Transformation 30.07.2022, 09:24 Uhr

Industrie 4.0: Was ist das? Und was heißt das für künftige Jobs?

Ist die Industrie 4.0 das neue Wirtschaftswunder? Tatsächlich wird das Zukunftsprojekt allmählich konkret. Doch was genau heißt Industrie 4.0 genau? Was für Beispiele gibt es? Und wie wirkt sich das auf die Arbeit der Zukunft aus?

Die Industrie 4.0 wird den Arbeitsmarkt verändern. Foto: Panthermedia.net/Gorodenkoff

Die Industrie 4.0 wird den Arbeitsmarkt verändern.

Foto: Panthermedia.net/Gorodenkoff

Was ist Industrie 4.0?

Industrie 4.0 ist eine der wichtigsten wirtschaftlichen Entwicklungen im bisherigen 21. Jahrhundert. Unter dem Begriff kann man die gesamte Digitalisierung im produzierenden Gewerbe zusammenfassen. Näher betrachtet bezeichnet Industrie 4.0 die möglichst intelligente und effiziente Vernetzung von Maschinen und Arbeitsprozessen in der Industrie mit Hilfe von Informationstechnologie.

Diese Vernetzung ist nicht auf bestimmte Wirtschaftsbereiche beschränkt, sondern durchzieht nahezu alle Industrien inklusive Automobil, Maschinenbau und Elektrotechnik. Auch die Technologien, die dabei zum Einsatz kommen, sind vielfältig, Industrie 4.0 ist branchen- und technologieübergreifend. Maschinen kommunizieren miteinander, aber auch die Mensch-Roboter-Kommunikation gewinnt an Bedeutung. Virtuelle und reale Welt ergänzen sich und interagieren über viele Schnittstellen miteinander.

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Ursprung des Begriffs

Die Vision einer Industrie 4.0 wurde der Öffentlichkeit zum ersten Mal auf der Hannover Messe im Jahr 2011 vorgestellt. Geprägt wurde der Begriff damals von einem Expertengremium, das die Bundesregierung zur Zukunft des High-Tech-Standortes Deutschland beriet. Daraufhin ist der Name in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen und hat sich als Sammelbegriff für vernetzte Maschinen, Produkte, Informations- und Kommunikationssysteme etabliert.

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Historische Einordnung

Industrie 4.0 beschreibt eine Transformation in der Industriegeschichte. Experten sehen sie als vierten großen technologischen Durchbruch seit der Erfindung der Dampfmaschine, die am Ende des 18. Jahrhunderts die industrielle Revolution einläutete. Das Fließband- und die Massenproduktion zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren der zweite große Um- und Durchbruch, der dritte der Beginn des digitalen Zeitalters in den 1970er Jahren.

Warum ist die Industrie 4.0 so wichtig?

Unternehmen kann die Industrie 4.0 gewaltige Vorteile bescheren. Sie verspricht Produktivitätsgewinne und eine größere Flexibilität. Daten und Informationen können in Echtzeit und automatisiert weitergegeben, Arbeitsschritte beschleunigt, Zeit und Kosten gespart werden. Auch die Einführung neuer oder die Weiterentwicklung bestehender Produkte wird potenziell vereinfacht.

Das sind die größten Vorteile von Industrie 4.0:

  1. Produktivität

    Vernetzte und flexible Arbeitsschritte in der Industrie verheißen vor allem Kosteneinsparungen. Aus der Zentralsteuerung von Maschinen wird Selbststeuerung. Smarte Systeme können den bestmöglichen Ressourceneinsatz planen, die Fehlerquote bei monotonen Tätigkeiten senken, Material einsparen und Abfall vermeiden, Überproduktion, Unterproduktion und Zeitengpässe minimieren. Tatsächlich sehen einer Yougov-Umfrage zufolge fast 82 Prozent der Unternehmen eine Effizienzsteigerung als wichtigen Vorteil.

