Heiko Mell 01.01.2016, 22:38 Uhr

Wie komme ich aus einer Führungsposition raus?

Ich (w) habe vor einigen Wochen aus verschiedenen Gründen entschieden, den Arbeitgeber zu wechseln.
(Anmerkung des Autors zum besseren Verständnis: heutige Position ist Betriebsleiterin mit deutlich mehr als 100 zu führenden Mitarbeitern.)
Beim Studieren der Stellenangebote fiel mir jedoch auf, dass Ingenieure schon gesucht sind, aber selten in leitender Funktion oder wenn in leitender Funktion, dann nur mit Branchenkenntnissen. Als treue Leserin Ihrer Beratung bin ich zunächst davor zurückgeschreckt, mich auf Stellen als Projektingenieurin oder im Bereich der Produktionssteuerung zu bewerben, da ein Wechsel aus einer Führungsposition nach gängiger Meinung einen Karriereknick bedeutet und den Eindruck vermittelt, man wisse nicht, was man will.

Ich führe gern Mitarbeiter, habe diese Führung aber auf meiner „Kann“- und „Muss“-Liste in der Vorbereitungsphase auf „Kann“ gesetzt. Ein absolutes „Muss“ ist für mich die Arbeit in einem Produktionsbetrieb und zwar in direktem Kontakt zur Produktion.

Nun habe ich ein erstes Angebot als Projektingenieurin Produktionsplanung und -optimierung in einem Konzern – und fange doch an zu zögern. Soll ich dieses Angebot, das von den Bedingungen her gut ist, annehmen oder führen der Branchenwechsel und der Wechsel von der Führungskraft zur Sachbearbeiterin zu einem unauslöschbaren Karriereknick?

Außerdem würde ich ein technisches Fachwissen (eine spezielle Technologie), das ich mir erworben habe, nicht mehr nutzen (und ausbauen) können.

Aber ist es jetzt nicht Zeit für mich, in einen Konzern zu wechseln, die Jüngste bin ich ja auch nicht mehr? Ich habe natürlich vorab die Stellenangebote in meiner jetzigen Branche geprüft, immerhin ja angeblich eine Boombranche, aber doch noch recht überschaubar: auch da nur Angebote für Projektingenieure.

Wie Sie aus meinem beigefügten Lebenslauf sehen, haben meine bisherigen Arbeitgeber Weiterbildung kaum gefördert (ja, ich hätte mich natürlich privat darum kümmern müssen), auch das wäre in einem Konzern sicher besser.

Antwort:

Hätte ich gezielt nach einem Fall gesucht, der mir Gelegenheit gibt, zum Nutzen aller viel Grundsätzliches aufzuarbeiten, so wäre ich jetzt fündig geworden. Na denn:

1. Der Sprung von mehr als 100 zu führenden Mitarbeitern zurück zur Sachbearbeiterebene steht in den Augen künftiger (in zwei bis etwa acht Jahren) Bewerbungsempfänger für

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– ich kann nicht führen,

– ich will nicht führen,

– ich bin froh, dass ich diese Belastung/Überforderung los bin.

Man kann das tun – aber es gibt keinen Weg zurück. Ein kluger Arbeitgeber, der nicht mit einem leeren Arbeitsmarkt kämpfen muss, hätte Ihnen jetzt gar kein solches Angebot gemacht: Die Erfahrungen mit Ex-Führern auf rein ausführenden Positionen sind schlecht.

 

2. Sie geben auch im Lebenslauf keine Arbeitgebergrößen an (sollten Sie aber, siehe das kostenlos zugängliche Lebenslaufmuster unter www.heiko-mell.de). Es darf unterstellt werden, dass Ihr heutiger und frühere Arbeitgeber eher kleiner sind.Ihre Theorie mit dem jetzt sinnvollen Wechsel in den Konzern hat zwei Nachteile:

a) Sie geht von falschen Voraussetzungen aus – niemand muss unbedingt in einen Konzern, weder am Anfang, noch in der Mitte, noch am Ende seines Berufsweges.

b) Sie verdreht die Tatsachen: Wenn ein Konzern im Lebenslauf sinnvoll ist, dann beim Berufsstart. Später wechselt man stets viel leichter vom größeren ins kleinere Unternehmen als umgekehrt. Das Prinzip: Der Name des Arbeitgebers wird Teil der Bewerberqualifikation – und der Name des großen imponiert dem kleineren, nicht umgekehrt. Viele Konzerne stellen kaum Führungskräfte von außen ein, manche gar nicht.

