Die Renaissance des Range-Extenders
Lange schien der Verbrenner als Generator für Batterien in Elektrofahrzeugen ein Auslaufmodell. Doch mangelnde Akzeptanz für vollelektrische Fahrzeuge, neue technische Lösungen, bessere Laufkultur und Effizienz sorgen für eine Renaissance des kleinen Helfers.

Der Markt für E-Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor als Range-Extender boomt – besonders in Asien. Hier als Beispiel der Nissan Qashqai e-Power.
Foto: Nissan Deutschland GmbH
Aito M5, Changan Deepal G318, Mazda MX-30 e-Skyactiv R-EV, Li Xiang One, Nissan Qashqai 1.5 VC-T e-POWER, Voyah Free, Yangwang U8, Leapmotor C10 … Wer als Antriebsentwickler in der Autoindustrie arbeitet, der sollte sich schnellstmöglich und intensiv mit diesen Fahrzeugen beschäftigen. Denn in ihnen steckt eine Technik, die sich so schnell verbreitet wie derzeit keine andere neue Antriebsart. Dabei hatten sie gerade die deutschen Autofirmen eigentlich schon abgeschrieben.
Der Range-Extender mindert die Reichweitenangst
Der Range-Extender feiert eine fulminante Wiederauferstehung – und wie die Beispiele aus den ersten Sätzen schon zeigen: made in Asia. Marktforscher Berylls prognostiziert eine „stark steigende Nachfrage nach Fahrzeugen mit Range-Extender (Erev), besonders in China“. Dort soll der Absatz bis Ende des Jahrzehnts eine Stückzahl von rund 3,2 Mio. erreichen. Aber der Boom ist nicht nur „for Asia“. Die Renaissance des Verbrenners als Reichweitenverlängerer für Elektroautos ist ein weltweites Phänomen.
„Ich halte das auch für Europa für eine gute Technologie, weil es die Hürde senkt, in die Elektromobilität einzusteigen“, hat gerade erst Volkswagen-Chef Oliver Blume gesagt. Denn immer mehr Menschen interessieren sich zwar für Elektromobilität, wollen oder können sich aber nicht um vergleichsweise bescheidene Reichweiten oder komplexe Umstände beim Laden Gedanken machen.
1000 km fahren, und in 5 min überall im Land neue Energie für den nächsten Zyklus an Bord bringen: Das ermöglicht in der elektrifizierten Welt eben nur diese spezielle Version des Hybriden. Nissan Qashqai e-Power oder Leapmotor C10 sind Fahrzeuge, die auch hierzulande schon an diese Möglichkeiten heranreichen. Da die Batterie zudem nicht allein für die gesamte Reichweite – je nach Modell zwischen 150 km bis 250 km verantwortlich ist, kann sie kleiner dimensioniert werden, was Produktionskosten und Fahrzeuggewicht drückt. Im Vergleich zu klassischen Plug-in-Hybriden ist auch der CO2-Ausstoß geringer, weil der Verbrennungsmotor nur gelegentlich genutzt wird und das Fahrzeug im Alltag überwiegend elektrisch fährt. Zudem bewegt sich der Benziner meist im optimalen Drehzahlbereich statt auch Leistungsspitzen abzudecken. Das minimiert den Kraftstoffverbrauch und steigert die Effizienz.
Range-Extender nehmen in Europa Fahrt auf
Der Leapmotor C10 als Erev etwa nutzt primär einen 158 kW starken Elektromotor und eine 28,4-kWh-Batterie. Ein 1,5-l-Verbrennungsmotor mit schlanken 65 kW zur Stromerzeugung hebt die Gesamtreichweite auf annähernd 1000 km. Der CO2-Ausstoß beträgt dabei nur 10 g/km, und der Kraftstoffverbrauch liegt bei 0,4 l/100 km – so zumindest die offiziellen Angaben. Der hocheffiziente Generator mit einer achtlagigen Flachdraht-Haarnadelwicklung erreicht zudem laut dem Stellantis-Partner „einen Wirkungsgrad von 96,5 %“. Motor und Generator sind direkt gekoppelt. Das reduziert das Gewicht um 8 kg, weil unnötige Schwungräder und Torsionsdämpfer entfallen. Der Akku kann intern, aber auch extern mit maximal 65 kW DC-Schnellladung gefüllt werden. Ähnliche Leistungen bringen auch die Systeme der Wettbewerber. Leapmotor-International-CEO Tianshu Xin geht davon aus, „dass jeder zweite in Europa verkaufte C10 einer mit Reichweitenverlängerer sein wird“.
