Gaskrise 05.10.2022, 10:55 Uhr

Nord Stream: Wer steckt hinter der Sabotage auf die Pipelines?

Die Gaslecks an Nord Stream 1 und 2 geben Rätsel auf: Ein Unfall ist angesichts der Bauart der Pipelines extrem unwahrscheinlich. Doch wer könnte hinter einer Sabotage stecken? Und wird nun der Gaspreis steigen?

Beim Bau der Nord-Stream-Pipelines galten hohe Sicherheitsvorkehrungen. Die Wahrscheinlichkeit eines Lecks, das durch Materialermüdung oder einen Unfall auftritt, gilt als extrem gering. Foto: Nord Stream AG

Beim Bau der Nord-Stream-Pipelines galten hohe Sicherheitsvorkehrungen. Die Wahrscheinlichkeit eines Lecks, das durch Materialermüdung oder einen Unfall auftritt, gilt als extrem gering.

Foto: Nord Stream AG

Drei Gaslecks in den Pipelines Nord Stream 1 und 2 werden zum Politikum: Steckt Sabotage dahinter? Und falls ja: Wer ist der Saboteur? Ein Blick auf die Beschaffenheit der Pipelinerohre mag helfen, genauer zu verstehen, was in der Ostsee passiert sein könnte.

Druckabfall bei Nord Stream 1 und 2

Nach einem ersten Druckabfall in der Nacht zum 26. September waren insgesamt drei Lecks festgestellt worden. Dänische und schwedische Behörden bestätigten, dass an zwei Stellen Gas aus der Nord-Stream-1-Pipeline nahe der dänischen Insel Bornholm austritt.

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Ein weiteres Leck gibt es in der Nord-Stream-2-Pipeline: Die dänische Marine entdeckte eine riesige Blasenbildung an der Meeresoberfläche mit einem Durchmesser von bis zu einem Kilometer.

Wie sind die Rohre von Nord Stream beschaffen?

Angesichts der austretenden Menge an Gas müssen die Rohre der Pipeline auf einer größeren Fläche regelrecht aufgerissen worden sein.

Die beiden 1224 Kilometer langen Stränge der Pipeline Nord Stream 1 bestehen aus jeweils etwa 10.000 zwölf Meter langen Stahlrohren, die miteinander verschweißt sind. Diese Segmente haben einen Innendurchmesser von etwas mehr als einem Meter, die Stahlwände sind zwischen 27 und 41 Millimeter stark. Zum Vergleich: Ein Heizungsrohr hat meist eine Wanddicke von ein bis zwei Millimetern.

Auch, damit sie sicher auf dem Meeresgrund aufliegen, sind die Stahlrohre mit Beton ummantelt. Die Ummantelung ist bis zu 110 Millimeter dick, das Gewicht jedes Rohrs verdoppelt sich dadurch von durchschnittlich elf auf rund 24 Tonnen.

Beim Bau der Pipeline waren die Sicherheitsvorkehrungen groß: Per Schiff wurden die Rohrstücke geliefert, hochgekrant, zunächst paarweise und dann schließlich an Deck an das Pipelineende geschweißt. Über eine mehrere hundert Meter lange Ablauframpe wurden die Rohrstücke dann unter Zug zum Meeresboden hin abgelassen.  Experten prüften vor Ort jede einzelne Schweißnaht magnetisch und mithilfe von Ultraschall. Bei kleinsten Fehlern konnten die Teams direkt und vor Ort ausbessern. Die Rohre verfügen über einen Korrosionsschutz, und jede Fügestelle wurde mit Schrumpfschlauch und Polyurethan-Harz abgedeckt.

Bereits im Vorfeld hatten Spezialisten den Meeresgrund mithilfe eines Tauchroboters untersucht, auch um eine stabile Lage von Nord Stream zu gewährleisten. An einigen Stellen musste Kies als stabiles Fundament für die Pipeline aufgeschüttet werden.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass zufällig an drei Stellen durch einen Unfall oder Ermüdung des Materials Lecks auftreten? Die Nordstream AG – ein Verbund der Unternehmen Gazprom, Eon, Gasuni und Wintershall Dea – erklärt dazu:

„Während der Mindestbetriebsdauer von 50 Jahren sind an den Pipelines keine umfassenden Reparaturen zu erwarten. Aufgrund der qualitativ hochwertigen Materialien und der sorgfältigen Konzeption der Rohrleitungen sind Beschädigungen und Verformungen sehr unwahrscheinlich. So liegt etwa die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls der Pipeline oder eines Lecks bei einem Zwischenfall in 100.000 Jahren.“

Was sind die Ursachen für die Nordstream-Lecks?

