Interview 11.07.2024, 11:34 Uhr

Thomas Schulz: Wie man die Gen Z erfolgreich rekrutieren kann

Die größte Sorge der Führungskräfte in Deutschland ist die Suche nach qualifiziertem Personal. Dieses Problem könnte sich noch verschärfen, da in 7 Jahren die Generation Z ein Drittel der Arbeitnehmer stellen wird.

Gen Z

Gen Z ansprechen: Schlüsselstrategien für Arbeitgeber zur Gewinnung junger Talente.

Foto: PantherMedia / GaudiLab

Thomas Schulz, Gründer & CEO des GenZ-Recruiting-Startups CareerFairy, arbeitet mit über 250 Unternehmen, darunter BMW, Beiersdorf, Lufthansa und L’Oréal, und sieht großen Nachholbedarf bei der Ansprache der Generation Z. In diesem Interview erklärt er, wie man diese Generation effektiv erreicht.

Thomas, wie kam die Idee CareerFairy zu gründen und unmittelbar die Gen Z anzusprechen?

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Thomas Schulz: Die Gründungsgeschichte begann während unseres Studiums: Ich habe Mathematik studiert und mein Mitgründer Maschinenbau. Als Studierende an der ETH Zürich standen wir vor der Frage, wie wir unsere Stärken einsetzen können, besonders in MINT-Fächern wie Ingenieurwissenschaften und IT. Nach fünf Jahren Studium fragten wir uns: Wo können wir unsere Stärken einsetzen? Was macht uns Spaß? Mit welchem Team möchten wir arbeiten? Die jährliche Karrieremesse an unserer Uni bot zwar einen Überblick, aber es war schwer, wirklich passende Informationen zu finden, besonders ohne viel Arbeitserfahrung.
Deshalb haben wir vor fünf Jahren CareerFairy gegründet. Wir bieten durch interaktive Livestreams einen neuen Weg für Studierende und Absolventen, Einblicke in verschiedene Berufe und Unternehmen zu bekommen. So können sie besser herausfinden, welche Karrierewege zu ihnen passen und fundierte Entscheidungen für ihre Zukunft treffen.

Mitarbeitende als Recruiter

Werden diese Livestreams von verschiedenen Unternehmen gebucht, um zu zeigen, wie es bei ihnen aussieht?

Als Beispiel: Das Unternehmen Trumpf hat in einem Live-Video ihr Graduate-Programm vorgestellt. Das könnte ein typischer Livestream sein, der etwa 45-60 Minuten dauert. In diesem Zeitraum geben Mitarbeitende von Trumpf einen Einblick in ihre Tätigkeiten. Danach beantworten sie Fragen von Studierenden. Die Studierenden stellen viele Fragen, die dann im Livestream besprochen werden.

Also die Mitarbeitenden, die die Livestreams halten, sprechen dann direkt die jüngeren Zielgruppen an?

Ganz genau, genau das ist der Punkt. Es schafft viel Vertrauen, wenn du weißt, dass die Person, die den Livestream hält, zum Beispiel auch Mathematik studiert hat und jetzt in diesem Berufsfeld arbeitet. Oder jemand, der Maschinenbau oder Elektrotechnik studiert hat und jetzt aus dem Alltag berichtet. So erhält man direkte Einblicke von Menschen, die einen ähnlichen Hintergrund haben wie man selbst. Man könnte sie als Mentoren bezeichnen, da sie aus eigener Erfahrung berichten und genau erklären, was sie in ihren jeweiligen Positionen tun.

Authentizität soll da sein

Stichwort Authentizität: Bedeutet das, dass die Informationen direkt von diesen Personen kommen und nicht offiziell vom Arbeitgeber?

Genau. Es ist so, dass zwar die Personalabteilung oft beim Aufsetzen des Streams involviert ist, aber die Referenten und Referentinnen sind wirklich Leute aus den Fachabteilungen – Ingenieure, Informatikerinnen und Ähnliches. Diese Personen geben dann direkte Einblicke aus der Praxis an die Studierenden weiter.

Zum Beispiel könnte XY, ein Senior Softwareentwickler bei XY Deutschland, Einblicke in spannende Projekte im IT-Bereich und der Softwareentwicklung geben. Solche Livestreams bieten eine großartige Möglichkeit für Studierende, Fachkenntnisse mitzunehmen und wirklich zu verstehen, was Personen in ähnlichen Studienrichtungen in der Praxis tun. Macht das Sinn?

