Autos heizen Grundwasser auf 03.11.2023, 10:00 Uhr

Berlins Tiefgaragen könnten 15.000 Haushalte mit Wärme versorgen

Über die Autoabwärme in Tiefgaragen heizt sich das Grundwasser auf, was grundsätzlich problematisch ist. Forschende haben nun herausgefunden, dass allein in Berlin so viel Energie ins Grundwasser übergeht, dass damit fast 15.000 Haushalte mit Wärme versorgt werden könnten.

Tiefgarage

Allein in Berlins Tiefgaragen heizt sich das Grundwasser durch die Abwärme der Autos so stark auf, dass damit 15.000 Haushalte mit Wärme versorgt werden könnten.

Foto: Panthermedia.net/chaoss

In einer Studie haben Forschungsteams der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Basel eine ungewöhnliche Quelle von Energie in urbanen Gebieten identifiziert: die Abwärme von Automotoren in Tiefgaragen. Ihre Untersuchungen zeigen, dass diese Abwärme in den Untergrund abgeleitet wird und dort die Temperatur des Grundwassers steigen lässt.

Die Wärmemenge ist nach den Berechnungen der Forschenden demnach so groß, dass allein mit den Berliner Tiefgaragen fast 15.000 Haushalte mit Wärme versorgt werden könnten. Die im Fachjournal „Science of The Total Environment“ veröffentlichten Ergebnisse weisen jedoch auch auf ein mögliches Umweltrisiko hin: Langfristig könnte die zusätzliche Wärme die Qualität des Grundwassers negativ beeinflussen. Dieses Risiko ließe sich vermeiden, wenn die zugeführte Wärme dem Boden wieder entzogen und zum Heizen genutzt wird.

Öffentliche Tiefgaragen heizen am meisten ein

Für ihre Studie untersuchten die Forschungsteams die Temperatur von 31 Tiefgaragen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In sechs Tiefgaragen war es zudem möglich, die Temperatur des Grundwassers in der direkten Umgebung zu messen. Auf diese Weise konnten Wärmeprofile erstellt werden. Die Auswertung der Profile ergab schließlich, dass Tiefgaragen über das gesamte Jahr betrachtet das Grundwasser erwärmen.

Ein weiteres Ergebnis der Studie war, dass das Verkehrsaufkommen in den Tiefgaragen den größten Einfluss auf die Grundwassererwärmung hat. Auch die Nähe des Grundwassers und die vorherige Grundwassertemperatur spielen eine Rolle. „Da öffentliche Tiefgaragen häufig tiefer sind und mit kürzeren Standzeiten genutzt werden, erwärmen sie das Grundwasser stärker als private Anlagen“, sagt der Geowissenschaftler Maximilian Noethen von der MLU.

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Modellierungen für die Berliner Tiefgaragen

Wie bereits geschrieben, könnte die überschüssige Wärme im Boden mithilfe von Wärmepumpen und Geothermie nutzbar gemacht werden. „Der Vorteil davon wäre, dass dem Grundwasser Energie entzogen wird und es so abkühlt“, sagt Noethen. Um das Potenzial dafür abzuschätzen, schauten sich die Forschenden die 5.040 Berliner Tiefgaragen an und berechneten Anhand von Modellierungen die durch sie erfolgte Grundwassererwärmung.

Das Ergebnis: In den zentralen Bezirken der Hauptstadt befinden sich zahlreiche Tiefgaragen, die aufgrund ihrer Lage im oder in unmittelbarer Nähe zum Grundwasserspiegel eine nicht zu unterschätzende Menge an Wärme direkt in das Grundwasser abführen. Den Berechnungen zufolge gehen in Berlin jedes Jahr etwa 0,65 Petajoule an Energie auf diese Weise in das Grundwasser über. Umgerechnet bedeutet das: Mit dieser Energiemenge könnte man theoretisch 14.660 Haushalte ganzjährig mit Wärme beliefern.

„Natürlich reicht allein die Wärme aus dem Grundwasser nicht aus, um den Wärmebedarf einer Stadt wie Berlin oder gar eines Landes wie Deutschland zu decken. Auch ist das Temperaturniveau des oberflächennahen Grundwassers nicht hinreichend, um ohne Wärmepumpe zu heizen. Aus früheren Arbeiten wissen wir jedoch, dass das Potenzial für Geothermie deutlich darüber hinaus geht und sie einen wesentlichen Anteil an einer nachhaltigen Wärmeversorgung haben könnte“, sagt Prof. Dr. Peter Bayer vom Institut für Geowissenschaften und Geographie der MLU.

Grundwassertemperatur steigt seit Jahren

Seit mehreren Jahrzehnten ist eine kontinuierliche Erhöhung der Grundwassertemperatur zu verzeichnen, die maßgeblich durch den globalen Klimawandel vorangetrieben wird. Dieser Trend zeigt sich in städtischen Gebieten besonders ausgeprägt, wo er durch Faktoren wie dichte Bebauung, ausgedehnte Flächenversiegelung, einen Mangel an grünen Flächen und direkte Wärmeabgabe von Infrastrukturen wie Tunneln und Tiefgaragen noch verstärkt wird.

Die empfindliche Ökologie des Grundwassers, die auf ein stabiles Temperaturregime angewiesen ist, steht dadurch vor großen Herausforderungen. Experten warnen, dass diese Temperaturveränderungen die Zusammensetzung der im Grundwasser lebenden Arten beeinflussen und somit langfristig auch die Qualität des Wassers beeinträchtigen könnten – Wasser, das wiederum einen wesentlichen Teil unseres Trinkwassers ausmacht.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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