Fazit: Es gibt überhaupt keinen Grund, im fortgeschrittenen Alter von Anfang 40 nun unbedingt in den Konzern zu müssen. Und was die Weiterbildung angeht, kochen viele Großbetriebe auch nur mit Wasser, außerdem nützt sie nicht pauschal etwas, sondern nur in der individuellen Betrachtung. Und wie Sie schon schreiben: Vorrangig hätten Sie sich im Bedarfsfall selbst kümmern sollen.

 

3. Branchenkenntnisse sind bei Bewerbungen immer ein „Thema“. Sie sind nicht zwangsläufig erfolgsentscheidend, aber stets äußerst hilfreich.

Was bedeutet: Wer reingeht in eine bestimmte Branche, beachte dabei, was das für spätere Wechsel bedeutet. Oder, nach Adam Riese, in kleinen Branchen wechselt es sich schwerer als in großen. Eines Tages.Eine Branche, die 1.000 Mitarbeiter hat und „boomt“, also jedes Jahr um 10 % wächst, hat in zehn Jahren etwa 2.593 Mitarbeiter, davon vielleicht 260 Führungspositionen. Eine Branche mit 100.000 Mitarbeitern, die einfach nur stagniert, hat in zehn Jahren immer noch 100.000 Mitarbeiter, davon etwa 10.000 Führungspositionen.

Nach der speziellen Mathematik der Bewerbungspraxis (ich habe das hier schon einmal begründet), ist es leichter, als einer von vielen Mitbewerbern eine von vielen vorhandenen Positionen zu erringen als einer von wenigen Führungskräften zu sein, die um eine von wenigen Positionen ringen. Hinzu kommt: In „alten“ Branchen gehen diverse ältere Mitarbeiter in Pension – in jungen gibt es zunächst nur junge Leute. Boomt eine kleine Branche, so besetzen die Unternehmen die paar neuen Führungspositionen vorrangig aus eigenen Reihen, sie bekommen ja Branchenkenntnisse ohnehin nicht von draußen.

Heißt konkret: Wer Karriere machen will, verachte die großen Branchen nicht. Sie, geehrte Einsenderin, haben eine Lehre in Branche A, ein Studium für B mit Spezialrichtungen B und C, zwei frühere Arbeitgeber in Branche D und einen heutigen in einem sehr speziellen, sehr kleinen Spezialzweig von D, den ich eigentlich schon E nennen müsste. Von Ihrer Lehre sind Sie so weit weg wie ein Bergsteiger vom Schiffsbau. Das sieht nicht sehr geplant aus.Aber: Branchengrenzen sind leichter zu überwinden als Grenzen, die durch Tätigkeitsbereiche gezogen werden. Also: Eher wird ein Betriebsleiter aus Branche A ein Betriebsleiter in Branche B als ein Produktionsleiter aus A etwa Entwicklungsleiter in A.

 

4. Reden wir über Tätigkeitsbereiche. Sie waren Q-Leiterin, AV-Chefin und sind heute Betriebsleitung (mit diversen Projektaufgaben). Aber ich komme nicht genau dahinter, was das ist. Betriebsleitung und viele Mitarbeiter, das klingt nach Produktion. Genau die aber kommt in Ihrer Detailaufzählung nicht vor, nur Fertigungsplanung und -steuerung.

Als Hinweis für Sie: Im Maschinenbau ist ein Betriebsleiter stets auch Chef der gewerblichen Mitarbeiter in der Produktion; ein technischer Leiter hat die Produktentwicklung, die Konstruktion und die Fertigung unter sich, zusätzlich ist er verantwortlich für produktionsbezogene Investitionen und die Instandhaltung. In der Chemie und verwandten Branchen hingegen nennt sich jemand technischer oder Betriebs-Leiter, dem zwar die Produktionsanlagen, nicht jedoch die Produktion mit ihren gewerblichen Mitarbeitern zugeordnet sind.

