Heiko Mell 02.01.2016, 12:41 Uhr

Von der Technik in den Vertrieb?

Ich bin Mitte 30, seit zehn Jahren bei einem Maschinenbaukonzern tätig. Nach meiner Diplomarbeit dort wurde ich als Konstruktionsingenieur eingestellt. Das war eine spannende Zeit, in der ich sehr viel gelernt habe, unterstützt durch einen hervorragenden Teamleiter, der sehr viel Wissen weitergegeben hat. Im Laufe der Zeit wurde mir die Verantwortung für die Entwicklung eines konkreten Produkts übertragen, die erfolgreich bis zum Testlauf vollendet wurde.

Parallel dazu habe ich in dieser Zeit ein berufsbegleitendes BWL-Studium abgeschlossen. Als im Service-Bereich eine Teamleiter-Stelle frei wurde, bewarb ich mich erfolgreich darum. Ich führte eine Handvoll Mitarbeiter fachlich und fühlte mich sehr wohl in dieser Position. Auch mein neuer Vorgesetzter war sehr zufrieden und übertrug mir schnell wichtige Aufgaben. Vor einigen Jahren wurde der Service umstrukturiert, mein Vorgesetzter stieg auf, ich bekam seine Abteilungsleiterstelle. Seitdem führe ich etwa zehn bis zwanzig Mitarbeiter in mehreren Teams disziplinarisch. Ich habe viel dazu gelernt, das Feedback von meinem Chef ist nach wie vor sehr gut. Er ist weiter an meiner Förderung interessiert. Hierbei weist er häufig darauf hin, dass ich auch offen für eine Tätigkeit im Vertrieb sein sollte, was ich mir auch vorstellen kann.
Nun bietet sich intern eine Möglichkeit, mich um eine Leitungsposition im Vertrieb zu bewerben.

Ich traue mir das zu, auch wenn ich weiß, dass Vertrieb ohne richtige Vertriebserfahrung eine Herausforderung ist. In meiner heutigen Position habe ich das nötige Selbstvertrauen, weil ich unsere Technik von der Pike auf gelernt habe. Das fehlt mir im Vertrieb gänzlich, auch wenn ich häufig den Kontakt zum Kunden habe.

1. Welche Vorgehensweise empfehlen Sie bei einem solchen Schritt: Ist dort direkt die Übernahme einer Leitungsposition möglich oder ist es empfehlenswert, sich dort erst einmal „unten“ einzuarbeiten und sich auf der Basis von Persönlichkeit und Erfahrung schnell für Höheres anzubieten?

2. Ich fühle mich heute sehr wohl, merke aber, dass ich die neue Herausforderung suche. Falls ich die in unserem Vertrieb finde: Wie attraktiv bin ich dann – vorausgesetzt ich erfülle die Anforderungen nach drei bis fünf Jahren – für externe Unternehmen? Eine dritte Station nach Entwicklung/Neubau und Service im Vertrieb klingt gut, aber wie empfehlenswert ist es, diese Erfahrung in einem anderen Unternehmen zu machen?

Antwort:

Ihre Situation in einem Satz: Alles läuft gut, aber Sie glauben, Sie könnten noch „mehr“. Das ist erlaubt – und wann sollte man so denken, wenn nicht in Ihrem Alter?

Reden wir erst einmal darüber, was man im Regelfall in Ihrer Situation machen würde: Man würde sich – nach zehn Jahren völlig normal im Sinne von üblich – extern um eine deutlich größere Verantwortung im aktuellen Fachgebiet (das ist Service!) bemühen. Beispiele: eine Position wie sie Ihr heutiger Chef hat in einem Teilbereich eines anderen Konzerns oder „Leiter Service“ eines ganzen (vielleicht eines größeren mittelständischen) Unternehmens. Dieses Vorgehen muss Maßstab sein.

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Dazu muss man wissen: Die Entwicklungslinien eines Angestellten und eines Unternehmens laufen eine Zeit lang parallel – man passt zueinander –, dann streben sie sehr oft auseinander (z. B. nach der neuesten Umstrukturierung oder weil der Angestellte jetzt Positionen anstrebt, die es dort nicht gibt oder die gerade nicht frei sind). Man ist heute nicht mehr mit einem Unternehmen „verheiratet“ („bis dass der Tod uns scheidet“), sondern ist eher Lebensabschnittsgefährte. Auch Sie denken in Frage 2 solch einen Schritt an, wenn auch erst für einen späteren Zeitpunkt.

Ihr möglicher Wechsel in den Vertrieb ist intern deutlich leichter als extern. Intern sind Sie eine „mehrfach bewährte Führungskraft, die das Haus und die Produkte genau kennt und die sie sehr gut beurteilen können – nur ob sie verkaufen können, ist noch nicht sicher“. Intern macht man solche Experimente schon einmal. Extern nicht, vergessen Sie das völlig.

