteams und Reedereien testen fleißig. Die Technik verspricht Effizienz, Sicherheit und geringere Emissionen. Doch die eigentliche Schwelle liegt nicht in der Hardware oder der Software. Sie liegt im Regelwerk. Erst die Zertifizierung entscheidet, ob ein Schiff im Regelbetrieb fahren darf. Ohne diese Unterschrift bleibt jedes System ein Testträger.

Automatisiert ist nicht autonom

In Gesprächen verschwimmen Begriffe. Automatisierung übernimmt Teilaufgaben. Autonomie bedeutet: Das Schiff entscheidet in definierten Grenzen selbst. Die International Maritime Organization (IMO) ordnet das als MASS ein – Maritime Autonomous Surface Ships. Die Bandbreite reicht von ferngesteuert bis voll selbstfahrend. Für die Praxis ist das mehr als Wortklauberei. Die Einordnung beeinflusst Pflichten, Nachweise und Verantwortlichkeiten.

Verschiedene Fragen bleiben: Wer trägt Verantwortung im Notfall? Die KI? Die Reederei? Die Leitstelle an Land? Klare, global gültige Antworten fehlen noch. Solange das so ist, bleibt die Zertifizierung zäh.

Regeln im Aufbau – und viele Baustellen

Weltweit einheitliche Standards gibt es bislang nicht. Klassifikationsgesellschaften wie DNV, Lloyd’s Register oder Bureau Veritas haben eigene Leitlinien. Sie helfen, doch sie binden nicht überall. Auch die IMO arbeitet an Vorschriften für MASS. Das dauert, weil viele Staaten, Flaggen und Hafenbehörden beteiligt sind.

Einige Länder gehen voran. Norwegen, Japan und Singapur haben rechtliche Grundlagen geschaffen und Testgebiete ausgewiesen. In Deutschland laufen Projekte in Nord- und Ostsee, oft mit Forschungspartnern wie dem Fraunhofer-Institut. Das ist gut für die Technikreife. Für einen Containerdienst über mehrere Seegebiete reicht das allein aber nicht. Unterschiedliche Regeln treffen dort aufeinander.

Was Prüfer verlangen

Die Zertifizierung ist kein einziger Stempel, sondern ein Paket. Es umfasst Technik, Organisation und Betrieb. Typische Prüffelder sind:

  • Sicherheit: verlässliche Navigation, Kollisionsvermeidung, Notfallprozeduren.
  • Zuverlässigkeit: Redundante Hard- und Software, Cybersecurity, Ausfallkonzepte.
  • Kommunikation: sichere Datenverbindungen zwischen Schiff und Leitstelle.
  • Mensch-Maschine-Schnittstellen: klare Übergaben zwischen KI, Automatisierung und menschlicher Kontrolle.
  • Nachweisführung: dokumentierte Tests, Simulationen, Validierungen – und das fortlaufend.

Nach der Erstzertifizierung ist nicht Schluss. Audits folgen regelmäßig. Software-Updates und Wartung müssen dokumentiert sein. Wer Autonomie will, muss seine Prozesse transparent halten.

Was Pilotprojekte bereits zeigen

Testfahrten und Vorläufer geben den Takt vor. Die „Yara Birkeland“ in Norwegen ist ein bekanntes Beispiel. Das Containerschiff soll perspektivisch ohne Crew verkehren. Aktuell läuft der Probebetrieb noch mit Menschen an Bord.

In Japan fokussieren Tests auf Fähren, in Singapur auf den Hafenbetrieb. Solche Projekte sind Scharniere zwischen Labor und Realität. Sie bringen Technik, Recht und Akzeptanz zusammen – und sie liefern den Prüfern Daten.

Recht, Risiko, Rückversicherung

Die Technik legt zu. Die Rechtslage zieht nach. Dazwischen liegt der Umgang mit Risiko. Black-Box-Modelle der KI sind leistungsfähig, aber schwer zu erklären. Wenn ein System ausweicht: Warum genau? Wer das nicht belegt, gerät in Haftungsfragen ins Schwimmen. Für die Versicherung ist Nachvollziehbarkeit zentral. Darum setzen viele Programme auf robuste, erklärbare Algorithmen und umfangreiche Testkataloge.

Gesellschaftlich bleibt Skepsis. Wer hilft bei einem Brand an Bord? Reagiert ein Schiff ohne Crew schnell genug? Wie gut sind die Systeme gegen Hacker geschützt? Solche Fragen hören nicht an der Kaimauer auf. Sie gehören in die Zulassung, die Ausbildung an Land und die Einsatzkonzepte auf See.

Übergangsmodelle statt Sprung ins Kalte

Vieles spricht dafür, dass hybride Modelle den Anfang machen. Die Schiffe fahren weitgehend autonom. Landstationen überwachen den Verkehr. Bei Unklarheit übernehmen Menschen. Dieses Leitstellen-Prinzip ist in der Luftfahrt erprobt, in der Schifffahrt gut übertragbar. Es reduziert Personal an Bord, ohne die Verantwortung abzugeben.

Bis Ende der 2020er-Jahre könnten EU und IMO verbindliche Regelungen verabschieden. Erst dann entscheidet sich, wie schnell autonome Schiffe den Schritt vom Testfeld in den Liniendienst schaffen. Das wird kein Sprint. Eher eine Staffel, in der Technik, Recht und Betrieb den Stab sauber übergeben.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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