Kann es sein, dass Sie bei Ihren derzeitigen Versuchen, sich über Branchengrenzen hinweg zu bewerben, entsprechende Probleme bei den Zielfirmen aufgeworfen haben? Ganz ehrlich: Ich verstehe nach dem Studium Ihres Lebenslaufes Ihre heutige Position nicht so gut, wie das sein sollte. Schön, das kann an mir liegen, aber rechnen Sie mit ähnlich ausgerichteten Lesern. Hier wäre in der Bewerbung mehr Klarheit zu schaffen, vor allem bei Zielpositionen in etwas anderen Branchen. Benutzen Sie auch nicht einfach und immer die bei Ihrem Unternehmen üblichen Positionsbezeichnungen, geben Sie bei Zielpositionen in anderen Branchen zumindest in Klammern dahinter „ortsübliche“ Bezeichnungen an oder erläuternde Erklärungen ab. Beispielsweise sind Sie in meinen Augen eher eine gehobene AV-Chefin. Wo dann allerdings Ihre vielen Mitarbeiter herkommen, weiß ich auch nicht.

 

5. Wir analysieren seit 1975 den überregionalen Arbeitsmarkt für industrierelevante Positionen am Beispiel der FAZ (um auch kaufmännische Stellen mit zu erfassen). Und wir fanden im I. Quartal 2007 dort 241 technische Führungspositionen in F+E/Konstruktion und Produktion, vom Geschäftsführer bis zum Gruppenleiter (gegenüber 505 im nichtführenden Bereich). Das beweist noch nicht, dass auch Sie etwas Passendes hätten finden müssen, aber die Quantität des Marktes ist erst einmal da. Nur der jeweils Suchende denkt leicht, er sei nie dabei. Bedenken Sie: Für die Suche müssen Sie etwa sechs Monate ansetzen.

 

6. Mein Rat:

6.1 Überarbeiten Sie ihre Zielrichtung: Konzern als Ideal, das passt nicht, Mittelstand wie bisher ist besser. „Konzern“ heißt auch nicht „sicher“ – oder möchten Sie bei den Ausgegliederten, Teilverkauften oder Zerschlagenen sein, die es in genügend großer Zahl im Lande gibt? Die Firmengröße sollte etwa Ihrer heutigen entsprechen. Führung muss weiter sein, die Anzahl unterstellter Mitarbeiter muss sich nicht exakt mit Ihren heutigen Gegebenheiten decken. Leiterin AV wäre doch etwas, in jedem Fall viel besser als „sachbearbeitende Projektingenieurin“.

6.2 Überarbeiten Sie Ihre Bewerbungstechnik: Positionsbezeichnung mindestens besser erläutern, Angaben zu Arbeitgebern wesentlich aussagefähiger gestalten (siehe mein Muster).

6.3 Branchensprünge werden sich kaum vermeiden lassen. „Kunststofftechnik“ könnte in Ihrem Fall nah genug sein, um Sie interessant zu machen und wäre als Feld groß genug.

6.4 Lesen Sie überregionale Stellenanzeigen in gedruckten Zeitungen und Internet-Stellenbörsen. Tragen Sie sich in die Bewerberdatenbank der VDI nachrichten ein, inserieren Sie unter „Stellengesuche“ in überregionalen Zeitungen, z. B. den VDI nachrichten, nutzen Sie, so vorhanden, persönliche Kontakte, schauen Sie auf die Homepage fachlich für Sie interessanter Unternehmen.

6.5 Ich kann zwar nicht garantieren, dass Sie noch ein besseres Angebot bekommen, aber im Hinblick auf den Ihnen angebotenen Sachbearbeiterjob bin ich sehr skeptisch.

Kurzantwort:

1. Achtung bei Bewerbungen mit branchenfremden Zielen: Sogar in eigentlich recht nahe verwandten Branchen stehen gleichlautende Positionsbezeichnungen mitunter für ganz andere Zuständigkeiten.

2. Das Aufgeben einer einmal errungenen Führungsverantwortung beim externen Wechsel ist im Hinblick auf die weitere Karriere höchst problematisch.

Frage-Nr.: 2142
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 29
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2007-07-20

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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