Wasser zu Wein: Neue Spur zum ersten Wunder Jesu entdeckt
Archäolog*innen glauben, den wahren Ort von Jesu erstem Wunder gefunden zu haben – nicht in Kafr Kanna, sondern in Khirbet Qana.

Archäologen entdecken Hinweise auf den echten Ort von Jesu erstem Wunder – nicht Kafr Kanna, sondern Khirbet Qana in Galiläa.
Foto: PantherMedia / rudall30
Die Hochzeit zu Kana gehört zu den bekanntesten Episoden des Neuen Testaments. Laut dem Johannesevangelium verwandelte Jesus dort bei einer Hochzeit Wasser in Wein – sein erstes öffentliches Wunder. Lange galt das heutige Kafr Kanna, rund fünf Kilometer nordöstlich von Nazareth, als Schauplatz dieses Ereignisses. Doch neue archäologische Funde werfen Zweifel auf diese lange gepflegte Annahme. Stattdessen rückt ein anderer Ort in den Fokus: Khirbet Qana.
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Khirbet Qana: Ein vergessenes Dorf mit Geschichte
Khirbet Qana liegt rund 12 Kilometer nordwestlich von Nazareth im Norden Israels. Die Ausgrabungen begannen dort bereits 1998. Der Archäologe Tom McCollough, bis 2017 Professor für Religion und Geschichte am Centre College in den USA, übernahm später die Leitung der Forschungsarbeiten. McCollough und sein Team entdeckten unterirdische Anlagen, die Hinweise auf eine frühe christliche Pilgerstätte liefern. Die Anlage umfasst mehrere Höhlen aus der byzantinischen Epoche, teilweise bis in die Zeit der Kreuzzüge genutzt.
An den Wänden fanden die Archäolog*innen griechische Inschriften wie „Kyrios Iesou“ (Herr Jesus) sowie eingeritzte Kreuze und Pilgerzeichen. Ein besonders auffälliger Fund war ein Altar, gefertigt aus dem umgedrehten Deckel eines Sarkophags. Direkt darüber befand sich ein Regal mit einem Steingefäß und Platz für fünf weitere – also insgesamt sechs Krüge. Das entspricht der biblischen Beschreibung.
Pilgertexte und geografische Indizien
Entscheidend für die Bewertung der Fundstätte war auch der Abgleich mit Pilgerberichten aus der Spätantike. Diese Texte beschreiben unterirdische Andachtsräume in Kana, die mit dem Höhlenkomplex in Khirbet Qana auffallend gut übereinstimmen. Auch geografische Quellen wie die Schriften des jüdischen Historikers Flavius Josephus passen zu dieser Lage – und nicht zu Kafr Kanna. Josephus erwähnt ein Dorf Kana in der Nähe des Sees Genezareth, was mit Khirbet Qana besser übereinstimmt.
McCollough weist zudem darauf hin, dass Kafr Kanna erst im 18. Jahrhundert systematisch als Wallfahrtsort etabliert wurde. Franziskanische Ordensleute wählten den Ort offenbar wegen seiner Erreichbarkeit für Pilger, nicht aufgrund archäologischer Belege. In Kafr Kanna fehlt bislang jeder Nachweis für eine jüdische Besiedlung zur Zeit Jesu.
Ein Rückzugsort für Jesus?
Für McCollough ergibt sich ein weiteres Indiz aus der Rolle, die Kana im Neuen Testament spielt. Jesus und seine Jünger kehren nach ihrer Reise oft nach Kana zurück. Für McCollough spricht das dafür, dass Kana – und somit womöglich Khirbet Qana – mehr war als nur ein Schauplatz für ein einzelnes Wunder. Es könnte sich um eine Art Rückzugsort oder sogar um ein Zentrum der frühen Jesusbewegung gehandelt haben.
Hinzu kommen weitere archäologische Hinweise: Münzfunde aus der Zeit der Makkabäer und ein Beit Midrasch – ein jüdisches Studienhaus – deuten darauf hin, dass Khirbet Qana zu Lebzeiten Jesu ein aktives, jüdisches Dorf war. Das passt zu den Voraussetzungen, die der Bibeltext impliziert.
Zweifel an Kafr Kanna
Demgegenüber steht das heutige Kafr Kanna, das jährlich Hunderttausende Pilgerinnen und Pilger empfängt. Die dortige Hochzeitskirche beansprucht, über den historischen Ort des Wunders zu wachen. Allerdings konnten Archäolog*innen dort bislang keine eindeutigen Spuren einer römisch-jüdischen Siedlung sichern. Auch fehlen Hinweise auf frühe christliche Verehrung oder Pilgeraktivitäten vor dem 18. Jahrhundert.
Die bisherigen archäologischen Erkenntnisse in Khirbet Qana hingegen deuten klar auf eine jahrhundertealte Tradition der Pilgerfahrt hin – bereits ab dem 5. Jahrhundert.
Neubewertung der biblischen Überlieferung
Ob Khirbet Qana wirklich der Ort des ersten Wunders Jesu ist, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Doch die Funde geben Anlass zu einer Neubewertung. Für McCollough steht fest: „Unsere Ausgrabungen haben gezeigt, dass dies ein blühendes jüdisches Dorf im Herzen des Lebens und Wirkens Jesu war.“ Der archäologische Befund sei konsistent mit den Evangelien, mit historischen Texten und mit der Verehrungspraxis früher Christ*innen.
Die Frage, wo Jesus Wasser in Wein verwandelte, bleibt offen. Aber die Debatte um Kafr Kanna und Khirbet Qana zeigt, wie stark archäologische Funde unser Verständnis religiöser Überlieferungen verändern können.
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