Andere Hersteller zögern dennoch bisher, die Technik einzusetzen. Denn Entwicklung, Herstellung und Wartung werden mit dem Verwenden von zwei Antriebstechniken naturgemäß komplexer und teurer. Diese zusätzliche Technik benötigt zudem mehr Bauraum im Vergleich zum klassischen Verbrenner. Und gegenüber dem reinen E-Antrieb ist auch der Range-Extender nicht emissionsfrei – zumindest, so lange fossile Brennstoffe den Generator antreiben. Theoretisch könnte dies aber auch eine Brennstoffzelle oder der reine Wasserstoff-Antrieb leisten. Mit dieser Zukunft beschäftigen sich vor allem Lkw-Bauer wie Hyundai, Mercedes oder Iveco.
Kein Range-Extender deutscher Hersteller
Der neue Trend zu den Reichweitenverlängerern für Elektroautos ist noch nicht bei den aktuellen Modellen deutscher Hersteller zu sehen; bedauerlich, denn eigentlich zählen ihre Ingenieure zu den Pionieren dieser Antriebstechnik: Der BMW i3 war schon vor zwölf Jahren mit einem Range-Extender lieferbar. Der Zweizylinder-Reihenmotor mit 28 kW konnte indes seine Herkunft aus dem Motorroller C 650 GT vor allem akustisch nicht verbergen – und wurde bald wieder vom Markt genommen.
Auch Audi hatte für den 2012 angekündigten A1 e-tron einen Wankelmotor als Reichweitenverlängerer geplant. Mahle hatte einen kompakten, flexiblen und zugleich kostenoptimierten Range-Extender entwickelt, der eine Maximalleistung von bis zu 30 kW bringen konnte. Zum Kunden schaffte es der Wagen nie. Und Zulieferer wie Obrist oder KSPG arbeiten nach wie vor an der Technik. Sie könnten bald wieder neue Kunden im eigenen Land bekommen.
Denn Volkswagen hat für den chinesischen Markt ein Fahrzeug mit Range-Extender in der Entwicklung und auch bei der US-Tochtermarke Scout ist ein Reichweitenverlängerer fest eingeplant. Deren Pick-ups und SUV sind vor allem für Regionen gedacht, in denen die Ladesäulen noch Seltenheitswert haben – und die Wege weit sind. Varianten der elektrischen Allradler mit E-Motoren in 800-V-Architektur sollen kleine Benzinmotoren als Generator erhalten. Die Reichweite steigt damit auf bis zu 800 km. Eine Technik, die VW auch für künftige ID-Modelle prüfen lässt, zumal Blume „auch in China auf Range-Extender“ setzt. Wettbewerber wie Ford oder Stellantis haben ebenfalls die gleichen Zielgruppen im Blick.
Range-Extender als Brückentechnologie
Der Range-Extender hat dabei als Brückentechnologie quasi einen Erziehungsauftrag: Anders als der klassische Plug-in gibt dieser Antrieb dem Kunden eben das reine Erlebnis eines Elektroautos ohne die Nachteile, die in der Übergangsphase noch bestehen. Diesen Reiz haben übrigens auch schon Hersteller bei den ganz normalen Plug-in-Hybriden erkannt. Der Kia Sorento etwa hat ein „Sport“ genanntes Fahrprogramm: Wählt der Fahrer diese Einstellung, speist der Verbrenner im großen SUV ebenfalls so lange Strom in den Akku, bis der wieder randvoll ist. Im Vergleich zum Laden per Kabel eher uneffizient, aber einfach praktisch. Und das war ja schon immer ein Argument für individuelle Mobilität.
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