Ein unglücklicher Zufall dürfte angesichts der Faktenlage als nahezu ausgeschlossen gelten. Solche Gaslecks seien „äußerst selten“, so ein dänischer Behördensprecher. Es sei eine „ungewöhnliche Situation, dass drei Lecks unweit voneinander entfernt auftreten“, sagte die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen. Sabotage könne man nicht ausschließen. Messstationen in Schweden und Dänemark hatten zudem vor dem Entdecken der Gaslecks Detonationen unter Wasser ausgemacht.

Die Europäische Union hält Sabotage als Ursache für die Lecks an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 inzwischen gar für wahrscheinlich und hat mit Gegenmaßnahmen gedroht. „Alle verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass diese Lecks das Ergebnis einer vorsätzlichen Handlung sind“, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch im Namen der 27 Mitgliedstaaten. Jede vorsätzliche Störung der europäischen Energieinfrastruktur sei völlig inakzeptabel und werde „mit einer robusten und gemeinsamen Reaktion beantwortet werden“.

Auch aus Sicht deutscher Sicherheitskreise sprach vieles für Sabotage. Sollte das der Fall sein, steckt nach Ansicht von Experten angesichts des enormen Aufwands für einen derartigen Anschlag vermutlich ein staatlicher Akteur dahinter. So besteht etwa die Möglichkeit, dass die Saboteure über spezielle U-Boote verfügt haben müssen, um die Lecks punktgenau verursachen zu können.

Wer steckt hinter den Nord-Stream-Lecks?

Wer nun genau für die Lecks verantwortlich ist, ist unklar. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte in seiner Erklärung am Mittwoch nach dem Auftreten der Lecks keinen konkreten Verdacht. Man sei über die Schäden an den Pipelines allerdings sehr besorgt. „Diese Vorfälle sind kein Zufall und gehen uns alle an.“ Man werde jede Untersuchung unterstützen, die darauf abziele, Klarheit über die Vorgänge zu erlangen. Zudem werde man Schritte unternehmen, um die Energiesicherheit robuster zu machen.

Zuvor hatte bereits EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter geschrieben, dass sie Sabotage für möglich halte. Auch EU-Ratschef Charles Michel sprach von einem Sabotageakt.

Jetzt hat auch die Nato klar gemacht: Man sei überzeugt, dass die Lecks in den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 auf Sabotage zurückzuführen sind. „Alle derzeit verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass dies das Ergebnis vorsätzlicher, rücksichtsloser und unverantwortlicher Sabotageakte ist“, hieß es in einem Statement des Nordatlantikrats.

Jeder „vorsätzliche Angriff auf die kritische Infrastruktur der Bündnispartner“ werde mit einer „gemeinsamen und entschlossenen Reaktion beantwortet werden“, hieß es weiter. Man habe sich dazu verpflichtet, sich auf den „Einsatz von Energie und anderer hybrider Taktiken durch staatliche und nicht-staatliche Akteure“ vorzubereiten, sie abzuschrecken und abzuwehren.

Nur: Wer hätte denn überhaupt etwas von einer derartigen Sabotage? Tatsächlich gibt es zahlreiche mögliche Verdächtige. Zum Beispiel:

Russland könnte den Druck auf die europäischen Gas-Abnehmer kurz vor dem Winter erhöhen und für weitere Verunsicherung sorgen. Außerdem könnte die Aktion als False-Flag-Aktion durchgehen, die man der Ukraine in die Schuhe schiebt.

Die Ukraine wiederum könnte mit einer Zerstörung der Pipelines der russischen  Kriegskasse massiv schaden wollen.