Sind es wirklich Livestreams und keine vorher produzierten Videos?

Korrekt, das ist wirklich live, und das haben wir als sehr wichtig für die Authentizität erkannt. Eine lustige Geschichte dazu: Als wir vor fünf Jahren gestartet haben, begannen wir in den ersten zwei Monaten mit vorproduzierten Videos. Wir haben jedoch schnell gemerkt, dass diese Videos oft sehr gescripted und übermäßig bearbeitet wurden. Besonders die neue Generation, die sehr digital affin ist, hat ein Gespür, fast ein „ein Bullshit Radar“ dafür, was echt ist und was nicht. Daher ist es eine große Stärke, wenn die Informationen live und ungescriptet direkt von den Mitarbeitenden kommen. So erfahren die Studierenden wirklich, was die Personen in ihren Berufen machen, beispielsweise in der Sensortechnik oder anderen Bereichen.

Wie viele Zuschauer nehmen in der Regel an jedem Livestream teil?

Das ist natürlich etwas variabel. Bei sehr bekannten Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, wie z. B. BMW, haben wir teilweise über 1000 Anmeldungen von Studierenden, die den Livestream verfolgen möchten. Bei anderen Unternehmen, deren Marken nicht so bekannt sind, nehmen typischerweise zwischen 70 und 150 Studierende live am Livestream teil, je nachdem wie gezielt die Zielgruppe ist.

Und ist die Zielgruppe hauptsächlich die Generation Z?

Noch etwas spezifischer als die Generation Z. Unsere Zielgruppe umfasst primär Studierende, Absolventen und Young Professionals im White Collar Bereich.

Thomas Schulz weiß genau Bescheid, wie man die Zielgruppe Gen Z anspricht. Foto: CareerFairy

Thomas Schulz weiß genau Bescheid, wie man die Zielgruppe Gen Z anspricht.

Foto: CareerFairy

Zielgruppe mit ganz wenig Erfahrung

Warum konzentrieren Sie sich nicht auch auf Senior-Level, da diese wahrscheinlich eine ganz andere Ansprache oder Herangehensweise benötigen?

Man könnte sich auch auf Senior-Level konzentrieren. Allerdings sind diese Livestreams besonders effektiv für eine Zielgruppe, die noch wenig Berufserfahrung hat. Gerade für Studierende und Absolventen sind die Guidance und Einblicke besonders wertvoll, weil sie vielleicht nur ein kurzes Praktikum absolviert haben nach 3-5 Jahren Studium.

Vielleicht habe ich mal als Werkstudent gearbeitet, aber echte Einblicke von Ingenieuren oder Fachleuten in anderen Branchen zu erhalten und zu hören, wie deren Arbeitsalltag aussieht, ist besonders wertvoll, wenn man noch wenig oder gar keine Arbeitserfahrung hat. Natürlich, wenn man bereits 10-15 Jahre Berufserfahrung hat, hat man oft ein starkes professionelles Netzwerk aufgebaut. Man kann dann auf dieses Netzwerk zurückgreifen, um Erfahrungen und Perspektiven auszutauschen. Als Student oder Absolvent hat man jedoch oft noch kein solches Netzwerk, außer vielleicht ein paar Peers, die ebenfalls gerade erst ins Berufsleben starten.

Deshalb ist für mich CareerFairy auch eine Art Netzwerk innerhalb des Unternehmens. Es bietet mir die Möglichkeit, Einblicke und Mentoring zu erhalten, ohne dass ich diese Personen bereits kenne.

Sicherheit für Gen Z

Was ist für diese Generation Z besonders wichtig? Welche Fragen stellen sie und welche Werte sind für sie entscheidend, wenn sie nach einer Arbeitsstelle suchen?

Ich denke, es gibt zwei Hauptthemen, die man zusammenfassen kann. Das erste dreht sich alles um Sicherheit im Job und Benefits. Gehalt spielt dabei natürlich eine große Rolle, aber wir sehen es nicht so, dass die neue Generation unbedingt viel verdienen möchte, sondern eher als Sicherheitsfrage. Es geht darum, bei einem guten Arbeitgeber zu sein, der langfristige Sicherheit bietet. Das ist der erste Bereich, den wir stark sehen.
Der zweite Bereich umfasst Benefits wie Remote Work-Möglichkeiten, Weiterbildungschancen und wie der Job zu den persönlichen Interessen, dem Lifestyle und den Stärken der Studierenden passt. Hier ist es wichtig, dass Studierende von Personen mit ähnlichem Hintergrund erfahren, was sie in diesen Berufen erwartet und ob es ihnen Spaß machen könnte.

