Landvermessung über die Jahrhunderte 29.09.2024, 12:20 Uhr

Geschichte der Geodäsie: Alles eine Frage der Geometrie

Die Geschichte der Landvermessung reicht vom Seilspanner in Ägypten bis zum modernen GPS und zeigt, wie Geometrie über Jahrtausende die Grundlage präziser Messungen bildete.

Landvermessung

Als die Menschheit sesshaft wurde, begann sie damit, das Land aufzuteilen. Wir blicken auf die Geschichte der Geodäsie.

Foto: PantherMedia / sergeypykhonin

Die Vermessung, in der Fachsprache Geodäsie genannt, ist eine der ältesten Wissenschaften der Menschheit. Ihre Ursprünge gehen auf die Zeit zurück, als die Zivilisationen begannen, das Land systematisch zu unterteilen, um es zu bewirtschaften, zu bewässern und zu verteilen. Während die ersten Vermessungsmethoden meist auf pragmatischen Überlegungen beruhten, legten sie den Grundstein für eine Disziplin, die sich über Jahrtausende weiterentwickelte. Ein wesentlicher Aspekt war dabei die Geometrie, nach deren Prinzipien Flächen und Entfernungen berechnet wurden. Schauen wir uns an, wie sich die Landvermessung über die Jahrhunderte verändert hat.

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Die ersten Schritte der Landvermessung: Mesopotamien und Ägypten

Die ersten bekannten Anwendungen der Landvermessung stammen aus Mesopotamien und Ägypten, zwei der ältesten Hochkulturen der Welt. Mesopotamische Gelehrte und Verwaltungsbeamte benutzten ab etwa 4000 v. Chr. einfache Hilfsmittel, um die Parzellierung des Landes festzulegen. Sie fertigten Stadtpläne auf Tontafeln an, die die geometrische Struktur der Siedlungen wiedergaben. Diese Pläne halfen bei der Verwaltung und Besteuerung des Grundbesitzes und sorgten für eine geordnete Landverteilung.

In Ägypten, wo der Nil alljährlich die Felder überflutete und die Grenzmarkierungen wegschwemmte, war die Landvermessung von entscheidender Bedeutung. Spezialisierte Landvermesser, die „Harpedonapten“ oder Seilspanner, vermaßen mit Hilfe von Knotenseilen die Felder neu und setzten Grenzmarkierungen. Diese Methode war nicht nur genau, sondern auch flexibel genug, um die Grundstücke jedes Jahr neu abzustecken.

Vermessungstechniken im alten Ägypten

Die Ägypter entwickelten eine Vielzahl geometrischer Techniken, um das Land zu vermessen und große Bauprojekte zu planen. Eines der bekanntesten Werkzeuge war das Messtau, ein Seil, das in regelmäßigen Abständen mit Knoten versehen war. Dieses Seil diente zur genauen Vermessung von Entfernungen. Landvermesser teilten mit dem Messtau Felder in rechteckige oder dreieckige Parzellen ein, die dann den Bauern zur Bewirtschaftung übergeben wurden.

Neben der praktischen Anwendung bei der Grenzziehung nutzten die Ägypter die Geometrie auch beim Bau der Pyramiden und anderer monumentaler Bauwerke. Die zwischen 2600 und 2500 v. Chr. errichteten Pyramiden von Gizeh sind ein eindrucksvolles Zeugnis für die geometrische Präzision der ägyptischen Baumeister und Landvermesser. Die exakte Ausrichtung der Pyramiden nach den Himmelsrichtungen deutet darauf hin, dass astronomische Beobachtungen mit den damaligen Vermessungstechniken kombiniert wurden.

Bedeutende Persönlichkeiten aus der Vermessungsgeschichte

Die Geschichte der Vermessung ist geprägt von großen Denkern und Wissenschaftler*innen, die maßgeblich dazu beigetragen haben, unser Verständnis von Geometrie, Kartografie und der Welt insgesamt zu erweitern. Von der Antike bis in die Neuzeit entwickelten sie mathematische Theorien und präzise Instrumente, die für die Feldvermessung, Triangulation und Berechnung der Erdform unverzichtbar sind. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über einige der einflussreichsten Persönlichkeiten, ihre Errungenschaften und die Zeit, in der sie lebten.

