Heiko Mell 02.01.2016, 01:40 Uhr

Sollte der Aufstieg vom Werkstudenten zum Angestellten im Arbeitszeugnis stehen?

Frage: Nach nunmehr sieben Beschäftigungsjahren bei meinem ersten Arbeitgeber und dem erfolgreichen Abschluss eines umfangreichen Projekts denke ich über einen Wechsel nach. Erste konkrete Angebote liegen mir bereits vor.
Bereits während meines Studiums war ich bei meinem derzeitigen Arbeitgeber als Werkstudent beschäftigt. Mein heutiger Gruppenleiter war schon damals hier tätig, mein heutiger Abteilungsleiter noch nicht. Ich habe ein eigenes Zeugnis über meine Werkstudententätigkeit.
Jetzt wird dann mein erstes „richtiges“ Arbeitszeugnis fällig.

1. Inwieweit kann man fordern/wünschen, dass im Arbeitszeugnis steht „… durch seine fachlichen und persönlichen Fähigkeiten (bekannt durch seine Tätigkeit als Werkstudent) konnten wir Herrn Maier bedenkenlos in ein festes Arbeitsverhältnis übernehmen …“?

2. Ist es sinnvoll, dies in ein Zeugnis aufzunehmen?

3. Würde das in etwa wie eine „Beförderung“ innerhalb der Firma gesehen?

4. Inwieweit kann mein heutiger Abteilungsleiter dies überhaupt beurteilen, da er mich ja zu meiner Studentenzeit selbst gar nicht erlebt hat?

5. Erfahrungsgemäß ist mein Abteilungsleiter wenig zuverlässig, was das Erstellen von Arbeitszeugnissen angeht. Er unterzeichnet aber bereitwillig vorgefertigte Entwürfe. Ist das Verfassen seiner eigenen Beurteilung nicht eher kritisch zu sehen?

Antwort:

Sie haben mich nicht angegriffen, mich nicht einmal geärgert. Im Gegenteil, Ihre Zuschrift beginnt sogar mit dem fast obligatorischen Lob für meine Arbeit, das ich oft schon gar nicht mehr abdrucke. Wenn ich also jetzt ein bisschen kritisch werde, dann wirklich nur als Versuch, Ihnen zu helfen. Damit Sie sich selbst besser einschätzen, damit Sie sich mit den Augen der anderen sehen, Erfolge besser „einfädeln“ und Misserfolge sicherer vermeiden können.

Ich glaube, dass Sie auf Ihrem Gebiet tüchtig sind. Sie sind gründlich, gewissenhaft, durchdenken alles vorher, handeln überlegt. Aber Sie sind auch überdurchschnittlich umständlich, sehen Berge, wo Hügelchen sind, denken kompliziert. Ihnen fehlt es vermutlich ein wenig an einem Aspekt, den man „die Leichtigkeit des Seins“ nennen könnte – gefährlich, sofern im Übermaß vorhanden, aber dem Erfolg doch abträglich, wenn gänzlich fehlend. Es ist wie mit dem Salz in der Suppe. Überprüfen Sie diesen meinen Verdacht einmal, indem Sie sich vorstellen, was wohl Ihr Gruppen- und Ihr Abteilungsleiter dazu sagen würden … Sofern ich recht habe, kann ich mit diesem Hinweis mehr für Sie tun als mit noch so tollen Antworten auf Fragen. Und natürlich wollen Sie eine Begründung. Ich riskiere es:

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Sie haben doch schon ein Zeugnis über Ihre Werkstudententätigkeit, das Sie jeder Bewerbung beifügen können. Warum kümmert es Sie dann, ob Ihr heutiger Vorgesetzter Sie als Werkstudent (das muss mehr als sieben Jahre zurückliegen) beurteilen kann oder nicht?

Sie scheinen darunter zu leiden, dass es in jenen sieben Jahren keine Beförderung gab – das ersatzweise Heranziehen des „Sprungs“ vom Werkstudenten zum Angestellten ist zu weit „um die Ecke gedacht“.

Ja und dann manchen Sie sich Gedanken über die Zuverlässigkeit Ihres Chefs und kritisieren, dass er dazu neigt, ihm vorgelegte Entwürfe abzunicken. Na und? Dann entwerfen Sie eben auch, lassen abzeichnen und haben problemarm ein gutes Zeugnis erreicht. Dass Ihr Chef das eigentlich nicht tun sollte, ist Sache seines Chefs, nicht Ihre.

Zu den konkreten Fragen: Sie können, da Sie über die Werkstudententätigkeit ein eigenes Dokument haben, jetzt problemlos auf die Erwähnung jener „Vorgeschichte“ verzichten. Üblich wäre jedoch eine Formulierung wie folgt im einleitenden Satz Ihres kommenden Endzeugnisses:

„Herr Max Maier, geboren am …, trat am … als Entwicklungsingenieur in unser Unternehmen ein, nachdem er bereits vorher als Werkstudent bei uns tätig gewesen war (über diese Tätigkeit liegt ein eigenes Zeugnis vor).“ Und dann geht es nur noch um Ihre Anstellung als fertiger Ingenieur.

Nein, eine Art Beförderung sieht der Leser in dieser „Aufwertung“ des Anstellungsverhältnisses vom Werkstudenten zum Ingenieur nicht. Wichtiger ist heute, dass Sie in sieben langen Angestelltenjahren nicht entlassen wurden (aber auch nicht befördert).

Überhaupt ist die Werkstudentenzeit aus heutiger Sicht so lange her, dass sie gegenüber den folgenden Jahren praktisch keine Rolle mehr spielt. Jene erste Berührung mit dem Unternehmen mag Ihnen damals den Einstieg als Jungingenieur dort erleichtert haben. Damals. Mehr ist nicht. Die Werkstudentenzeit zählt nicht einmal im Lebenslauf zur Dienstzeit in diesem Hause.

Ich kann das alles auch prägnanter sagen: Es ist keine Auszeichnung, als ehemaliger Werkstudent nach Studienende in diesem Hause angestellt zu werden. Es ist nicht mehr als selbstverständlich, sich als Werkstudent so gut zu führen, dass das Unternehmen gerne eine feste Anstellung anbietet.

Kurzantwort:

Werkstudenten-Tätigkeiten dienen dem Unternehmen auch (oder vorrangig) zum Kennenlernen künftiger Akademiker. Es ist selbstverständlich, aber keine Auszeichnung, diesen Test zu bestehen und den Arbeitgeber zu überzeugen (ob man sein Angebot annimmt, ist ein anderes Thema).

Frage-Nr.: 2295
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 10
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2009-03-04

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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