Kanalbau vor Herausforderungen 02.12.2011, 12:04 Uhr

Abwasserkanäle haben großen Sanierungsbedarf

In Deutschland sickern täglich rund 1 Mio. m3 Abwasser ins Erdreich. Allein in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, sind dies immerhin 160 000 m3 jeden Tag. Ein Großteil dieser Menge sickert durch defekte Kanalrohre auf Privatgrundstücken.

Von insgesamt rund 1,5 Mio. km Grundleitungen und Hausanschlusskanälen auf privaten Grundstücken in Deutschland sind nach Ansicht der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abfall und Wasser e.V. (DWA) mindestens 40 % defekt. Aus undichten Leitungen kann Abwasser austreten, das Boden und Grundwasser verunreinigt.

„Schadhafte, undichte Abwasserkanäle gefährden nicht nur das Grundwasser, sondern können darüber hinaus auch große Folgeschäden in Form von Straßenunterhöhlungen auslösen. Dies wird bislang noch zu wenig beachtet“, so Otto Schaaf, DWA-Präsident und Vorstand der Stadtentwässerungsbetriebe Köln.

Dichte Abwasserkanäle schützen das Trinkwasser

Um das lebensnotwendige Trinkwasser zu schützen, hat der Gesetzgeber reagiert: In allen Bundesländern müssen die Grundstückseigentümer ihre privaten Abwasserkanäle bis spätestens Ende des Jahrs 2015 auf Dichtheit prüfen und gegebenenfalls sanieren lassen. Die Dichtheitsprüfung ist spätestens nach 20 Jahren zu wiederholen. Überträgt man diese Regelungen auf die über 47,5 Mio. Gebäude Gesamtdeutschlands, lässt sich ein gewaltiges Marktvolumen errechnen.

„Bei der Kontrolle und Sanierung der Grundstücksentwässerung herrscht vielerorts Goldgräberstimmung“, berichtet Roland W. Waniek, Geschäftsführer des IKT-Instituts für Unterirdische Infrastruktur. „Dies liegt vor allem daran, dass mit Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bislang vier Bundesländer rechtliche Regelungen zur Dichtheitsprüfung privater Abwasserleitungen geschaffen haben.“

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Abdichten privater Abwasserkanäle kostet zwischen 14 Mrd. € und 24 Mrd. €

„Würden alle Anschluss- und Grundleitungen entsprechend der DIN 1986-30 auf Dichtheit geprüft werden, so müssten deutsche Grundstückseigentümer allein dafür zwischen 14 Mrd. € und 24 Mrd. € aufbringen“, kalkuliert Waniek. „Nimmt man weiterhin eine Schadensquote von 70 % und mittlere Sanierungskosten von 3000 € je betroffenem Gebäude an, so beträgt der gesamtdeutsche Sanierungsaufwand knapp 100 Mrd. €.“ Für ein Privathaus werden die Kosten für eine Prüfung auf 300 € bis 500 € veranschlagt. Sanierungskosten sind abhängig vom Zustand des Abwasserkanals, vom gewählten Sanierungsverfahren und den örtlichen Randbedingungen.

Je nach Sanierungsverfahren können zwischen 250 €/m und 500 €/m anfallen; im Einzelfall auch darüber.

Die Sanierung kann in offener Baugrube oder grabenlos erfolgen. Bei diesem sogenannten „Inlinerverfahren“ werden schlauchförmige Trägermaterialien, also korrosionsbeständige Polyester-, Nadelfilz- oder Glasgewebeschläuche, die mit einem Kunstharz getränkt sind, in den vorhandenen Kanal eingebracht.

In Nordrhein-Westfalen, wo neben rund 70 000 km öffentlichen etwa 200 000 km private Kanäle liegen, soll es laut Landesumweltminister Johannes Remmel unterschiedliche Schadensklassen geben: Bei nur geringen Schäden sei keine Reparatur nötig. Mittelgroße Schäden müssen innerhalb einer Frist von fünf Jahren beseitigt werden, große Schäden umgehend.

Münsterland: Grundstückseigentümer stellen Sinn der Dichtheitsprüfung von Abwasserkanälen in Frage

Dagegen hat sich bereits Widerstand formiert. Die Initiatoren einer Bürgerinitiative im münsterländischen Nordwalde haben sich zum Ziel gesetzt, „die sinnlose und teure Dichtheitsprüfung von privaten Abwasserleitungen zu stoppen“. Schließlich sei der Nutzen der Maßnahme nicht belegt, die Kosten für Hauseigentümer jedoch unverstellbar hoch. Inzwischen gibt es sogar den Verband „Dichtheitsprüfung, nein danke“ und die Internetseite www.alles-dicht-in-nrw.de. In Niedersachsen werde auf die Prüfung bereits verzichtet, heißt es dort.

Auch die FDP im Landtag von Nordrhein-Westfalen will das niedersächsische Modell einführen. Danach obliegt es den Kommunen im Rahmen ihrer Satzungsautonomie, über Dichtheitsprüfungen zu entscheiden. Nachdem sich die CDU dieser Auffassung angeschlossen hat, gibt es hier inzwischen eine Mehrheit gegen die Dichtheitsprüfung. Diese setzt sich auf kommunaler Ebene fort, zum Beispiel in Willich: „Im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger sollten wir nicht mehr an der bestehenden Prüfpflicht festhalten“, sagt Liberalen-Geschäftsführer Ralf Klein. Der stellvertretende Fraktionschef Hans-Joachim Donath ergänzt: „Es besteht berechtigte Hoffnung, dass wir dieser Prüfung bald definitiv ein Ende setzen können.“

Im Mai dieses Jahres haben führende Akteure der Abwasserbranche ihre Kräfte gebündelt und die Gütegemeinschaft Güteschutz Grundstücksentwässerung gegründet. Sie ist eine Gütegemeinschaft im Sinn der RAL-Grundsätze für Gütezeichen; dieser Weg wurde aufgrund der guten Erfahrungen mit der RAL-Gütegemeinschaft Kanalbau gewählt. „Unser Ziel ist die Verbesserung der Qualität von Anlagen der Grundstücksentwässerung. Insbesondere sollen eventuelle Verunreinigungen von Grundwasser, Gewässern und Boden durch undichte Anlagen vermieden werden“, erläutert der Geschäftsführer der Gütegemeinschaft, Dipl.-Ing. Dirk Bellinghausen.

Abwasser ist aber nicht nur Schadstoff, sondern kann als Nährstoff- und Energiequelle gleich mehrere Beiträge zu Energieproduktion und Ressourcenschutz leisten. Die technischen Verfahren zur Rückgewinnung und zur Nutzung der Wertstoffe im Abwasser sind weitgehend bekannt. Die Aufgabe besteht nun insbesondere darin, diese Verfahren zu optimieren und sie in integrierten, nachhaltigen Konzepten umzusetzen. Wege hierzu wies das Symposium „Re-Water Braunschweig“ Ende November.

Ein Beitrag von:

  • Eckart Pasche

    Freier Fachjournalist. Themenschwerpunkte: Energie, Kerntechnik, Rohstoffe, Bergbau, Tunnelbau, Technikgeschichte

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