Name Zeit Bedeutung
Thales von Milet 625–547 v. Chr. Formulierte geometrische Sätze wie den Halbsatz des Kreises und legte damit die Basis für die Feldvermessung.
Pythagoras von Samos 570–500 v. Chr. Entwickelte den pythagoreischen Lehrsatz, der die Berechnung von Flächen und Winkeln ermöglichte.
Aristoteles 384–322 v. Chr. Schloss aus Beobachtungen, dass die Erde kugelförmig ist, und legte damit die Grundlage für spätere geografische Vermessungen.
Eratosthenes 275–194 v. Chr. Berechnete als Erster den Erdumfang und legte damit den Grundstein für großflächige Vermessungen.
Heron von Alexandria 284–221 v. Chr. Erfand die Heronsche Flächenformel und schrieb Werke über Vermessung, Mechanik und Mathematik.
Claudius Ptolemäus 87–161 n. Chr. Entwickelte Kartenprojektionen zur Darstellung der Erde und schuf die ‚Geographia‘, ein Werk zur Kartenerstellung.
Johannes Kepler 1571–1630 Erfand die geometrische Optik und verbesserte die Vermessungstechniken durch die Einführung des Teleskops.
Willebrord Snellius 1580–1626 Entwickelte die Triangulation und ermöglichte präzise Vermessungen großer Flächen.
Giovanni Domenico Cassini 1625–1712 Baute das erste große Triangulationsnetz in Frankreich, das von Brest bis Wien reichte.
Isaac Newton 1642–1727 Erarbeitete die Gravitationsgesetze und revolutionierte die Astronomie, was auch die Vermessung der Erde beeinflusste.
Jacques Dominique Cassini 1748–1845 Erweiterte das französische Dreiecksnetz und vervollständigte die großflächige Vermessung Frankreichs.
Johann Heinrich Haas 1758–1810 Erstellte militärische Situationskarten und legte den Grundstein für die moderne Landesvermessung in Hessen-Darmstadt.
Jean Baptiste Joseph Delambre 1749–1822 Berechnete den Meridianbogen, was für die genauere Bestimmung der Erdform und Größe von großer Bedeutung war.
Carl Friedrich Gauß 1777–1855 Entwickelte das Gaußsche Dreiecksnetz und revolutionierte die Landvermessung durch die Einführung moderner mathematischer Methoden.
Johann Jacob Baeyer 1794–1885 Initiierte das erste internationale geodätische Vermessungsprojekt, das europäische Gradmessungen zusammenführte.
Friedrich Bessel 1784–1846 Verbesserte die Methode der Gradmessung und trug zur genauen Berechnung des Erdumfangs bei.
George Everest 1790–1866 Bekannt für die Everest-Vermessung, benannte den Mount Everest und verbesserte die Vermessung des indischen Subkontinents.

Griechenland: Die Geburtsstunde der Geometrie als Wissenschaft

Die Griechen brachten das Verständnis der Geometrie auf eine neue Stufe. Während die Mesopotamier und Ägypter geometrische Prinzipien zur Lösung praktischer Probleme nutzten, machten die Griechen daraus eine formale Wissenschaft. Jahrhundert v. Chr. begannen griechische Mathematiker wie Thales von Milet und Pythagoras, die Eigenschaften von Dreiecken, Kreisen und Geraden systematisch zu untersuchen.

Pythagoras wird oft mit dem nach ihm benannten Satz in Verbindung gebracht, der die Beziehung zwischen den Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks beschreibt. Dieser Satz, der die Grundlage vieler geometrischer Berechnungen bildet, war eine bahnbrechende Entdeckung für das Vermessungswesen. Mit diesem Wissen konnten die Landvermesser Winkel und Strecken exakt berechnen und so komplexere geometrische Formen in der Landschaft definieren.

Einen der bedeutendsten Beiträge zur Geodäsie leistete der griechische Gelehrte Eratosthenes, als er um 240 v. Chr. den Erdumfang berechnete. Er nutzte einfache geometrische Prinzipien, um in Syene (dem heutigen Assuan) und Alexandria den Winkel der Sonneneinstrahlung zu messen und daraus den Erdumfang abzuleiten. Diese Methode lieferte eine erstaunlich genaue Schätzung, die nur wenige Kilometer von modernen Messungen abweicht.

Groma

Die Groma (Kreuzscheibe) war das wichtigste Vermessungsinstrument der Römer, ein doppeltes Diopterlineal mit zwei rechtwinkligen Armen zum Abstecken rechter Winkel und Fluchten der dazugehörigen Geraden.