Es gibt auch Mutmaßungen, dass vermögende russische Hardliner hinter der Sabotage stecken könnten, die Kontakte zwischen Russland und dem Westen langfristig verhindern wollen.

Auch denkbar ist, dass ukrainische Nationalisten Nord Stream 1 und 2 sabotiert haben – ohne Wissen und Wollen der Regierung.

Zuletzt sorgte US-Ökonom Jeffrey Sachs mit einer Äußerung in einem Interview mit dem Nachrichtenportal Bloomberg für Aufsehen. Er hat demnach den Verdacht, dass die USA hinter der Sabotage stecken könnten: „Die Nord Stream Pipeline war eine Aktion der USA, denke ich. Vielleicht auch USA und Polen,“ so Sachs. Es gebe Radar-Überwachungsbilder, die Helikopter des US-Militärs zeigen, die über den Pipelines kreisten. Immerhin: Den USA ist Nord Stream seit jeher ein Dorn im Auge. Tatsächlich sagte US-Präsident Joe Biden noch vor dem völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands in die Ukraine im Rahmen einer Pressekonferenz: „Wenn Russland einmarschiert, wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben. Wir werden es beenden.“ Auf Nachfrage von Reportern sagte Biden weiter: „Ich verspreche Ihnen, wir werden es schaffen.“

Was sind die Folgen? Wird Gas noch knapper?

Direkte Folgen für die Gasversorgung in Europa hat der Vorfall nicht, denn keine der Erdgasleitungen ist derzeit in Betrieb.

„Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit sehen wir nicht“, heißt es bei der Bundesnetzagentur.

„Es fließt seit dem russischen Stopp der Lieferungen Anfang September kein Gas mehr durch Nord Stream 1. Die Speicherstände steigen dennoch weiter kontinuierlich an. Sie liegen aktuell bei rund 91 Prozent.“

Die Pipelines allerdings könnten wohl für immer zerstört sein, wenn die Lecks nicht schnell und ausreichend abgedichtet werden. Denn durch das einströmende Salzwasser könnte es bald zu Korrosion kommen – die Leitungen könnten damit bald unbrauchbar werden.

Der Vorfall hat nun auch sicherheitspolitische Folgen. Die Bundespolizei wird die Sicherheitsvorkehrungen in deutschen Hoheitsgewässer intensivieren und Routen, die mit der kritischen Infrastruktur zusammenhängen, genauer beobachten. Außerdem sollen Bundesländer mit Küstenlinie den Schutz der Küstengebiete an Nord- und Ostsee verstärken.

Wie schädlich ist das austretende Gas für die Umwelt?

Lettlands Außenministerium nannte die „Sabotage an den Pipelines Nordstream I und II“ einen „schwerwiegendsten Sicherheits- und Umweltvorfall in der Ostsee“: „Es scheint, dass wir in eine neue Phase des hybriden Krieges eintreten.“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) schätzt die kurzfristigen Auswirkungen der Lecks auf die Umwelt als lokal begrenzt ein. „Dort entsteht für die Tiere allerdings die Gefahr, zu ersticken. Das betrifft besonders die Tiere, die nicht schnell flüchten können“, sagte Nadja Ziebarth, Leiterin des BUND-Meeresschutzbüros, in einem Interview mit der Tagesschau.

Zwar ist reines Methan, das sich im Wasser löst, ungiftig. Aber: Die genaue Zusammensetzung des Gases, das derzeit ins Meer strömt, ist nicht bekannt. In der Regel besteht es auch noch aus weiteren Kohlenwasserstoffen; die genauen Auswirkungen auf das Ökosystem im Meer sind deshalb derzeit noch kaum abschätzbar. Methan ist darüber hinaus 25 Mal klimaschädlicher als CO2. Wie groß genau die Menge an freigesetztem Gas ist, ist bislang allerdings ebenfalls noch unbekannt. (mit dpa)

Ein Beitrag von:

  • Peter Sieben

    Peter Sieben schreibt über Forschung, Politik und Karrierethemen. Nach einem Volontariat bei der Funke Mediengruppe war er mehrere Jahre als Redakteur und Politik-Reporter in verschiedenen Ressorts von Tageszeitungen und Online-Medien unterwegs.

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