Heiko Mell 02.01.2016, 01:21 Uhr

Ich kann eine Gewinnbeteiligung am Unternehmen aussehen?

Als Maschinenbauingenieur arbeite ich in einem noch sehr kleinen Unternehmen. Wir besetzen eine Nische, sind sehr innovativ und haben gute Wachstumschancen. Ich bin verantwortlich für Vertrieb und Entwicklung und werde im wachsenden Unternehmen eine Führungsrolle einnehmen, also voraussichtlich in drei bis fünf Jahren in die Geschäftsführung aufsteigen. Heute ist der Eigentümer alleiniger Geschäftsführer.

Unser Umsatz könnte in den nächsten Jahren um das Zwei- bis Dreifache steigen. Ich habe nicht unerheblichen Anteil an dieser Entwicklung, die Geschäftsführung möchte dies honorieren und mich am Gewinn beteiligen. Gleichzeitig mit diesem Vorschlag kam der Hinweis, dass noch offen ist, wie das geregelt werden könnte – denn aus steuerlichen Gründen wird meistens versucht, den Gewinn klein zu halten, was natürlich meine Erträge schmälern würde. Ich bin nun aufgefordert, meinerseits Vorschläge zu bringen, wie ich mir eine Beteiligung vorstelle.

Deshalb wende ich mich mit der Frage an Sie, ob Sie Beispiele oder Möglichkeiten für solche Regelungen kennen? Ich bin unerfahren darin und habe nur die Idee, dass eine Kombination aus Umsatz- und Gewinnbeteiligung getroffen werden sollte. Können Sie mir auch Anhaltspunkte für die Höhe der Anteile nennen, die üblicherweise vereinbart werden?

Antwort:

Das ist ein ganz, ganz heißes Eisen. Unbedacht getroffene Vereinbarungen haben schon zu großen Problemen oder sogar zu völlig zerrütteten Verhältnissen innerhalb der Führungsmannschaft geführt. Auch zur Information der anderen Leser liste ich erst einmal die wichtigsten „Fallen“ auf, die sich hier verbergen:

1. Gerade ein kleines Unternehmen in der Startphase ist von – teilweise erheblichem – Wachstum „bedroht“. Das bedeutet: Was gestern noch angemessen erschien, hat morgen plötzlich eine Dimension erreicht, von der man vorher nicht einmal geträumt hatte:

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1.1 So gibt man vielleicht dem ersten leitenden Mitarbeiter 20 % des Gewinns oder sogar als (Gesellschafts-)Anteil an der ganzen Firma. Drei Jahre später sind noch zwei Manager wichtig, sollen auch beteiligt werden, dürfen aber gegenüber dem ersten nicht benachteiligt werden. Also müssten sie auch jeder 20 % bekommen. Damit hätte der Eigentümer plötzlich nur noch 40 %, der Rest wurde „verschenkt“. So hatte er sich das aber nicht gedacht!

1.2 Die beispielhaften 20 % des Gewinns für den ersten angestellten Manager führen in der Gründungsphase vielleicht zu einem Gesamteinkommen von 80.000 EUR – und alle sind glücklich. Nach ein paar Jahren explodieren Umsatz und Gewinn – und der Mitarbeiter mit den 20 % erzielt plötzlich 300.000 EUR pro Jahr. Ja, alles was recht ist, das ist dem Eigentümer denn doch zuviel, auf dem Markt bekäme er diese Leistung für den halben Preis. Also ärgert er sich.

1.3 In beiden Fällen müsste man mit dem Mitarbeiter über Reduzierungen reden. Auch wenn die sich daraus ergebende Gesamtsumme in ihrer absoluten Höhe immer noch angemessen wäre – für den deutschen Arbeitnehmer ist jede Reduzierung irgendetwas zwischen undenkbar und des Teufels. Für Chefs gilt daher eine eiserne Regel: Sei vorsichtig mit dem, was du gewährst, du kommst nie wieder davon runter.

