Wie ein Ingenieur aus West Virginia das Universum neu vermisst
Ingenieur Kevin Bandura nutzt Radiotechnik und Drohnen, um die dunkle Energie zu erforschen und das Universum neu zu vermessen.
Der Ingenieur Kevin Bandura entwickelt Radioteleskoptechnologie, um Astronomen dabei zu helfen, die Expansion des Universums durch die Messung der dunklen Energie zu verstehen.
Foto: WVU Photo/Brian Persinger
Kevin Bandura möchte verstehen, was das Universum antreibt. Der Ingenieur aus West Virginia baut Radioteleskope um, damit sie die geheimnisvolle dunkle Energie sichtbar machen – und entwickelt dafür sogar fliegende Messstationen.
Inhaltsverzeichnis
Der Mann, der das Rauschen zähmt
Wenn Kevin Bandura auf den Himmel blickt, sieht er nicht einfach Sterne. Er sieht Signale – schwach, verrauscht, versteckt in einem Meer aus kosmischem Funk. Der Ingenieur von der West Virginia University (WVU) will diese Signale herausfiltern, um Antworten auf eine der größten Fragen der Physik zu finden: Was steckt hinter der dunklen Energie, die etwa 70 % des Universums ausmacht?
„Wir entwickeln eine neue Technik, um die Reaktion der Teleskope auf den Himmel zu messen und die Unsicherheiten zu reduzieren, damit wir die dunkle Energie besser messen können“, sagt Bandura. Ein Satz, der so nüchtern klingt, dass man fast vergisst, wie ehrgeizig das Ziel ist: das Universum neu zu vermessen.
Dunkle Energie – ein Rätsel mit 70 % Anteil
Forschende wissen, dass das Universum sich immer schneller ausdehnt. Diese Beschleunigung schreiben sie einer geheimnisvollen Kraft zu, der sogenannten dunklen Energie. Doch über ihre Natur ist kaum etwas bekannt.
Um sie besser zu verstehen, braucht es präzise Messungen der kosmischen Materieverteilung – und genau hier kommt Bandura ins Spiel. Er arbeitet daran, Radioteleskope so fein abzustimmen, dass sie die Spuren des „neutralen Wasserstoffs“ im All erkennen können. Dieses einfache Atom, bestehend aus einem Proton und einem Elektron, ist allgegenwärtig und fungiert als eine Art Marker im Universum.
Das 21-Zentimeter-Signal – eine stille Stimme aus der Vergangenheit
Wenn neutraler Wasserstoff Radiowellen aussendet, geschieht das bei einer Wellenlänge von 21 Zentimetern. Dieses Signal ist schwach, aber wertvoll. Es erzählt, wie sich Galaxien und leere Räume im Lauf der Milliarden Jahre angeordnet haben – und damit auch, wie sich das Universum ausdehnte.
Bandura erklärt: „Wir versuchen, bessere Daten aus dem Teleskop zu erhalten und die vorhandenen Daten neu zu analysieren, um zum ersten Mal eine Messung der dunklen Energie zu erhalten.“
Mit seiner Arbeit an zwei großen Projekten – dem Canadian Hydrogen Intensity Mapping Experiment (CHIME) und dem Canadian Hydrogen Observatory and Radio-transient Detector (CHORD) – will er genau das möglich machen. Beide Anlagen sind gewaltige Radioteleskope in Kanada, die das 21-Zentimeter-Signal kartieren sollen.
Ein kosmisches Spinnennetz
Die Radiodaten offenbaren Strukturen im All: lange Fäden, Knoten, Galaxienhaufen und große Leerräume. Zusammen ergeben sie ein kosmisches Netz, das sich über Milliarden Lichtjahre spannt. Neutraler Wasserstoff lagert sich entlang dieser Fäden wie Tautropfen auf einem Spinnennetz. Indem Bandura und sein Team die Verteilung des Wasserstoffs messen, sehen sie, wie sich dieses Netz über die Zeit verändert hat – und damit, wie stark die dunkle Energie das Universum auseinanderdrückt.
Doch die größte Hürde liegt nicht im All, sondern auf der Erde. Die Milchstraße und irdische Radiowellen überlagern die feinen Signale aus der Tiefe des Raums. Hier setzt Banduras Ingenieurskunst an.
Drohnen, Chips und clevere Kalibrierung
Um Störsignale zu reduzieren, hat Bandura gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Yale University und kanadischen Teams ein ungewöhnliches Werkzeug entwickelt: eine fliegende Kalibrierungsquelle. Eine Drohne trägt einen kleinen Funkchip, der genau das Signal aussendet, das ein Teleskop empfangen soll. So lässt sich die Empfindlichkeit der Anlage präzise einstellen.
„Wir werden die Möglichkeit entwickeln, mehrere dieser Quellen gleichzeitig zu nutzen und sie auf Drohnen zu montieren, um neue Teleskop-Arrays zu kalibrieren“, sagt Bandura.
Die Technik basiert auf einem eigens entwickelten Chip mit besonders gutem Signal-Rausch-Verhältnis. Das bedeutet: Er trennt das gewünschte Signal klar vom Hintergrundrauschen. Diese Verbesserung ist entscheidend, um winzige Radiowellen aus Milliarden Lichtjahren Entfernung zu erkennen.
Werkzeuge für das Unsichtbare
Bandura und sein Team gehen noch weiter. Sie entwickeln Modelle, wie Radioteleskope Signale empfangen, und Algorithmen, die Rauschen aus den Daten filtern. So entstehen klarere Bilder des Himmels.
Ein wichtiges Ziel ist, dass CHIME selbstständig Muster in der großräumigen Struktur des Universums erkennt – etwa sogenannte Baryon-Akustik-Oszillationen. Das sind winzige Dichteschwankungen, die sich nach dem Urknall gebildet haben und heute noch im Muster der Galaxien erkennbar sind. Wer sie misst, kann Rückschlüsse auf die Ausdehnungsgeschichte des Universums ziehen.
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