Foto: PantherMedia /
Monika Rainer

Römer: Praktische Anwendungen und die Entwicklung des Katasters

Die für ihre Ingenieurskunst bekannten Römer entwickelten eine Vielzahl von Vermessungstechniken, die nicht nur für den Bau von Straßen und Aquädukten, sondern auch für die Verwaltung ihres Reiches wichtig waren. Der römische Kataster, ein System zur systematischen Erfassung und Besteuerung von Grund und Boden, war ein unverzichtbares Instrument, um die riesigen Gebiete des Imperiums unter Kontrolle zu halten.

Für die Landvermessung benutzten die Römer die Groma, ein Instrument, mit dem sie rechte Winkel genau vermessen konnten. Diese Technik war besonders wichtig für die Anlage von Straßen und Städten. Die Groma bestand aus einem senkrechten Stab mit Querarmen, an denen Lotlinien hingen. Diese Lotlinien halfen den Vermessern, exakte rechte Winkel zu bestimmen, die für die Planung von Stadtmauern, Lagern und Straßen verwendet wurden.

Das römische Vermessungswesen legte großen Wert auf Genauigkeit. Straßen wie die Via Appia, eine der ältesten und wichtigsten Straßen des Römischen Reiches, wurden mit Hilfe dieser Techniken gebaut. Auch Aquädukte wie der berühmte Pont du Gard in Südfrankreich zeugen von der Präzision, mit der die römischen Ingenieure und Landvermesser arbeiteten. Diese Bauwerke waren nicht nur Meisterwerke der Ingenieurskunst, sondern auch das Ergebnis exakter Vermessungstechniken.

Die Wissenschaft der Geodäsie im Mittelalter und die arabische Welt

Nach dem Untergang des Römischen Reiches ging das Wissen um die präzise Vermessung der Erde in Europa weitgehend verloren. Die Wissenschaft der Geodäsie stagnierte, und viele der von den Römern und Griechen entwickelten raffinierten Techniken gerieten in Vergessenheit. Stattdessen basierte die Vermessung oft auf Schätzungen oder religiösen Überzeugungen.

Anders in der arabischen Welt, wo das antike Wissen bewahrt und weiterentwickelt wurde. Arabische Gelehrte übersetzten und kommentierten die Werke von Ptolemäus und anderen griechischen Gelehrten. Sie führten auch neue Messmethoden ein, wie zum Beispiel die Gradmessung zur Berechnung des Erdradius. Der arabische Astronom Al-Biruni war einer der ersten, der um 1000 n. Chr. den Erdumfang mit trigonometrischen Methoden genau berechnete.

Instrumente wie das Astrolabium, das von arabischen Wissenschaftlern weiterentwickelt wurde, spielten eine wichtige Rolle in der Astronomie und der Landvermessung. Mit diesem Instrument konnten Winkel und Höhen von Himmelskörpern gemessen werden, was sowohl für die Navigation als auch für geodätische Messungen nützlich war.

Renaissance und die Wiederbelebung der Landvermessung

Mit der Renaissance im 15. Jahrhundert begann in Europa die Wiederentdeckung des antiken Wissens. Mathematik und Geometrie erlebten eine Renaissance und neue Entdeckungen und Erfindungen revolutionierten die Vermessung. Eines der wichtigsten Werke dieser Zeit war „De revolutionibus orbium coelestium“ von Nicolaus Copernicus, in dem das heliozentrische Weltbild begründet wurde. Diese Erkenntnisse legten den Grundstein für ein besseres Verständnis der Erdform und der Himmelsmechanik.

Die Erfindung des Fernrohrs durch Galileo Galilei im Jahr 1609 ermöglichte genauere Entfernungsmessungen und genauere Beobachtungen. Die von Willebrord Snellius im 17. Jahrhundert entwickelte Methode der Triangulation ermöglichte die Erstellung präziser Landkarten durch die Messung von Winkeln und Entfernungen zwischen verschiedenen Punkten.

Die französische Revolution und der Aufstieg des metrischen Systems

Die Französische Revolution brachte nicht nur politische Umwälzungen mit sich, sondern auch einen tiefgreifenden Wandel in der Geodäsie. Damals wurde das metrische System eingeführt, und die genaue Definition des Meters basierte auf dem Erdquadranten. Umfangreiche Messungen wurden durchgeführt, um die genaue Länge des Meters zu bestimmen, was wiederum zu einer Vereinheitlichung der Maßeinheiten in Europa führte.

