Nanotechnologie 05.01.2001, 17:27 Uhr

Nanobeschichtung für den Hausgebrauch

die Nanobeschichtung per Wischlappen.

Kaum zu glauben, was die Werbung verspricht: den dauerhaften Schutz von Sanitärkeramiken mittels Spezialbeschichtung. Kalkränder sollen ebenso der Vergangenheit angehören wie Schmutzflecken, und wenn das Waschbecken oder die Duschkabine doch mal verschmutzt, kann man dem Ärgernis mit jedem Putzmitteln zuleibe rücken, solange es keine aggressiven Scheuerteilchen enthält.
Die Schutzwirkung, so verspricht der Hersteller Duravit, soll dabei viele Monate erhalten bleiben. Das Zaubermittel, und das ist das eigentlich Neue, kann auch eingebauten und jahrelang benutzten Sanitärkeramiken zu einem nachträglichen Schutz verhelfen. Dabei ist die eigentliche Beschichtung nicht aufwendiger als der wöchentliche Badputz.
Möglich machte das die Nanotechnologie. Konventionelle Materialien, beschichtet mit sogenannten ultradünnen Nanoschichten, können völlig neue Materialeigenschaften erhalten. Oberfläche werden einerseits kratzfest und gleichzeitig sehr elastisch.
Nur wenige Produkte sind für den Verbraucher als Nanoprodukte erkennbar, wie die Sanitärkeramiken der Duravit AG aus Hornberg. Das Unternehmen vertreibt seit letztem Jahr Waschbecken, die aufgrund ihrer Oberflächenbeschaffenheit weder Schmutz noch Kalkflecken anhaften lassen. Die Möglichkeit, Materialien auch nachträglich mit einer Nano-Beschichtung zu versehen, war bislang utopisch, „doch wir haben binnen sechs Wochen ein System entwickelt, mit dem selbst der Laie in der Lage ist, seine Sanitärkeramik nachträglich mit einem Schutz zu versehen“, berichtet Ralf Michael Zastrau, Geschäftsführer der Firma nanogate technologies.
Bei der sogenannten Chemischen Nanotechnologie werden extrem feinkörnige und spröde Partikel in eine flexible, kunststoffartige Matrix eingebettet. Als Partikelmaterial kommt beispielsweise Quarzsand (Siliziumdioxid) oder Aluminiumoxid mit einer Größe zwischen 10 nm und 20 nm in Frage. Diese Kügelchen werden an der Oberfläche so modifiziert, dass sie in einer Flüssigkeitsmatrix stabil sind. Bei Nanogate besteht diese Matrix aus einem anorganisch-organischen Hybrid, gebildet aus sogenannten Silanen. Diese enthalten einen anorganischen Teil mit Silizium-Atomen und einen organischen Teil mit Kohlenstoff-Atomen. Durch diese hybride Eigenschaft ist es möglich, verschiedene Netzwerke aufzubauen: Über die Kohlenstoff-Atome werden flexible, weiche Netzwerke aufgebaut und über die Silizium-Atome eher glasartige, harte Strukturen.
Solche Strukturen werden in einer alkoholischen oder wässrigen Lösung gezüchtet und dann auf eine Oberfläche aufgebracht. Nachdem das Lösemittel meist durch Zufuhr von Wärme verdampft ist, bleibt die netzartige Struktur zurück, bei der sich anorganische und organische Strukturen ineinander verhaken. „Wir können durch Steuerung der Zusammensetzung der Beschichtung ganz massiv auf die mechanischen Eigenschaften Einfluss nehmen“, erklärt Dr. Gerhard Jonschker, Geschäftsbereichsleiter Oberflächentechnik bei dem Saarbrücker Unternehmen. „Erhöhen wir den Anteil glasartiger Substanzen, wird die Oberfläche eher hart, erhöhen wir die kunststoffähnlichen Bestandteile, wird sie eher weich – ein Art Programmierung von Oberflächen.“
In beide Varianten lassen sich teflonartige Komponenten einpolymerisieren, die zusätzliche Antihaft-Eigenschaften vermitteln. Der Clou dabei: Dieses Additiv dispergiert zunächst gleichmäßig in der Lösung. Beim Verdampfen des Lösemittels kommt es zu einer Art Selbstorganisation: Die Antihaft-Komponenten dringen an die Oberfläche, während der Untergrund, also die zu beschichtende Fläche, mit diesem Additiv praktisch nicht in Berührung kommt.
„Wir erreichen zwei Eigenschaften: Die fest verankerte Nanoschicht schützt vor Verkratzen, und die Additive an der Oberfläche verhindern ein Anhaften von Fremdkörpern“, beschreibt Jonschker den Effekt.
Die eigentliche Schutzschicht ist dabei meist recht elastisch und „federt“ mechanische Angriffe zum Beispiel eines Sandkorns wirkungsvoll ab. Da alle Nanopartikel und auch die Bestandteile der Matrix kleiner sind als die Wellenlänge des Lichtes, gibt es keine Lichtstreuung und die Nanoschicht bleibt transparent – ein Effekt, der besonders bei beschichteten optischen Gläsern und Autoscheiben von Vorteil ist.
Bei Sanitärkeramiken wird die Nano-Beschichtung nach der Fertigstellung des konventionellen Sanitärbeckens aufgetragen und dann bei knapp 300 oC nochmals eingebrannt, um sie mit dem Korpus zu verbinden. Der Mehrpreis für den Endkunden soll bei rund 80 DM liegen.
Noch einfacher, aber dafür nicht ganz so lange haltbar, soll das nachträgliche Aufbringen funktionieren: In dem Duravit-Set mit der vielversprechenden Bezeichnung „Wondergliss“, das über den Fachhandel für knapp 50 DM zu erstehen ist, befindet sich eine Flüssigkeit, mit der die Sanitärkeramik oder auch die Duschkabine gründlich zu reinigen ist. Wenn alle Schmutz- und Kalkpartikel entfernt wurden, wird mit einem der vier Tücher, die mit Lösemittel getränkt sind und die die Nanopartikel enthalten, die Fläche behandelt. Nach wenigen Stunden hat sich der Alkohol verflüchtigt und es kommt zur besagten Selbstorganisation der genannten unterschiedlichen Nanopartikel.
„Die aufgetragene Schicht ist sowohl hydrophob als auch oliophob“, verspricht Firmenchef Michael Zastrau. Also weder Wasser noch fetthaltiger Schmutz sollen auf der behandelten Fläche bzw. dem etwa 0,1 µm dicken Schutzfilm anhaften können. Selbst übliche Essigreiniger sollen auf Monate hinaus der Beschichtung nichts anhaben können, solange man keine abrasiven Reinigungsmittel, also sogenannte Scheuermilch oder Scheuerpulver, einsetzt. M. BOECKH/wip

 

Ein Beitrag von:

  • Martin Boeckh

    Martin Boeckh studierte Geographie und Physik. Er arbeitete als Freier Wissenschaftsjournalist für zahlreiche Tages- und Fachzeitschriften und für Nachrichtenagenturen. Er war 17 Jahre Redaktionsleiter des Entsorga-Magazins und befasst sich mit medizin.

  • Wilma Preiss

    Redakteurin VDI nachrichten. Fachthemen: Hoch- und Tiefbau, Bautechnik.

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