  2. Flexibilität

    Die Massenproduktion hat viele Produkte im vergangenen Jahrhundert extrem verbilligt. Auch nach der vierten industriellen Revolution wird Massenanfertigung weiterhin Standard sein. Gleichzeitig aber macht die Industrie 4.0 Einzelanfertigungen möglich – und damit ein höheres Maß an Individualismus und Experimentierfreude. Denkbar sind Einzelstücke, Klein- und Kleinstserien, um wichtige Kunden zu beglücken oder sich testweise in neue Absatzmärkte vorzuwagen. Unternehmen können stärker auf Kundenwünsche eingehen und ganz neue Geschäftsmodelle entwickeln, Produkt- und Servicequalität auf ein neues Level heben.

  3. Arbeitskraft

    Menschliche Arbeitskraft war noch nie so begehrt wie heute – und gleichzeitig noch nie so entbehrlich. Maschinen, Rechner und Roboter nehmen den Mitarbeitenden aus Fleisch und Blut in der Industrie 4.0 lästige Monotonaufgaben ab, machen Kapazitäten für Denk- und Serviceleistungen frei. Auch flexible Arbeitszeiten rücken für immer mehr Werker in Reichweite, eine angenehmere Freizeit- und Familienplanung inklusive. Die Arbeit wird den Menschen in der Industrie 4.0 nicht ausgehen. Dennoch können automatisierte Prozesse den Unternehmen helfen, Fachkräftemangel und Arbeiterlosigkeit abzufedern.

Was gehört alles zu Industrie 4.0?

Industrie 4.0 ist ein abstrakter Begriff. Auf diese Weisen füllen ihn die Unternehmen mit Leben:

  • Smart Factory

    In einer intelligenten Fabrik sind Menschen, Maschinen, Anlagen und Produkte miteinander vernetzt. Über Sensoren oder RFID-Chips kommunizieren sie unentwegt miteinander. Automatisiert entstehen so unterschiedlichste Industriewaren. Das herstellende Unternehmen gewinnt dadurch an Produktivität, Wandlungsfähigkeit, Ressourceneffizienz und Wettbewerbsfähigkeit.

  • Supply Chain 4.0

    Nicht nur innerhalb einer Fabrik können Herstellungsschritte vernetzt und automatisiert werden, sondern auch firmenübergreifend. So entstehen aus Wertschöpfungsketten, wie wir sie heute kennen, ganze Wertschöpfungsnetzwerke. Die Verzahnung stellt sicher, dass Waren jederzeit rückverfolgt werden können, in der Logistik etwa. Die Verfügbarkeit und Weitergabe von Daten ist dafür Grundvoraussetzung, aber nicht unproblematisch.

  • Digitale Zwillinge

    Wenn es von realen Objekten wie Maschinen, Werkzeugen, Sensoren oder Werkstücken virtuelle Kopien im Internet gibt, spricht man von digitalen Zwillingen. Ihr großer Vorteil besteht darin, dass Unternehmen Änderungen in der Produktion virtuell durchspielen – und damit Fehler und unerwünschte Folgen von vornherein erkennen und vermeiden – können. Das sorgt für reibungslose Prozesse ohne stillstehende Bänder und andere Bottlenecks.

  • Internet of Things

    Das Internet of Things ist selbst – wie Industrie 4.0 auch – ein Oberbegriff. Gemeint sind damit reale Objekte, die über Sensoren, Software oder andere Technik Daten mit dem Internet austauschen und so zum Leben erwachen. Beispiele sind Smart-Home-Anwendungen wie Saugroboter, Lichtsteuerung, Smart TV oder vernetzte Alarmanlagen. Für die Industrie bietet das Internet of Things ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an möglichen Anwendungsfällen, Lösungen und Geschäftsmodellen.

  • Smart Products

    Die Industrie 4.0 hat das Potenzial, Wegwerfprodukte in smarte Produkte zu verwandeln – ohne die Einnahmeseite des produzierenden Unternehmens zu beschädigen. Vielmehr kann der Betrieb den Produktlebenszyklus durch den intelligenten Einsatz von Daten vollständig abdecken und monetarisieren, von der Entwicklung über die Fertigung, Nutzung, Wartung bis hin zum Recycling. Das Unternehmen kann ergänzende Services verkaufen, die vorausschauende Wartung von Anlagen etwa, oder durch Abonnements stabile Einnahmen generieren.

