Standortschließung 14.12.2012, 14:01 Uhr

Opel Bochum: Ein Zeuge des Strukturwandels verschwindet

Einst war Opel in Bochum ein Signal für den Strukturwandel im Ruhrgebiet. 20 000 Menschen arbeiteten in den besten Zeiten bei Opel in Bochum. Doch damit ist es jetzt vorbei: Der Standort wird dicht gemacht, die Perspektiven sind bitter. Andere Standorte in Europa könnten folgen.

Opel: Seit 50 Jahren in Bochum.

Opel: Seit 50 Jahren in Bochum.

Foto: Opel

Die Absatzkrise in der Automobilbranche, vor allem in den südeuropäischen Ländern, aber auch im Rest Europas, hat ihr erstes Opfer in Deutschland gefordert: Das Opel-Werk in Bochum mit seinen über 3000 Mitarbeitern wird 2016 geschlossen. Nicht zuletzt auch, weil Opel seit Jahren Verluste macht – im vergangenen Jahr waren es 747 Mio. Dollar, dieses Jahres könnten es bis zu 1,8 Mrd. Dollar werden. Mit der Schließung wurde auch erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg das Werk eines Massenherstellers in Deutschland dicht gemacht.

Qualitätsprobleme in den 90er-Jahren, Managementfehler und eine permanente Rotation der Vorstände in der Zeit danach kamen hinzu. Die Folge war eine anhaltende „Hängepartie, die dem Ansehen der Marke Opel schadete“, wie FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle es formulierte (siehe S. 1).

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Opel Bochum: Standortschließung könnte Schneeballeffekt auslösen

Welche Konsequenzen die Aufgabe des Opel-Standorts für die Region tatsächlich hat, wird maßgeblich davon abhängen, wie viele der Arbeitsplätze bei Opel in Bochum gerettet werden können. Mehr als 1000 werden es kaum sein, schätzt etwa der Branchenexperte Willi Dietz, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule Nürtingen-Geislingen.

Bricht ein solcher Arbeitgeber weg, hat das Schneeballeffekte für die Region: Die Zahl der betroffenen Stellen mal „drei oder vier“, überschlägt etwa die Sprecherin der Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet, Julia Beuerlein, die Folgelasten für den Arbeitsmarkt. Das könnte sich dann im schlimmsten Fall auf bis zu 10 000 Arbeitsplätze addieren.

Andere Quellen gehen von noch höheren Zahlen aus: Nach Angaben des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft hängen von jedem bei Opel Beschäftigten etwa sieben Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie ab. Die Bundesagentur für Arbeit in NRW signalisierte allerdings, dass der „Arbeitsmarkt zurzeit aufnahmefähig“ sei.

Die unmittelbaren Folgen für die Stadt dürften eher gering sein: Opel hat schon seit Jahren keine Gewerbesteuer mehr an die Stadt gezahlt. Verglichen mit Opel war der Wegzug von Nokia im Jahr 2008 deshalb deutlich unangenehmer, weil auf einen Schlag 25 Mio. € an jährlichen Gewerbesteuern wegfielen. Die Arbeitslosenrate in Bochum lag im November bei knapp 10,5 % und damit über NRW- (7,8 %) und Bundesdurchschnitt (6,5 %). Und der Druck auf die Region wächst. So hat auch das ThyssenKrupp-Werk in Bochum nur eine Bestandsgarantie bis 2016 und die Milliardenverluste des Unternehmens dürften eine Nutzung über 2016 hinaus fraglich machen.

Schon im Oktober hatten General Motors, Opel und das Land NRW beschlossen, eine gemeinsame Arbeitsgruppe „Bochum Perspektive 2022“ zu gründen. Sie soll Konzepte für Flächenentwicklungen, neue Technologien und wirtschaftliches Wachstum entwickeln. Auch die künftige Nutzung des Bochumer Opel-Standorts soll Thema sein.

Vor 50 Jahren galt Opel Bochum als Garant für neue, moderne Industrie im Ruhrgebiet

Mit Opel verschwindet zugleich einer der wenigen Zeugen eines frühen, wenn auch halbherzigen Anlaufs zum Strukturwandel im Ruhrgebiet. Im vergangenen Oktober vor 50 Jahren lief bei Opel in Bochum die Produktion an. Opel galt damals als Garant einer neuen, von modernen Industrien geprägten Zukunft des Ruhrgebiets, nachdem allein in Bochum in den 60er-Jahren gut 17 000 Arbeitsplätze durch Zechenschließungen verloren gegangen waren.

Halbherzig blieb der Strukturwandel deshalb, weil nach Opel nicht mehr viel kam. Schuld war die bis in die 60er-Jahre hinein funktionierende Bodensperre: Da die Kohle- und Stahlunternehmen die größten Grundbesitzer in der Region waren, konnten sie die Neuansiedlung von Zukunftsbranchen wie Chemie und Automobilbau verhindern, indem sie ihre Grundstücke nicht verkauften und so Wettbewerber um Arbeitskräfte im Ruhrgebiet auf Distanz hielten. Prominentestes Opfer dieser Bodensperre war neben Chemieunternehmen der Automobilhersteller Ford, der schließlich nach Köln ging. Es dauerte bis in die 80er-Jahre, als mit der Gründung der Landesentwicklungsgesellschaft und des Grundstücksfonds Ruhr systematisch um Neuansiedlungen geworben und dafür auch Flächen zur Verfügung gestellt wurden – Jahre zu spät für das Ruhrgebiet. Erfolgreich entwickelt hat sich in der Zwischenzeit im Ruhrgebiet die öffentlich finanzierte, sehr dichte Forschungsinfrastruktur. So ist die Uni Bochum mit der größte Arbeitgeber am Ort.

Aktuell beschäftigt Opel in seinen Werken in Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern noch 20 000 Menschen, europaweit sind es 40 000. Offen ist, was mit diesen geschieht. Bereits Ende 2010 war das Opel-Werk in Antwerpen geschlossen worden. Aber auch damit ist das Problem der Fertigungs-Überkapazitäten noch lange nicht gelöst.

Opel dürfte jetzt vor einer gründlichen Neuausrichtung stehen. Die Frage ist, ob die Opel-Mutter GM ihrer europäischen Tochter mehr Aufmerksamkeit widmet als bisher.

 

Ein Beitrag von:

  • Wolfgang Mock

    Redakteur und Reporter VDI nachrichten. Fachthemen: Wissenschafts- und Technologiepolitik, Raumfahrt, Reportagen.

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