Die Familie Cassini spielte eine zentrale Rolle bei der Erstellung eines präzisen Dreiecksnetzes, das ganz Frankreich abdeckte. Diese Arbeiten legten den Grundstein für die moderne Landesvermessung und trugen zur systematischen Erfassung und Dokumentation des Landbesitzes bei.

alter Theodolit

Ein alter Theodolit, wie er früher in der Geodäsie zur Messung von Horizontalrichtungen und Zenit- oder Vertikalwinkeln verwendet wurde.

Foto: PantherMedia /
Suljo

Wichtige Instrumente der Vermessungsgeschichte

Die Geschichte der Vermessung ist untrennbar mit der Entwicklung präziser Instrumente verbunden. Im Laufe der Jahrhunderte wurden verschiedene Werkzeuge erfunden, die die Genauigkeit von Landvermessungen, Winkelmessungen und Flächenberechnungen erheblich verbesserten. Von der Antike bis ins 19. Jahrhundert kamen immer fortschrittlichere Techniken zum Einsatz, die nicht nur die Vermessung großer Flächen, sondern auch die Kartografie revolutionierten. Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über einige der bedeutendsten Vermessungsinstrumente, wann sie erfunden wurden und wofür sie eingesetzt wurden.

Instrument Erfunden Verwendung
Groma Um 1. Jahrhundert n. Chr. Diente zur Absteckung rechter Winkel und Geraden bei der Landvermessung.
Diopter Antike Ein früheres Vermessungsgerät zur Bestimmung von Winkeln und Geraden.
Astrolabium Mittelalter Ein astronomisches Gerät zur Messung von Höhenwinkeln, auch in der Vermessung verwendet.
Theodolit 16. Jahrhundert Ein Präzisionsinstrument zur Winkelmessung bei der Triangulation.
Mess-Seil Antike Diente zur Messung von Längen bei der Feldvermessung, durch Knoten in gleichmäßige Abstände unterteilt.
Feldtisch 17. Jahrhundert Wurde verwendet, um verkleinerte Abbildungen der Feldgemarkung zu zeichnen.
Reduktionszirkel 17. Jahrhundert Zur Verkleinerung und Vergrößerung von Zeichnungen und Plänen.
Storchenschnabel 17. Jahrhundert Zum exakten Übertragen von Maßverhältnissen in Karten.
Planimeter 19. Jahrhundert Diente zur Flächenberechnung durch mechanische Messung.
Nivellementgerät 19. Jahrhundert Dient zur Bestimmung von Höhenunterschieden und Nivellierung.
Kippregel 19. Jahrhundert Ermöglicht präzise Längenmessungen und wurde in der Landvermessung eingesetzt.

Das 19. Jahrhundert: Neue Methoden und Technologien

Im 19. Jahrhundert wurden in ganz Europa und Nordamerika umfangreiche Landesvermessungen durchgeführt. Die Einführung neuer Messinstrumente und -methoden führte zu einer erheblichen Verbesserung der Genauigkeit. Mit der Basismessung zwischen Darmstadt und Griesheim 1808 wurde die Grundlage für das hochgenaue hessische Dreiecksnetz gelegt.

In Deutschland wurden topographische Karten im Maßstab 1:25000 und 1:50000 erstellt, die als Grundlage für die Einführung des modernen Katasters dienten. Das Katasterwesen ermöglichte die genaue Erfassung und Dokumentation des Grundbesitzes, was nicht nur für die Besteuerung, sondern auch für die Sicherung von Eigentumsrechten von Bedeutung war.

Das 20. Jahrhundert: Die Revolution der Vermessungstechnologie

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts begann eine neue Ära in der Vermessungstechnik. Die in den 1920er Jahren aufkommende Luftbildvermessung ermöglichte die Kartierung großer Gebiete aus der Luft. Dies war vor allem für die Erfassung unzugänglicher Gebiete und für die militärische Kartographie von großem Nutzen.

Die Entwicklung elektronischer Messgeräte und Rechenmaschinen führte zu einer erheblichen Steigerung der Effizienz und Genauigkeit der Vermessungsarbeiten. Insbesondere das in den 1980er Jahren eingeführte Global Positioning System (GPS) revolutionierte die Vermessung. GPS ermöglichte die schnelle und genaue Bestimmung von Koordinaten unabhängig von bestehenden Messpunkten. Dies erleichterte die Arbeit der Vermesser erheblich und führte zu einer Vereinfachung vieler Vermessungsprozesse.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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