  • Datenbasierte Geschäftsmodelle

    Wenn künstliche Intelligenz (KI) eine Vielzahl an Daten auswertet und nutzbar macht, dann rücken innovative Geschäftsmodelle in greifbare Nähe. Schon heute ist der Einsatz Big Data für zahlreiche Tech-Unternehmen eine Selbstverständlichkeit – und Voraussetzung für ihren geschäftlichen Erfolg. Auch produzierende Unternehmen aus verschiedenen Industrien können ihre Wertschöpfung erhöhen, müssen aber Datenschutz und Datensicherheit stets mitdenken.

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Was sind die Nachteile von Industrie 4.0

Industrie 4.0 ist ein mächtiger Transformationsprozess, der gerade erst begonnen hat. Eine weitgehende Automatisierung ist ein Teilziel, wird aber keineswegs vollautomatisch per Knopfdruck vonstatten gehen. Vielmehr ist die Umstellung mit erheblichen Mühen und Investitionen verbunden. Die Industrie 4.0 ist – aller Verheißungen am Horizont zum Trotz – zunächst eine immense wirtschaftliche Herausforderung – und für viele Beschäftigte ein Drohszenario.

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Status Quo

Viele Unternehmen haben Probleme mit der Einführung und Umsetzung vernetzter Systeme. Im Jahr 2019 lag der Anteil der produzierenden Unternehmen, die bereits konkrete Industrie 4.0-Projekte umgesetzt haben, laut einer Studie des Beratungsunternehmens Staufen AG und Staufen Digital Neonex nur bei 60 Prozent. In einer europaweiten Umfrage des Marktforschungsinstituts Yougov unter rund viereinhalbtausend Entscheidern im Winter 2021 gab sogar weniger als ein Viertel der Befragten an, dass ihr Unternehmen bereits mit der Transformation begonnen hat. Über eine Strategie verfügt weniger als die Hälfte der Unternehmen. Weit vorangeschritten auf dem Weg hin zur Industrie 4.0 war demnach nur jedes zehnte.

Das sind die größten Probleme von Industrie 4.0:

  • Kosten

    Auf die Unternehmen kommen mehrere Kostenblöcke zu. Ein Teil des Budgets fließt in die benötigte Software, andere Teile in die Beratung und in die Einführung der Systeme. Hinzu kommen die Personalkosten: Innovative Prozesse erfordern neuartiges Knowhow, welches entweder extern eingekauft – durch neue Mitarbeiter oder externe Dienstleister – oder intern aufgebaut werden muss. Auch die kontinuierliche Weiterbildung von Mitarbeitenden ist kostspielig. Die Faktoren Zeit und Geld sind für die meisten Unternehmen laut Yougov-Umfrage die größten Hindernisse auf dem Weg zur Industrie 4.0.

  • Personalmangel

    Fachkräfte stellen in Deutschland und der gesamten westlichen Welt schon heute ein Luxusgut dar, erst recht Fachkräfte in Bereichen wie IT und Ingenieurwissenschaften. Dieses Problem wird sich durch die Industrie 4.0 eher noch verschärfen. Unternehmen müssen für Experten, die ihnen auf dem Weg zum vernetzten, intelligenten, automatisierten Industriebetrieb helfen, tief in die Tasche greifen. Darüber hinaus werden die Hochschulen erst noch Studiengänge, die die Bedürfnisse der Industrie 4.0 abdecken, in nennenswerter Zahl aufbauen müssen. Parallel steigt der Weiterbildungsbedarf für die, die schon da sind. Beschäftigte müssen informiert, geschult, gebrieft werden — und Fehler im Umgang mit den neuen Technologien machen dürfen. All das kostet Geld.

  • Datenschutz

    Damit Systeme vernetzt agieren können, benötigen sie Daten. Für datenbasierte Geschäftsmodelle gilt es speziell in Deutschland große Hürden zu überspringen. In einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und von IW Consult unter circa 500 überwiegend mittelständischen Unternehmen gaben fast 91 Prozent der Befragten an, Sorge vor einem unautorisierten Zugriff Dritter auf die Daten zu haben. Auch datenschutzrechtliche Grauzonen (85 Prozent) sowie unklare Nutzungsrechte an den Daten (84 Prozent) sind Hindernisse. Insgesamt sagten mehr als 60 Prozent, dass die verschiedenen Hemmnisse sie von einer stärkeren Datennutzung im Unternehmen abhielten.

