Hochwasser 26.07.2021, 10:14 Uhr

Katastrophentourismus: „Wir suchen das Extraordinäre“

Die schlimme Flutwelle in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat viele Menschen aus nicht betroffenen Regionen angezogen. Was hinter dem Phänomen des Katastrophentourismus steckt und warum uns das Unglück anderer so fasziniert.

Zwei Frauen schauen auf Hochwasser

Katastrophen ziehen Menschen an.

Foto: panthermedia.net/welcomia

Sonntags mit dem Cabrio durch das Hochwassergebiet fahren: Diese und andere Szenen haben sich in schwer getroffenen Gebieten wie dem Ahrtal abgespielt. Während Menschen ihren Keller auspumpen und versuchen ihre Existenz zu retten, setzen sich sogenannte Katastrophentouristen ins Café und bestellen Kaffee und Kuchen. Wir haben mit Pascal Mandelartz von der IU Internationalen Hochschule über das Phänomen des Katastrophentourismus gesprochen.

Katastrophentourismus als Gegenalltag

ingenieur.de.: Was fasziniert Menschen an Katastrophen, Herr Mandelartz?

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Pascal Mandelartz: Das ist eine komplexe Thematik, in der es unterschiedlichste Motivationen gibt. Im Kontext der aktuellen Hochwasserkatastrophe ist das schnell eine negativ behaftete Aktivität. Das spiegelt aber nicht die Komplexität wider. Hier sind auch die Ursprünge touristischer Motivationen enthalten, nämlich das “Extraordinäre” zu finden. Wir suchen im Tourismus einen Gegenalltag und dementsprechend finden wir diesen in allen möglichen Formen von Katastrophen. Die menschliche Neugierde spielt auch eine Rolle. Bei manchen wird es auch Sensationslust und Voyeurismus sein.

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Jeder Mensch hat ja auch voyeuristische Züge…

Auf jeden Fall. Jeder Mensch wird das aus dem Alltag kennen. Wenn ein Unfall passiert, das muss jetzt gar nicht ein großes Ereignis sein, gucken wir automatisch hin. Zum Beispiel, wenn in der Innenstadt jemand vor uns hinfällt. Das ist eine Form der Reaktion, die in der Psyche verankert ist. Spektakuläre Ereignisse füllt das noch mehr aus.

Zieht es Menschen eher an, wenn die Katastrophe an ihnen vorbeigezogen ist? Oder gibt es auch das Phänomen, dass wir uns noch schlimmeres Leid als das eigene ansehen wollen?

Pauschal kann man das nicht sagen, denn hier kommt es auf den Charakterzug an. Sind wir empathische Personen oder gehen wir mit Katastrophen eher kühler um. Das bildet im Tourismus eine eigene Form: den sogenannten “voluntourismus”. Leute fahren also aktiv zu einem Ort, aber um ursprünglich zu helfen. Hier kommt es aber wie gesagt auf die persönliche Motivation an. Andere Menschen wollen sich vielleicht eher ein “Naturspektakel” ansehen. Diese Beweggründe müssen aber nicht negativ behaftet sein. In den USA gibt es ja auch Tornado-Jäger, da spielt Empathie keine große Rolle.

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Wie bewerten sie Katastrophentouristen aus moralischer Sicht?

Verschiedenste Studien haben das schon untersucht, jedoch ist jede Katastrophe unterschiedlich anzusehen. Zudem spielt der Zeitfaktor eine Rolle. Wenn ich unmittelbar nach einer Katastrophe zum Ort fahre, ist es verpönt. Eine Zeitlang später kann es schon wieder in Ordnung sein. In dem Zusammenhang zitiere ich mal unseren NRW-Innenminister Herbert Reul. Er sagt: “Es ist jetzt keine Zeit für Besichtigungen, später kann man sich aber alles anschauen.” Aus den Studien könnte ich jetzt ein paar moralische Aspekte aufzählen.

Es gibt kein Besuchsverbot beim Katastrophentourismus

Bitte, gern.