Gibt es Feedback dazu, wie viele Bewerbungen tatsächlich eingehen, nachdem ein solcher Livestream gelaufen ist und wie viele Personen davon das Unternehmen zuvor nicht kannten?

Recht viele, tatsächlich. Im Durchschnitt sehen wir, dass nach Livestreams, die bestimmte Stellen bewerben, sei es für Nachwuchsprogramme, Direkteinstiege oder Praktika, etwa 10-25% der Zuschauer sich daraufhin bewerben.

Multimodal sein und  ins „Reverse Recruiting” gehen

Welche Tipps kannst du Recruitern geben, die mit dieser Generation arbeiten?

Die Herausforderungen entstehen daher, dass diese neue Generation anders nach Jobs sucht als die vorherigen Generationen. Sie legt großen Wert auf Sicherheit, Benefits sowie den richtigen Fit zum Team und zur Position, und sie sucht nach Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung und Spaß an der Arbeit. Aus unserer Erfahrung heraus sind drei Schlüsselfaktoren besonders wichtig.

  • Punkt eins: Die Generation Z ist sehr multimedial unterwegs, also auf verschiedensten Portalen und Online-Kanälen. Man muss als Unternehmen präsent auf diesen Kanälen sein.
  • Punkt zwei: Es reicht nicht mehr, nur noch aufpolierte Karriereseiten zu haben, um diese Generation wirklich zu überzeugen.
  • Punkt drei: Es wird immer wichtiger, dass man als Unternehmen ins „Reverse Recruiting” geht und sich überlegt, wie man die eigenen Differenzierungsmerkmale (z.B. in der Unternehmenskultur) nutzen kann, um sich authentisch der Generation Z vorzustellen und dadurch jene zu gewinnen, die zu einem passen (und gleichzeitig jene aussortieren, welche weniger passen)

Welche Kanäle nutzt diese Generation zum Beispiel?

Das reicht von Instagram über TikTok bis zu Online-Karriereportalen. Es gibt viele verschiedene Kanäle, die diese Generation nutzt, um nach spannenden Arbeitgeberinformationen zu suchen. Besonders bei technischen Zielgruppen, wie ihr alle mit technischen Hintergründen wisst, ist es wichtig zu beachten, dass diese Generation nicht mehr nur durch physische Messen erreicht werden kann. Einige sind scheu oder haben vielleicht noch kein starkes Berufsnetzwerk aufgebaut, und sie können sich möglicherweise weniger selbstbewusst auf Karrieremessen präsentieren.

Also bedeutet das, dass sie eher zurückhaltend sind und lieber über digitale Kanäle kommunizieren möchten anstatt persönlich in Präsenz mit anderen zu sprechen?

Ja, das lässt sich nicht pauschalisieren. Unter den Technikern gibt es natürlich auch viele, die selbstbewusst auftreten. Doch ein Großteil bevorzugt es, sich zunächst digital vorinformieren zu können, bevor sie persönlich auf einer Veranstaltung auftreten. Sie möchten verstehen, worum es geht, bevor sie tiefer einsteigen. Wenn Recruiter sich nur auf physische Karrieremessen beschränken, könnten sie diese Zielgruppe verpassen.

Gap zwischen den traditionellen Ansprachekanälen und den heutigen Bedürfnissen der Generation Z

Und bedeutet das, dass sie sich zuerst informieren möchten, bevor sie entscheiden, ob das Unternehmen zu ihnen passt? Erst dann würden sie sich um die Stelle bewerben oder auf Karrieremessen gehen?

Genau. Denn man darf nicht vergessen, dass es immer noch so ist, dass ich als Maschinenbau-, Informatik- oder Elektrotechnikstudent vielleicht nur einmal im Jahr an meiner Hochschule auf eine Karrieremesse gehe, wo alle Unternehmen präsent sind. Wenn ich dort nicht so selbstbewusst bin oder nicht gut auf andere zugehen kann, dann ist es schwieriger für mich. Daher ist es wichtig, dass ich jeden Tag Einblicke in Formate bekommen kann, wo ich mich nicht sofort exposen muss, sondern passiv Informationen aufnehmen kann. Das ist besonders wichtig, um diese Zielgruppen zu erreichen.