2. Die Übertragung echter Gesellschaftsanteile, ob verkauft oder geschenkt, ist schon deshalb problematisch, weil der Grund-(Arbeits-)Vertrag mit dem Angestellten eine beiderseitige Kündigungsmöglichkeit vorsieht. Der Mitarbeiter könnte freiwillig gehen, man könnte ihn auch loswerden wollen. In beiden Fällen stört es ungeheuer, wenn der ehemalige Manager weiterhin Gesellschafter bleibt. Viele Privatunternehmen, die so etwas in früheren Jahren gemacht hatten, sagen konsequent: Nie wieder! Also muss wenigstens eine Rückgaberegelung für die Gesellschaftsanteile bei einer Kündigung getroffen werden.

3. Unternehmen entwickeln sich, Inhaber entwickeln sich, Angestellte entwickeln sich. In der „geordneten“ Welt eines etablierten Großunternehmens fällt dieser Aspekt nicht besonders auf, die Auswirkungen sind grundsätzlich beherrschbar.

Aber der Eigentümer, der bei 2,5 Mio. EUR Umsatz noch „Mensch wie du und ich“ war, kann bei 20 erreichten Umsatzmillionen entweder noch viel netter sein oder er lässt jetzt den „kleinen Diktator“ durchschimmern oder er reagiert hilflos und überfordert.

Das Unternehmen, zunächst familiär-überschaubar aufgebaut und pragmatisch führbar, hat plötzlich komplizierte (Matrix-)Organisationsstrukturen und wimmelt von einem Typ Mitarbeiter, den man aus der Gründungsphase gar nicht kannte. Vieles wird jetzt als starr und bürokratisch empfunden.

Nur jener Angestellte, der damals am Gewinn oder an der Gesellschaft beteiligt wurde, weil er unersetzlich zu sein schien, ist vielleicht nicht mitgewachsen, passt nicht mehr dazu. Aber wie wird man ihn elegant wieder los?

Es ist also höchst unwahrscheinlich, dass die Partner aus der Startphase sich nach einigen Jahren noch so gut verstehen wie am Anfang. Deswegen sind viele Unternehmen mit einer festgeschriebenen Beteiligung so vorsichtig.

4. Zum vielleicht ungewohnten Aspekt „Gewinn aus steuerlichen Gründen klein halten“: Große, vor allem amerikanische, Konzerne sind aus gut verständlichen Gründen bestrebt, jedes Quartal erneut ein Maximum an Umsatz und Ertrag auszuweisen. Die Aktionäre, die Spekulanten, die Analysten sowie die Wirtschaftsjournalisten wollen vorzeigbaren Erfolg und zwar jetzt und sofort. Niemanden interessiert eine Maßnahme, die heute durchgeführt wird und heute Geld kostet, wenn sie in fünf Jahren vielleicht zur Gewinnsteigerung führt. Dann ist vermutlich ein neuer Vorstand am Ruder, der den Erfolg einstreicht. Also sind dort für alle Beteiligten vor allem schnelle Resultate von Interesse.

Der private Unternehmenseigner jedoch hat oft eine andere Interessenlage. Wenn er derzeit genug zum Leben hat und mögliche Gewinne lieber irgendwie im Unternehmen arbeiten lässt, so dass sie in mehreren Jahren vorzeigbare Erträge bringen, kann ihm das völlig reichen. Auch später gehört ihm die Firma noch, dann profitiert er (oder sein Erbe) eben zu jenem Zeitpunkt.

Hinzu kommt, dass er oft noch andere Einkünfte hat – so dass ihm sein Steuerberater signalisiert, für dieses Jahr sei es genug, sonst werde seine Steuerquote unerträglich hoch. Also versucht er, auf halbwegs legalem Wege den Unternehmensgewinn in diesem Jahr gering zu halten (und zwar so, dass das Geld noch „da“ ist und er später darauf zurückgreifen kann).