Ich beziehe mich auf die Studie von Kelman und Dodds aus 2009. Sie haben vier grobe ethische Standards festgelegt. Der erste ist die Sicherheit der Betroffenen und der Einsatzkräfte. Von einem Besuchsverbot reden wir hier nicht, sondern von einer Sensibilität, nicht im Weg zu stehen. Der zweite Punkt ist die Risikoauferlegung der direkt Betroffenen. Viele Menschen sind direkt los, um Freunden und Familie zu helfen. Am Ende waren vielerorts noch befahrbaren Straßen zugeparkt – aus einer guten Absicht heraus. Hier sollte man vielleicht eher die Kommunikation der Kommunen abwarten, wann es sicher ist, zum Helfen zu kommen. An erst dritter Stelle kommen die offiziellen Regeln. Der Umgang mit Spenden folgt an vierter Stelle. Das läuft schnell aus dem Ruder und kann Logistik überlasten. Überspitzt gesagt wird zum Teil falsch gespendet, wenn jeder nach alten Decken zu Hause sucht. Aufrufe abzuwarten ist hier besser.

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Sie haben zum Thema wie sich Touristen während und nach einer Krise benehmen promoviert. Was sind Ihre zentralen Erkenntnisse?

Geforscht habe ich im Kontext von 9/11. Die Studie drehte sich um den unmittelbaren Besuch in Krisengebiete. Hier habe ich mir angeschaut wie Reisende und Touristen reagieren. Meine Erkenntnis: Die meisten folgen ihrer Routine. Wir bewegen uns quasi in einer eigenen touristischen Blase, da wir mit bekannten Personen wie dem Partner verreisen. Wenn etwas passiert, kann ich heute ja auch schnell Facetime aufrufen und mit Freunden sprechen. Leute sitzen dann tatsächlich im Café und trinken Cappuccino. Das passiert aber, weil man es selbst nicht so drastisch einordnet und eine “gute Zeit” haben möchte. Die kulturelle Herkunft spielt auch eine Rolle. Ein Nordire, zu dem Terror förmlich zum Alltag gehört, ist viel weniger sensibilisiert als Menschen, die Katastrophen noch nie erlebt haben.

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Touristen wollen ein Stück Geschichte erleben

Die Thematik des Katastrophentourismus haben Sie kürzlich in einer Vorlesung behandelt. Was haben Sie den Studierenden mitgegeben?

Behandelt habe ich die Beweggründe von Katastrophentouristen und dass wir als Wissenschaftler darauf einen differenzierten Blick werfen sollten. Zum Beispiel wird es Touristen geben, die ein Stück “Geschichte” erleben wollen und ihren Enkeln später von der “großen Flut” erzählen werden. Außerdem sollte eine Abgrenzung zur Schaulust getroffen werden. Hierbei sprechen wir an der Universität von “der Lust, sich etwas anzuschauen”. Die andere Perspektive bezieht sich auf die Betroffenen, die “Unlust” verspüren, beschaut zu werden. In den Vorlesungen geht es um diese Einordnung und auch die Rolle der sozialen Medien. Hier verschwimmen schnell die Grenzen zwischen, was ist privat oder offiziell. Medien binden ja auch Postings von Twitter oder Facebook in ihre Beiträge ein.

Porträt Pascal Mandelartz

Prof. Dr. Pascal Mandelartz ist seit 2017 an der IU Internationalen Hochschule als Professor für Tourismuswirtschaft tätig. Er schloss einen Master in Tourismusmanagement sowie eine Promotion zum Thema „Tourist Behaviour during and after Times of Crisis“ ab.

Foto: privat

Hier finden Sie ausgewählte Publikationen zum Thema Katastrophentourismus von Pascal Mandelartz

Mandelartz, P. (2012) Post Crisis Tourism: Attitudes and Perceptions of the Risk Society Traveller. International Journal of Business and Management Studies. ISSN: 2158-1479: 1(2):517–526 (2012). UniversityPublications.net

Johnston, A., Tigre-Moura, F., Mandelartz, P. (2014) “Welcome to the home of Auschwitz tours”: The online marketing of genocide tourism – Researchgate

Mandelartz, P., Johnston, A. (Eds.) (2015) Thanatourism: Case Studies in Travel to the Dark Side. Oxford: Goodfellows. 2 chapters contributed.
Zur Oven-Krockhaus, I., Mandelartz, P., Steffen, J. (2019). Bewertungen in der Kundenkommunikation von touristischen Unternehmen und Einfluss auf das Buchungsverhalten der Digital Natives. DGT Jahresbericht.

Ein Beitrag von:

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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