Welche Herausforderung ist am schwierigsten bei der Arbeit mit dieser Zielgruppe, der Generation Z?

Die größte Herausforderung bei der Arbeit mit der Generation Z ist es, sie für sich zu gewinnen. Früher waren die Hauptkanäle zur Ansprache von Studierenden und Berufseinsteigern vor allem Jobportale und Karrieremessen. Doch heute suchen junge Talente anders nach Jobs. Für sie ist es entscheidend zu verstehen, ob ein Unternehmen wirklich zu ihnen passt, bevor sie sich bewerben.

Die Herausforderung liegt daher im Gap zwischen den traditionellen Ansprachekanälen, die oft noch aus einer Zeit stammen, als Talente leichter zu gewinnen waren, und den heutigen Bedürfnissen der Generation Z. Viele Unternehmen nutzen noch immer polierte Karriereseiten oder Marketingbilder, die jedoch nicht immer die nötige Transparenz bieten. Diese Generation schätzt authentische und transparente Kommunikation, um zu entscheiden, ob sie zu einem Unternehmen passen.

Eine der größten Herausforderungen ist daher die Frage nach einer transparenten Kommunikation. Viele Unternehmen neigen dazu, ihre positiven Seiten stark zu betonen, was jedoch zu Enttäuschungen führen kann, wenn die Realität nicht den Erwartungen entspricht. Es ist daher entscheidend, die eigenen Stärken und Schwächen als Unternehmen zu kennen und authentisch zu kommunizieren, um die richtigen Talente anzuziehen und langfristig zu binden.

Interaktiv und authentisch kommunizieren

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit dabei? Ich habe den Eindruck, dass gerade diese Werte für die Generation sehr bedeutsam sind.

Nachhaltigkeit spielt eine entscheidende Rolle. Unsere Erfahrung zeigt, dass diese Generation von Arbeitgebern ein gewisses Maß an Nachhaltigkeit erwartet. Es ist eine Grundvoraussetzung, die erfüllt sein muss. Unternehmen, die sehr nachhaltig agieren, können dabei eine spezielle Zielgruppe von Talenten besonders ansprechen. Andererseits ist es auch wichtig, negative Schlagzeilen durch mangelnde Nachhaltigkeit zu vermeiden, da dies die Rekrutierung qualifizierter Mitarbeiter erheblich erschwert.

Ich denke, was für diese Generation besonders wichtig ist, ist ein Umdenken seitens der Unternehmen. Es geht nicht mehr nur darum, mehr Geld in traditionelle Jobportale oder etablierte Kanäle zu investieren, die seit Jahrzehnten funktionieren. Vielmehr geht es darum, dieser Generation zu zeigen, was uns als Arbeitgeber einzigartig macht und warum wir für sie eine interessante Wahl sein könnten. Wir nennen das Reverse Recruiting.

Das bedeutet, dass Unternehmen nicht mehr nur selbst darstellen, wer sie sind, sei es auf ihrer Karriereseite oder anderswo. Es geht vielmehr darum, interaktiv und authentisch zu kommunizieren, warum es für potenzielle Mitarbeiter spannend sein könnte, gerade bei uns zu arbeiten. Dabei ist es wichtig, Mitarbeiter aktiv einzubinden und ihre Leidenschaft und Motivation für das Unternehmen sichtbar zu machen. Statt eines rein passiven Ansatzes geht es also darum, einen aktiven Dialog zu führen und zu zeigen, was uns als Arbeitgeber auszeichnet und warum es für die potenziellen Mitarbeiter interessant sein könnte, Teil unseres Teams zu werden.

In unseren Livestreams zeigen Mitarbeitende tatsächlich, mit wem sie zusammenarbeiten und woran sie arbeiten. Dadurch erzeugen sie einen ähnlichen Effekt wie Influencer, indem sie Einblicke in das Unternehmen geben und zeigen, was es ausmacht. Sie transportieren sozusagen das innere Arbeitsleben nach außen und geben potenziellen Bewerbern einen authentischen Einblick, warum sie sich bei diesem Unternehmen bewerben sollten.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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