Beliebt insbesondere bei Inhabern kleinerer Unternehmen ist auch der Versuch, Kosten der privaten Lebenshaltung durch die Firma zahlen zu lassen. Das spart bares Geld im Privatbereich und reduziert Steuern in der Firma, indem es deren Gewinn senkt. Nicht unüblich sind Handwerker, die am privaten Anwesen arbeiten, aber bei der Firma abrechnen, der Zweitwagen des Ehepartners, der im Betrieb als Dienstwagen läuft, der studierende Neffe, der als Angestellter bezahlt wird, aber nie dort erscheint (keine Angst, die allgegenwärtigen Betriebsprüfer des Finanzamtes kennen die Tricks auch alle, es ist das ständige Ringen um vorübergehende Siege in einem endlosen Kampf). Auch das vom Eigentümer für ihn selbst festgesetzte Geschäftsführergehalt kann den Gewinn mindern – und zum Stein des Anstoßes werden.

Der hier angesprochene negative Effekt für den am Gewinn beteiligten Mitarbeiter: Der Eigentümer will Steuern sparen, tut daher alles, um kaum Gewinn ausweisen zu müssen – der an diesem Gewinn beteiligte Mitarbeiter „schaut in die Röhre“ und ärgert sich maßlos, weil seine Beteiligung einen „Erfolg“ voraussetzt, den es nun offiziell nicht gibt.

5. Ein nettes kleines Detail am Rande: Hat Ihnen Ihr Chef je gesagt, was er verdient? Wenn er klug ist, hat er eher nicht. Wenn er Ihnen aber X % des Gewinns geben will, muss er Ihnen zeigen, wie viel 100 % sind. Also wüssten Sie, wie hoch in etwa sein Einkommen ist. Das ist ein Knackpunkt ersten Ranges.

6. Schließlich gilt auch hier wie in unserem gesamten System: Gerechtigkeit gibt es nicht, schon der Versuch, ihr nahe zu kommen, ist zum Scheitern verurteilt. Niemand kann die reine Leistung von Inhabern und Angestellten gegeneinander abwägen, es gibt keine Formel, wie die Firmengründung anzusetzen wäre – und was ist mit Verlusten, die allein der Eigentümer trägt? An wen hält sich die Bank, wenn der Kredit nicht pünktlich bedient wird? Der klassische Eigentümer begründet während seiner Tätigkeit weder einen Rentenanspruch, noch hat er Ansprüche bei Arbeitslosigkeit. Also gibt es auch nie eine gerechte Beteiligungsquote.

Auf dieser ziemlich schwankenden Basis nun zu Lösungsansätzen:

I. Es ist üblich, hat sich bewährt, wird von Bewerbern erwartet und dient den Interessen des Unternehmens, einer bestimmten Kategorie von Angestellten (meist Führungskräften) neben einem fixen (monatlich gleichbleibenden) Grundgehalt ein variables Einkommen zu zahlen. Je ranghöher der Mitarbeiter ist, desto mehr entfernt man sich von der reinen Leistungsbeurteilung und wertet vor allem den Erfolg (wobei man etwas vereinfachend Leistung mit Erfolg gleichsetzt). Geschäftsführer beispielsweise werden hier fast nur noch am Gesamtergebnis des Unternehmens gemessen und daran beteiligt.

 

II. Gerade in einem noch kleinen, rasant wachsenden Unternehmen sind „endgültig“ festgeschriebene Beteiligungen eines Angestellten am Gesellschaftskapital, am Umsatz und/oder am Ertrag problematisch und sollten vermieden werden. Als endgültig sind unbefristete Formulierungen im Arbeitsvertrag wie „erhält er 5 % des Gewinns der Unternehmung“ zu sehen. Doppelt kritisch sind entsprechende Formulierungen, die sich nur auf den Umsatz beziehen, weil Umsatzexplosionen durch einen Großauftrag bei gleichzeitigen Verlusten des Unternehmens denkbar sind.Erst wenn das Unternehmen so weit gewachsen ist, dass Umsatz und Ertrag, Mitarbeiterzahlen und interne Strukturen ihre vorläufige Endgröße erreicht haben, von der pro Jahr nur noch in einstelligen Prozentsätzen abgewichen wird, wäre an solche endgültigen Regelungen zu denken.

