Deal in Brüssel: Verbrenner-Verbot vor dem Aus?
Während Kommissionschefin Ursula von der Leyen zunehmend vergeblich um den Bestand ihres Leuchtturmprojekts des Europäischen Green Deal kämpft, gibt mehr und mehr der mächtige Chef der Europäischen Volksparteien (EVP) im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), in Brüssel den Ton an.
Beim Autogipfel in Brüssel ist die EU mit ersten positiven Signalen auf die Autobranche zugegangen: Aus für das EU-Verbrenner-Verbot?
Foto: picture alliance / imageBROKER | Michaela Begsteiger
Vor dem Spitzentreffen der europäischen Automobilindustrie vergangenen Freitag mit Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Brüssel zeigte Manfred Weber die Richtung für die EU-Industriepolitik der kommenden Jahre auf:
„Das Verbrenner-Verbot bedroht Arbeitsplätze in Deutschland und Europa. Es muss weg – und zwar schnell! Unsere Autoindustrie stellt absolute Spitzentechnologie her. Deswegen brauchen wir Technologieoffenheit und keine Verbote!“, so der Chef der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EP).
Das Ziel von Manfred Weber ist klar: Er will die Streichung der Kommissionsvorgaben, die eine Reduktion des CO2-Ausstoßes bis 2035 auf null vorsieht, kippen. Denn dies sieht de facto das Ende des klassischen Verbrennermotors ohne Wenn und Aber vor.
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Europe lost ~90,000 car industry jobs last year— 90,000 families affected. We support an ambitious climate policy but we need a realistic, technology-neutral approach, combustion engines, nuclear energy, laws that work. More Single Market, flagship projects, investments, digital! pic.twitter.com/ACmR18JzC1
— Manfred Weber (@ManfredWeber) September 10, 2025
Die deutsche und europäische Automobilindustrie, die zu spät Weichen für die Elektromobilität gestellt haben, sehen nicht nur das in der Vergangenheit erfolgreiche Geschäftsmodell bedroht, sondern auch Hunderttausende Arbeitsplätze in der Automobilbranche und Zuliefererindustrie gefährdet.
Auf IAA München verstärkte sich Widerstand gegen Brüsseler Vorgaben
Bei der inzwischen seit 2021 in der bayerischen Metropole stattfindenden Automobilmesse IAA Mobility zeigt der beherrschende Auftritt der chinesischen Elektromobile die Krise der deutschen Automobilindustrie überdeutlich auf.
Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, übte auf der weltweit größten Autoschau trotz aller Bekenntnisse zur Elektromobilität vehement Kritik an Brüssel: „Wir brauchen Realismus in der Klimapolitik, keine Scheuklappen“ und geißelte das Verbrenner-Verbot, ohne es beim Namen zu nennen. „Ob Plug-in-Hybride oder Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen – das Denken muss breiter werden“, forderte die VDA-Repräsentantin.
Bei der IAA Mobility in München forderten Merz und Söder Kurswechsel ein
Auch Bundeskanzler Friedrich Merz mahnte bei der IAA-Eröffnung in München Bewegung von CDU-Parteifreundin von der Leyen und forderte, den Weg frei zu machen für „eine technologieoffene Entwicklung“ zur Sicherung einer wettbewerbsfähigen Zukunft der europäischen Automobilindustrie.
Deutlicher formulierte es Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Er fordert einen Notfallplan für die deutsche Autoindustrie und will das Brüsseler Verbrenner-Verbot 2035 definitiv stoppen:
„Der Verbrenner muss in Europa weiter zugelassen werden!“ Die generelle Vorstellung, dass man in ein paar Jahren alles CO2-frei macht, sei einfach nicht realistisch, erklärte er im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk am Rande der IAA München.
„Eins ist doch klar, die Chinesen und Amerikaner werden immer stärker und wir werden schwächer“, mahnte er einen Kurswechsel in Brüssel an.
Diesen vollzieht nun der stellvertretende CSU-Landesvorsitzende Manfred Weber ganz im Sinne des Regenten in der bayerischen Staatskanzlei auf dem Brüsseler Parkett.
Vier-Punkte-Versprechen
Mit einem “Vier-Punkte-Versprechen“ will der bayerische EVP-Fraktionschef gegen das Verbot von Verbrenner-Motoren seiner CDU-Parteifreundin Ursula von der Leyen in Brüssel angehen. Im Interview mit der „Welt am Sonntag“ am vergangenen Wochenende präzisierte er seine Strategie zur Rettung der Verbrenner-Technologie im Einklang mit europäischen Klimaschutzzielen:
„Ich verspreche den Europäern das Aus vom Verbrenner-Aus“, kündigte der EVP-Vorsitzende noch für diesen Herbst eine Kehrtwende an. Im Herbst solle dazu ein Vorschlag vorgelegt werden. Am Ziel der Klimaneutralität wolle er zwar festhalten, betonte Weber, aber der Weg dorthin müsse jedoch offenbleiben.
Was beinhaltet Webers Vier-Punkte Plan?