Dann gilt (in- wie extern): Einen einmal errungenen Führungsstatus gibt man nur im äußersten Notfall wieder auf. Sie sind kein solcher Notfall – also gewechselt darf nur werden, wenn Sie „Leiter“ bleiben.

Übrigens spricht die interne Stellenausschreibung im Vertrieb von der Leitung eines „Teams“ (Teamleiter) mit etwa einem Drittel Ihres heutigen Führungsumfangs – also der Schritt wäre schon ziemlich gewagt und würde gehaltliche Einstufungsprobleme aufwerfen.

In Ihrer ganzen Argumentation fehlt mir ein Argument, das etwa so lauten müsste: „Ich will jetzt unbedingt verkaufen und ich bin überzeugt, dass genau dort meine zentrale Leidenschaft und Begabung liegen.“

So ganz habe ich noch nicht verstanden, was Sie in dieser „Abstiegsposition“ im Vertrieb eigentlich wollen. So etwas könnte man machen, wenn da ein Sie förderndes Vorstandsmitglied wäre, das Ihnen aufzeigt: „Sie sind Hoffnungsträger unseres Geschäftsbereiches. Sie haben Entwicklung gemacht, jetzt machen Sie Service, nun bewähren Sie sich unter meiner schützenden Hand noch im Vertrieb, dann könnten Sie eines Tages den Geschäftsbereich (oder ein anderes Segment) leiten.“ So etwas gibt es, aber das fehlt mir hier.

Bedenken Sie auch, dass man in jedem neuen Engagement scheitern kann. Übernähmen Sie irgendwann eine größere Position im Service, müssten Sie mit einem solchen Risiko leben, Sie dürften sich davor nicht fürchten. Aber Vertrieb ohne jede Erfahrung? Service ohne dafür begabt zu sein ist misslich, aber Vertrieb ohne Verkaufsbegabung ist eine Katastrophe. Es heißt in der internen Ausschreibung in der Positionsbeschreibung: „Verantwortung für den Aufbau eines Kundenstammes“. Das bedeutet fast so etwas wie Kaltakquise, nicht jeder kann das!

Wenn Sie aber nach ein bis zwei Jahren in dem neuen Gebiet des Vertriebs gescheitert wären, stünden Sie ziemlich „im Regen“: Ihre Entwicklungserfahrung wäre dann völlig tot, Service hätten Sie erkennbar nicht mehr machen wollen und Vertrieb hätten Sie ja offensichtlich nicht gekonnt.

 

Vorsichtshalber noch ganz konkret zu Ihrer Frage 1:

Wenn man Ihnen intern eine halbwegs adäquat bezahlte Führungsposition im Vertrieb gibt, könnten Sie den Schritt immerhin wagen. Fünf Jahre später könnten Sie dann – vielleicht(!) – dort Abteilungsleiter sein und damit wieder so weit wie heute. Welch ein Fortschritt! Das wäre nur zu verantworten, wenn Sie plötzlich von der „Erkenntnis“ überwältigt worden wären, Ihr eigentliches Talent läge im Vertrieb – und Sie müssten das unbedingt jetzt um jeden Preis ausleben.

Sollten Sie im Vertrieb klein anfangen und mühsam auf „Höheres“ hinarbeiten und das Höhere wird nichts, dann wären Sie ziemlich arm dran, diese Idee taugt nicht für Abteilungsleiter.

 

Zu 2.: Externe Bewerbungsempfänger lieben keine Fachgebietswechsler, schon gar nicht auf Führungsebene. Und nein: Ein dritte Station nach Entwicklung und Service klingt in externen Ohren nicht gut – dort liebt man Kandidaten, die nachweisbare einschlägige Erfahrungen in dem Bereich haben, der dort ansteht. Dabei ist allerdings „Aufstieg“ und/oder „mehr Geld“ erlaubt, aber bitte im beherrschten Fachgebiet.

PS. Wenn Sie es hätten ganz regelgerecht machen wollen, dann hätten Sie schon damals eher nach einer Teamleitung in der Entwicklung streben sollen. Durch jenen Wechsel sind Sie eher auf eine interne als auf eine externe Karriereschiene gekommen. Ein interner Wechsel in den Vertrieb würde Sie noch stärker in dieser Richtung festlegen und Sie an dieses Unternehmen binden.

Kurzantwort:

Service für Querleser:
Intern geht mancher Fachgebietswechsel, der extern nicht nur nicht möglich wäre, sondern auch später bei Bewerbungen nicht verstanden würde.

Frage-Nr.: 2835
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 38
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2016-09-22

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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