 

III. In der speziellen derzeitigen Situation Ihres Hauses bieten sich folgende Möglichkeiten an:

a) „Herr X erhält ein fixes Jahresgrundgehalt von … EUR. Dieser Betrag wird jährlich durch die Geschäftsführung/Gesellschafter überprüft und ggf. angepasst.Zusätzlich erhält Herr X eine variable Tantieme, die seiner persönlichen Leistung sowie der von ihm maßgeblich mit beeinflussten Entwicklung von Umsatz und Ertrag des Unternehmens Rechnung tragen soll.

Als Richtwert wird eine Bandbreite zwischen 5 und 40 % des fixen Jahresgrundgehalts festgelegt. Aufgrund der genannten Kriterien entscheidet/n die Geschäftsführung/die Gesellschafter nach Feststellung der Jahresbilanz durch den Wirtschaftsprüfer über die konkrete Höhe für das vergangene Jahr.“

Vorteil: Ihre Vorgesetzten können alles ausgleichen, was sie gewinnreduzierend und steuersparend eventuell getan haben. Beide Partner haben Richtwerte, in guten Jahren und bei gutem Verhältnis untereinander können Sie mit 25 % + rechnen. Vor 5 % brauchen Sie sich nicht zu fürchten – reduziert man Sie trotz „guter Zahlen“ darauf, gehen Sie eben.

Nachteil: Es ist ein wenig „nach Gutsherrenart“, Sie können die Höhe nicht nachrechnen. Aber, und darauf kommt es vorrangig an, die Unternehmensleitung kann damit glücklich werden, sie behält jeglichen Handlungsspielraum, alle oben genannten Probleme werden vermieden.

b) Wenn Sie in dieser speziellen Unternehmenssituation nun tatsächlich am Gewinn des Unternehmens beteiligt werden wollen/sollen, dann könnte z. B. gelten:- Sie bekommen ein Fixgehalt (wie bei a).

– Es wird festgelegt, dass Sie eine Tantieme in Höhe von X % vom Gewinn erhalten (etwa 2 – 10 % wären denkbar; man rechnet oft „von hinten“: Man schätzt den Gewinn, legt einen Zielbetrag der Gewinnbeteiligung fest und erhält daraus einen Anhaltspunkt für den Prozentsatz; Achtung: „Gewinn“ muss von einem Fachmann wie Steuerberater/Wirtschaftsprüfer exakt definiert werden!).

– Es wird festgelegt, dass diese Zusatzvereinbarung zum Festgehalt zunächst für etwa zwei bis drei Jahre gilt und dann ausläuft bzw. durch eine neue ersetzt werden soll, der beide Seiten zustimmen müssen.

 

IV. Ihre Eigentümer sind offenbar auch noch „frisch“ in dieser Funktion und „üben noch“. Derzeit sind sie Ihnen dankbar und wollen Sie am Erfolg teilhaben lassen. Aber daraus können sich Beträge, Situationen und Diskussionen ergeben, an die Ihre Gesellschafter jetzt noch gar nicht denken. Für Sie ist es wichtig, in drei oder fünf Jahren noch dort zu sein – und ein gutes Verhältnis zu den Gesellschaftern zu haben. Das setzt voraus, dass sich diese nicht über Sie ärgern (z. B. weil Sie ihr Einkommen kennen, weil Sie die künstliche Kleinhaltung des Gewinns monieren, die Sie „bares Geld“ kostet, weil Sie inzwischen „viel zu viel verdienen“).

 

V. Lehnen Sie eine eventuelle Offerte, Anteile am Gesellschaftskapital zu übernehmen, dankend ab. Daran hat ein Angestellter erst Spaß ab mindestens 25 %.

Kurzantwort:

Die Beteiligung einer angestellten Führungskraft am Gewinn des Unternehmens ist ein heikles Thema mit vielen Fallstricken. Das gilt besonders, wenn die Firma noch sehr klein ist, aber rasant wächst.

Frage-Nr.: 2279
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 50
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2008-12-11

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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