Herkömmliche Kontrolltürme ade 30.05.2017, 07:29 Uhr

Großbritannien startet mit Flugsicherung aus der Ferne

Die britische Flugsicherung will all ihre zivilen Aufgaben künftig nur noch von einem oder maximal zwei Standorten im Land aus abwickeln. Die heute noch auf jedem Flughafen stehenden Kontrolltürme werden dann überflüssig. An ihre Stelle treten gigantische Rechenzentren, in denen die Fluglotsen die Verkehrslage an jedem Flughafen im Land auf riesigen Bildschirmen beobachten können. Die Schärfe dieser Bilder geht deutlich über das hinaus, was mit dem menschlichen Auge auszumachen ist.

Der London City Airport soll der erste Flughafen in Großbritannien sein, der aus der Ferne fluggesichert wird. 

Der London City Airport soll der erste Flughafen in Großbritannien sein, der aus der Ferne fluggesichert wird. 

Foto: London City Airport

In jeder Minute des Tages und der Nacht befinden sich weltweit etwa 9.500 Verkehrsflugzeuge in der Luft. Alle sind von einer präzise arbeitenden Flugsicherung abhängig, um ihr Ziel sicher und schnell zu erreichen. Diese Flugsicherung ist ein gigantisches elektronisches System, das durch den ständig wachsenden Flugverkehr immer wieder aufs Neue herausgefordert wird.

Um das auf Dauer zu bewältigen sind große Reformen unvermeidlich. Die Briten gehen jetzt den ersten Schritt.

Tests auch in Frankreich, Deutschland und weiteren Ländern

Versuche mit einer Flugsicherung ausschließlich aus der Ferne gibt es seit Jahren in Frankreich, Deutschland, Irland, Schweden, der Schweiz und den Vereinigten Staaten. In Schweden werden schon seit 2015 zwei kleinere Flughäfen aus der Ferne betreut.

Vom NATS Swanick Kontrollzentrum aus wird die Flugsicherung digital gesteuert.

Vom NATS Swanick Kontrollzentrum aus wird die Flugsicherung digital gesteuert.

Quelle: NATS

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Die britische Flugsicherung stellt als ersten Flughafen den mittelgroßen London City Airport (LCY) um. Die bauamtlichen Genehmigungen liegen bereits vor. Mit den Bauarbeiten soll noch in diesem Jahr begonnen werden.

Erprobungsphase 2018

Das Jahr 2018 soll eine Erprobungsphase bringen, an deren Abschluss die Abschaltung des bisherigen Kontrollturms in LCY steht. Von 2019 an wird der Flughafen flugsicherungstechnisch vom südenglischen Kontrollzentrum Swanwick aus geführt werden. Bis dahin arbeitet noch der bisherige, 30 Meter hohe Kontrollturm des London City Airport. Der neue, einfache Stahlturm wird 50 Meter hoch.

London City Airport bei Nacht.

London City Airport bei Nacht.

Quelle: London City Airport

London City Airport – einer von fünf Londoner Flughäfen – ist mit knapp 300 Flugbewegungen am Tag auf den ersten Blick eine Anlage der unteren mittleren Größenklasse. Was den City-Airport aber zu einem schwierigen Platz macht, ist seine Lage im Londoner Hafen mit Wasser auf drei Seiten und damit auch Nebelgefahr sowie einer relativ kurzen Startbahn von nur 1.500 m einschließlich der Überrollflächen. Außerdem befindet sich stadteinwärts in unmittelbarer Nähe zum Flughafen eine hohe Themsebrücke, die vor vielen Hochhäusern steht.

Die Bilder können um Daten wie die vom Radar erweitert werden, um die Flugsicherheit zu erhöhen. 

Die Bilder können um Daten wie die vom Radar erweitert werden, um die Flugsicherheit zu erhöhen.

Quelle: NATS

Die Folge ist, dass die Piloten, die auf dem LCY starten und landen besonders geschult sein müssen und dort nur wenige Flugzeugtypen für den Betrieb zugelassen sind.

Nach LCY soll zügig weiter umgestellt werden

Für die Umstellung des gesamten Landes auf die Flugsicherung aus der Ferne wird mit 20 bis 30 Jahren gerechnet. 2050 gilt als das wohl wahrscheinlichste Abschlussjahr für diesen Prozess. Über die Gesamtkosten halten sich alle Betroffenen bedeckt.

Der neue digitale Kontrollturm wird 2019 die Arbeit aufnehmen.

Der neue digitale Kontrollturm wird 2019 die Arbeit aufnehmen.

Quelle: NATS

Zu rechnen sein wird mit wenigstens 20 Milliarden Pfund oder umgerechnet etwa 25 Milliarden Euro, wobei die ersten Umstellungen die teuersten werden. Mike Stoller, Direktor für die Flughäfen bei der britischen Flugsicherung (NATS) verspricht sich von dem neuen System eine verbesserte Sicherheit sowie einen reibungsloseren Betrieb und schließlich eine höhere Kosteneffizienz. Verwandt wird eine Technik, die von Saab Digital Air Traffic Solutions aus Schweden stammt und dort an den kleinen Flughäfen Örnsköldvik und Sundsvall bereits genutzt wird.

Kamera-Systeme verfügen teilweise über Zoom-Funktion

Am London City Airport werden 14 Kameras in 50 m Höhe auf dem neuen digitalen Turm installiert und erlauben dann eine 360 Grad Rundumsicht. Zwei zusätzliche Kameras besitzen eine Zoom-Funktion, die eine 30fache Vergrößerung jedes Bildausschnitts ermöglicht. Im neuen NATS-Kontrollzentrum in Swanwick bieten die Bilder eine komplette Rundumsicht, die für die Controller durch die Radarangaben auf den Monitoren und die Audio-Übertragung vom Flughafen sowie aus den Flugzeugen ergänzt wird.

 

Zusätzlich aufgerufen werden können Wetterinformationen, die Rufzeichen aller relevanten Flugzeuge oder auch die Bewegungen von Fahrzeugen auf dem Flughafen. Declan Collier, Chef des London City Airports, wertet das System insgesamt als „den neuen Standard für die weltweite Flugsicherung“. Collier verspricht sich vor allem viel davon, dass auf der Basis aller Bilder und sonstigen digitalisierten Daten die Controller deutlich schneller als bisher fundierte Entscheidungen treffen können.

 

Ein Beitrag von:

  • Peter Odrich

    Peter Odrich studierte Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Verkehrsbetriebe. Nach 28 Jahren als Wirtschaftsredakteur einer deutschen überregionalen Tageszeitung mit langer Tätigkeit in Ostasien kehrte er ins heimatliche Grossbritannien zurück. Seitdem berichtet er freiberuflich für Zeitungen und Technische Informationsdienste in verschiedenen Ländern. Dabei stehen Verkehrsthemen, Metalle und ostasiatische Themen im Vordergrund.

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