Mit der Rücknahme des Verbrenner-Aus schlägt er eine virtuelle Auto-Universität vor, macht sich für die Fahrzeugentwicklung der Zukunft durch Einsatz von „KI-Gigafabriken“ stark und will Testregionen für autonomes Fahren einrichten. All dies solle im Dialog mit den Beschäftigten der Autoindustrie erfolgen.
„Die ideologischen Fehler der vergangenen Legislaturperiode müssen korrigiert werden“, sagte Weber und rief die Sozialdemokraten zur Unterstützung auf. „Es ist wichtig, dass wir Jobs in der Autoindustrie sichern und die Arbeiter für uns gewinnen.“ Womöglich lasse sich auf diese Weise auch der Aufstieg der Rechtspopulisten verlangsamen, glaubt der EVP-Chef Weber.
We want the future of cars – and the cars of the future – to be made in Europe.
So we are working hand in hand with industry to make this a reality.
Today, we held our third Strategic Dialogue with the automotive sector, and our Industrial Action Plan is already delivering…
— Ursula von der Leyen (@vonderleyen) September 12, 2025
Plötzlich will von der Leyen Überprüfung des Verbrenner-Aus vorziehen
Beim Autogipfel in Brüssel ist die EU mit ersten positiven Signalen auf die Autobranche zugegangen. Ursula von der Leyen erklärte nach dem Treffen mit den Firmenchefs, sie habe „die Bedenken der Industrie gehört“, und kündigte an, Dekarbonisierung und Technologieoffenheit miteinander verbinden zu wollen. Konkret stellte eine Sprecherin des EU-Industriekommissars Stéphane Séjourné eine Überprüfung des Verbrenner-Aus noch für dieses Jahr in Aussicht. An sich war eine Wiedervorlage des Dossiers erst für 2026 von der Brüsseler Behörde vorgesehen.
Auch wenn die deutsche Automobilindustrie derweil versucht, verlorenes Terrain in der Elektromobilität auch angesichts der Milliarden schweren US-Zölle zulasten der europäischen Autoindustrie gutzumachen, fühlt sich der Europäische Autoindustrieverband (ACEA) von der Brüsseler Verordnungsmaschinerie überrollt. Mercedes-Chef Ola Källenius – gleichzeitig ACEA-Präsident – forderte ebenso gegenüber der „Welt am Sonntag“ mehr Flexibilität: „Hybride und effiziente Hightech-Verbrenner sollten Teil des Wegs bleiben, sonst riskieren wir Akzeptanz und Arbeitsplätze.“
1,4 Mio. Arbeitsplätze in Europa gefährdet
Dem pflichtet der CDU-Europaabgeordnete und Vorsitzende der CDA-Arbeitnehmerschaft, Dennis Radtke (CDU), bei: „Grüne, Liberale und Linke haben im EU-Parlament für das Verbrenner-Verbot gestimmt, obwohl sie wissen, dass sie damit rund 1,4 Mio. Arbeitsplätze in Europa gefährden.“ Er fordert eine Umkehr von der EU-Kommission.
In einer gemeinsamen Erklärung mit der IG Metallgewerkschaft betonte der VDA, dass die Rahmenbedingungen für eine Umstellung auf 100 % rein batterieelektrische Fahrzeuge auf dem europäischen Markt für neue Fahrzeuge bis 2035 „nicht gegeben sein werden“.
Manfred Weber ist zum starken Mann in Brüssel und Straßburg aufgestiegen
Die Kampfansage Webers gegenüber der obersten Brüsseler Behörde kommt nicht von ungefähr. Dem im Jahre 2019 als Sieger der Europawahlen hervorgegangenen Manfred Weber von der CSU wurde der ihm an sich zustehende Posten als Kommissionschef verwehrt. Frankreichs Präsident Emanuel Macron hatte seinerzeit beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs von der Leyen – die in Brüssel geborene und fließend französisch sprechende ehemalige Bundesverteidigungsministerin in Berlin – für den Brüsseler Topjob auf den Schild gehoben.
Inzwischen hält der Niederbayer jedoch immer stärker die Fäden bei relevanter EU-Politik in den Händen. Die einsame Hüterin aus Niedersachsen im Kommissionsgebäude Berlaymont ist auf den CSU-Politiker aus Bayern für ihr weiteres politisches Überleben auf Gedeih und Verderb angewiesen.
Parteiinterner Deal hinter den Kulissen?
So bangt von der Leyen schon in den kommenden Wochen um eine Mehrheit für das von ihr ausgehandelte, aber stark kritisierte US-Zoll-Abkommen mit Donald Trump. Weber hatte die Ergebnisse als „schmerzlich für die europäische und deutsche Industrie“ verurteilt. Es kommt jetzt entscheidend auf EVP-Chef Manfred Weber an, hierfür eine Mehrheit im zustimmungspflichtigen EU-Parlament zu organisieren.
Hinter den Kulissen zeichnet sich ein parteiinterner Deal zwischen dem CSU-Bayern und der CDU-Frau aus Niedersachsen ab. Mit einer Revision des Verbrenner-Aus 2035 wäre die EVP als größte Fraktion im EU-Parlament, zu der auch CDU und CSU zählen, wohl bereit, für das transatlantische Zollabkommen „made von der Leyen“ eine Mehrheit zu sichern.
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