Auswirkungen auf Arbeitsplätze

Die Industrie 4.0 wird auch die Arbeitswelt der Zukunft prägen. Tiefgreifenden Wandel wird es nicht nur in Werkshalle und Produktionsstätte, sondern auch in Bereichen wie Verwaltung, Logistik, Marketing, Vertrieb und Finanzen geben. Auf der einen Seite könnten einfache und monotone Tätigkeiten vermehrt wegfallen, auf der anderen Seite neue, hochqualifizierte Berufe und Aufgabenprofile entstehen. Sicher scheint, dass insbesondere der Bedarf an Coaching- und Beratungsdienstleistungen zunehmen wird.

Gefährdete Jobs durch Automatisierung

Laut der – äußerst populär gewordenen – Arbeit der Oxford-Wissenschaftler Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne aus dem Jahr 2013 sind 47 Prozent aller Jobs stark gefährdet, von der Bildfläche zu verschwinden – Automatisierung könne sie in Zukunft überflüssig machen. Darunter sind viele Berufe, die Routinetätigkeiten oder körperlich anstrengende Arbeit umfassen und keinen hohen Schulabschluss oder Bildungsgrad erfordern. Gleichzeitig werden mehr Menschen benötigt, die die Maschinen entwickeln, programmieren und erklären.

Neue Arbeitsplätze durch Industrie 4.0

In einer Studie von 2015 sagte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) voraus, dass die Industrie 4.0 vermutlich weder zu einem massenhaften Beschäftigungsabbau noch zu einem großen Jobaufschwung führen wird. Dafür komme es zu einer deutlichen Umschichtung von Arbeitsplätzen. 490.000 Arbeitsplätze gehen im Basisszenario des IAB innerhalb von zehn Jahren verloren, zum Beispiel für Maschinenbediener, während anderweitig 430.000 neu geschaffen werden, insbesondere in IT-Berufen, in der Unternehmensberatung, Lehr- und Bauberufen.

Welche Fähigkeiten sind in der Industrie künftig gefragt?

Die Industrie 4.0 erfordert ein hohes Ausbildungsniveau. Ein Studium in einem technisch-naturwissenschaftlichen Fach – sei es Maschinenbau, Elektrotechnik oder Informatik – bleibt weiterhin ein solides Fundament für eine erfolgreiche Karriere in der Industrie. Auch sogenannte Bindestrich-Fächer oder Hybrid-Studiengänge, die verschiedene Disziplinen kombinieren, sind eine bedenkenswerte Option, um sich zukunftsfest aufzustellen.

4 wichtige Kompetenzfelder

Auch das gerne aufgesagte Mantra vom lebenslangen Lernen wird die Beschäftigten weiter begleiten. Vernetzte Maschinen geben immer neue Rätsel auf und machen neue Wege und Lösungen möglich – ausgelernt hat man in diesem Umfeld nie. Experten verweisen häufig darauf, dass eine Kombination aus fachlichen Kompetenzen, Daten- und IT-Kompetenz, sozialer Kompetenz und personaler Kompetenz nötig sei, um im modernen Arbeitsumfeld beste Perspektiven zu haben. Soziale Kompetenzen umfassen Skills wie Teamfähigkeit, Führungskompetenz, interkulturelle Kompetenzen und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Zu den personalen Kompetenzen werden beispielsweise Selbstorganisation und Zeitmanagement, Eigenverantwortung und Reaktionsgeschwindigkeit gezählt.

Diese Fähigkeiten werden in der Industrie 4.0 eine größere Rolle spielen:

  • IT Kenntnisse
  • Datenkenntnisse
  • Methodenkompetenzen
  • Kreativität
  • Innovationsfreude
  • Flexibilität
  • Analytisches Denken
  • Soziale Kompetenz
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Beratungskompetenz
  • Führungskompetenz
  • Lernbereitschaft
  • Interkulturelle Kompetenzen
  • Empathie
  • Verantwortung
  • Selbstmotivation
  • Selbstmanagement
  • Problemlösungskompetenz

Ein Beitrag von:

  • ingenieur.de

    Technik, Karriere, News, das sind die drei Dinge, die Ingenieure brauchen.

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