Kennen keinen Stau 22.07.2016, 07:29 Uhr

Am Flughafen und im Auto: Von Fischschwärmen und Ameisen lernen

Fischschwärme, Ameisenstaaten oder Hummeln offerieren derzeit japanischen Forschern Verhaltensmuster, die sie für die Bewältigung eines hohen Verkehrsaufkommens und beim autonomen Fahren einsetzen. So wird auf dem Flughafen Narita in Tokio seit kurzem bei der Passkontrolle ein System eingesetzt, das auf das Verhalten der Ameisen zurückgreift. Die Wartezeiten bei der Einwanderung und am Zoll wurden damit halbiert. 

Von Fischen und anderen Tieren lernen: Japanische Forscher verwerten ihr Wissen über Fortbewegungsmechanismen beispielsweise bei der Passkontrolle oder beim autonomen Fahren. Das Vorbild Natur spielt in der Wissenschaft generell eine große Rolle.

Von Fischen und anderen Tieren lernen: Japanische Forscher verwerten ihr Wissen über Fortbewegungsmechanismen beispielsweise bei der Passkontrolle oder beim autonomen Fahren. Das Vorbild Natur spielt in der Wissenschaft generell eine große Rolle.

Foto: dpa

Forscher der Universität von Tokio haben fasziniert vom Gewusel der Ameisen eine Ameisenstraße näher unter die Lupe genommen und dabei festgestellt, dass hier der Verkehr ständig fließt und es auch bei hohem Verkehrsaufkommen und zahlreichen Hindernissen nur selten zu Staus kommt.

Trotz hohen Verkehrsaufkommens weniger Stau

Professor Katsuhiro Nishinari von der Tokio Universität hat in den zurückliegenden Jahren mit insgesamt zehn Unternehmen aus der industriellen Produktion und Logistik zusammengearbeitet, um die Abläufe zu verbessern. Bei seinen Untersuchungen der Mechanismen, die hinter Verkehrsstaus stehen, stieß Nishinari auf ein interessantes Verhalten von Ameisen, an dem sich der Mensch durchaus orientieren kann.

Drängeln bringt nichts

„Ameisen benutzen Duftstoffe auf dem Boden um Informationen zu kommunizieren“, erläutert Nishinari. Diese „Buttom-up“-Strategie ermöglicht es ihnen flexibel auf vielfältige Bedingungen zu reagieren. In Nishinaris Untersuchungen zeigt sich, dass Ameisen schnell herausfinden, dass Drängeln nichts bringt. Vielmehr gibt es im Ameisenstaat eine ständige Abfolge von Laufen und Innehalten was zu einem effektiveren Verkehrsfluss führt.

„Im Ameisenstaat wird nicht auf eine Anweisung der Königin gewartet, sondern sie haben eine effiziente Technik entwickelt, damit kein Stau entsteht“, so Nishinari. Steigt die Verkehrsdichte, so führt das bei den Ameisen keineswegs zu zähflüssigem Verkehr oder Staus. Der Verkehr fließt dann sogar schneller.

Austausch von Informationen

Der Flughafen Tokio Narita, wo es zur Hauptverkehrszeit mitunter zu erheblichen Wartezeiten an der Passkontrolle und am Zoll kam, lernte aus diesem Verhalten der Ameisen. Nishinari entwickelte eine Lösung, bei der die Fluggesellschaften, der Flughafenbetreiber und das Justizministerium seit jüngstem detaillierte Informationen untereinander austauschen. Die Fluglinien übermitteln beispielsweise sobald das Flugzeug nach Japan abhebt umgehend die Zahl der nicht-japanischen Passagiere auf den Flügen. Das ermöglicht es dem Flughafen sich auf die Zahl der ankommenden Passagiere besser einzustellen und mehr Schalter für Ausländer zu öffnen.

Kollisionen vermeiden

Auch der Autohersteller Nissan sucht bei der Entwicklung kollisionsvermeidender Systeme Inspiration in der Tierwelt. Das Verhalten von Tieren in Herden und Schwärmen zeigt den Ingenieuren, wie Autos miteinander agieren und so den Verkehr sicherer und fließender machen können.

Das Forschungsteam von Nissan arbeitet seit Jahren an den Roboter-Autos Eporo, kleinen 48 cm großen Fahrzeugen, die in einer Kolonne von sieben Autos fahren können, ohne zu kollidieren. Dabei blickt man sowohl auf das Verhalten von Hummeln wie Fischschwärmen. „Ihr Verhalten im Schwarm zeigt, dass man selbst in dichtem Gedränge unfallfrei unterwegs sein kann“, erläutert Toshiyuki Andou, Manager von Nissans Mobility Labor.

Fischschwärme als Vorbild

Fischschwärme orientierten sich an drei Grundregeln: Erstens ändern sie den Kurs, um Kollisionen zu vermeiden. Zweitens schwimmen sie mit gleicher Geschwindigkeit Seite an Seite und halten Abstand. Drittens holen sie auf,  sobald sie sich zu stark von der Gruppe entfernen.

Augen wie Hummeln und kolonnentauglich: die kleinen Roboterautos Eporo von Nissan.

Augen wie Hummeln und kolonnentauglich: die kleinen Roboterautos Eporo von Nissan.

Quelle: Nissan

Die Sensoren der Eporo-Roboter agieren dabei wie das Seitenlinienorgan bei Fischen, das Sinnesorgan, das Bewegungen aufspürt. Kommunikationsmodule helfen den Robotern den korrekten Abstand zu halten. Der Eporo-Roboter verfügt unter anderem auch über einen lasergestützten Entfernungsmesser, der von den Augen der Hummeln inspiriert ist, die im 300-Grad-Umkreis sehen können.

Der Laser erkennt Hindernisse in einem 180-Grad-Radius und bis zu zwei Metern Entfernung. Unter Berücksichtigung der Entfernung reagiert das System selbstständig und lenkt das Fahrzeug um die Gefahrenstelle herum.

Ab August wird der Nissan Serena wird weltweit als erstes Modell des Autoherstellers mit einem Autopiloten namens „ProPilot“ durch Japan düsen. Das autonome System übernimmt die Lenkung, die Beschleunigung und auch das Bremsen auf einspurigen Straßen. Autohersteller Nissan spricht von einem „vollautomatischen System“.

Ein Beitrag von:

  • Peter Odrich

    Peter Odrich studierte Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Verkehrsbetriebe. Nach 28 Jahren als Wirtschaftsredakteur einer deutschen überregionalen Tageszeitung mit langer Tätigkeit in Ostasien kehrte er ins heimatliche Grossbritannien zurück. Seitdem berichtet er freiberuflich für Zeitungen und Technische Informationsdienste in verschiedenen Ländern. Dabei stehen Verkehrsthemen, Metalle und ostasiatische Themen im Vordergrund.

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