Produktion 13.08.1999, 17:22 Uhr

Wasserstrahl ersetzt das Sandstrahlen

Unter einem Wasserstrahldruck von 2750 bar platzten die Lackreste von der Schiffswand ab. Dieses umweltschonende Verfahren aus den USA wurde erstmals in Deutschland eingesetzt.

Senkrecht gehts die rostige Bordwand rauf und runter: Das kleine Raupenfahrzeug hinterläßt eine 30 cm breite Spur blanken Metalls auf der „Lykes Navigate“. Was nach Zauberei aussieht, ist High-Tech für Entlackungsarbeit, die in Deutschland auf der Bremerhavener Lloyd Werft präsentiert wurde. Das Entschichtungssystem „Hydrocat“ des amerikanischen Multis Flow nutzt die Kräfte von Wasserstrahlen mit 2750 bar Druck, um Oberflächen von Anhaftungen wie Farbe zu befreien.
Im Gegensatz zum herkömmlichen Sandstrahlen oder Arbeiten mit Hochdruckreinigern arbeitet Hydrocat praktisch ohne direkte Emissionen in die nähere oder weitere Umgebung. Wasser nutzt insbesondere die metallverarbeitende Industrie bereits auf vielfältige Weise. So lassen sich mit Wasserstrahlen Materialien wie Stahllegierungen, NE-Metalle, Verbundwerkstoffe und Natursteine bis zu einer Dicke von 100 mm ohne thermische Beanspruchung und Dämpfe schneiden. Diese Kraft setzen Flow und andere Hersteller bei Handgeräten zum Entschichten von Oberflächen ein. Während die beim Sandstrahlen üblichen Probleme insbesondere der Staubentwicklung auf diese Weise vermieden werden konnten – die abgetragenen Partikel werden mit dem Waschwasser davon getragen – blieb es doch bei einem erheblichen Schmutzeintrag in die Umwelt.
Hydrocat soll dieses Problem nun nachhaltig lösen. Das Geheimnis des Gerätes: Auf der Unterseite des Raupenfahrzeuges wird ein Unterdruck erzeugt, der es nicht nur an der jeweiligen Oberfläche festhält: Gleichzeitig gelingt es zudem, sowohl die abgetragenen Partikel als auch das Waschwasser aufzusaugen und abzuleiten. Das Schmutzwasser wird anschließend durch ein Filtersystem geleitet, die festen Partikel können sackweise als Sondermüll entsorgt werden.
Das Wasser ist nach Angaben des Herstellers nach dem Reinigungsprozeß so sauber, daß es in die Kanalisation geleitet werden könnte. Der Unterdruck ermögliche es auch, das Gerät in nahezu allen Positionen einzusetzen, verspricht Dominique Gerard, Projektingenieur bei Flow Europe in Darmstadt: „Der Hydrocat kann sogar über Kopf arbeiten.“ Das Fahrzeug überwinde trotz der hermetischen Abdichtung zur Oberfläche kleiner Unebenheiten im zu bearbeitenden Material, beispielsweise Schweißnähte oder Dellen im Blech.
„Für die Bedienung des Hydrocats reicht ein Mann völlig aus“, verspricht Girard. Gesteuert wird die Maschine von einem kleinen Pult vergleichbar denjenigen, über die auch Baustellenkräne gelenkt werden. Für die Bewegung sorgt sowohl der Raupenantrieb als auch ein System von Sicherungsseilen. Allerdings braucht der „Steuermann“ zumindest bei bestimmten Oberflächen Fingerspitzengefühl: Bleibt das Gerät beispielsweise auf einer Betonfläche stehen, kann es passieren, daß der harte Wasserstrahl nicht nur die Beschichtung abträgt, sondern sich langsam auch in den Beton fräst, wenn der Wasserdruck nicht rechtzeitig reduziert wird.
Die Demonstration des Hydrocat auf der Bremerhavener Lloyd Werft ist ein typisches Beispiel für die Einsatzmöglichkeiten des Entschichtungssystems, aber auch für seine Vor- und Nachteile. Schiffsrümpfe wie der des Containerschiffs der amerikanischen Lykes-Line müssen regelmäßig im Unterwasserbereich von Antifouling-Farben befreit und im Überwasserbereich neu lackiert werden.
Um das 160 m lange Schiff im herkömmlichen Verfahren termingerecht innerhalb von einer Woche komplett zu entschichten, setzt die Werft rund um die Uhr einen achtköpfigen Arbeitstrupp ein. Eine Knochenarbeit: Vom Hubsteiger und vom Dockboden aus bearbeiten die Werftarbeiter mit Handgeräten im Sandstrahlverfahren die Schiffshaut.
Schon seit längerem ist abzusehen, dass die Gewerbeaufsichtsämter – nicht nur das in Bremerhaven – die Emissionen beim Sandstrahlen nicht mehr hinnehmen werden. Doch für die Werft könnte es unter dem Strich billiger sein, das jeweils zu bearbeitende Schiff komplett einzurüsten. Denn die Entschichtungsautomaten stellen mit einem Preis von 1 Mio. DM eine erhebliche Investition dar. Zudem reicht ein einzelnes Gerät nicht aus – auch wenn ein Hydrocat bis zu 90 m2/h, ein Werftarbeiter dagegen nur etwa 20 m2/h schafft.
In der Reparaturbranche des Schiffbaus dürften derartige Millioneninvestitionen eher die Ausnahme bleiben. Aus einem einfachen Grund: Für das „Rasieren und Haare schneiden“ – so nennen die Werftarbeiter das Neubeschichten des Schiffsrumpfes – akzeptieren die Reeder derzeit allenfalls Durchschnittspreise von 24 DM/m2. „Wenn der bei uns nicht zu halten ist, fahren die Schiffe an uns vorbei“, verweist die Lloyd Werft auf den steten Konkurrenzkampf im Schiffbau.
WOLFGANG HEUMER/KÄM
Die Bordwand der „Lykes Navigate“ wartet im Trockendock, aber nicht auf die Sandstrahl-Mannschaft: Am 5. August wurde auf der Bremerhavener Lloyd-Werft erstmals in Deutschland ein Schiff mit dem Hochdruckwasserstrahl automatisch entlackt und so für einen neuen Anstrich vorbereitet.
Saubere Spuren hinterläßt das 58 cm breite Raupenfahrzeug auf der Metallwand, an der es durch Unterdruck haftet.
Waterjet mit neuer Anwendung: Elemente des Wasserstrahlschneidens werden zum Hochdruckreinigen von großen metallischen Flächen verwendet.

 

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Ein Beitrag von:

  • Siegfried Kämpfer

    Ressortleiter Produktion VDI nachrichten. Fachthemen: Produktionstechnik, Maschinenbau, Fabrikautomatisierung.

  • Wolfgang Heumer

    Der Autor hat mehr als zehn Jahre als Redakteur und Redaktionsleiter für verschiedene Tageszeitungen gearbeitet. Seit 1998 ist er freiberuflich mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Technik und Wissenschaft für Magazine, Agenturen, Tageszeitungen und fachlich geprägte Medien tätig.

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