Weltformel, Schrödingers Katze und die neue Supergravitation
Neues Modell in 5 Dimensionen: Schrödingers Katze, Supergravitation und die Weltformel – kann ein Hologramm das Universum erklären?

Wissenschaftler erweitern die Grenzen der Physik, indem sie eine gewagte Theorie namens Holographisches Prinzip testen, die dazu beitragen könnte, die Quantenmechanik und die allgemeine Relativitätstheorie zu vereinen.
Foto: PantherMedia / agsandrew (YAYMicro)
Die Quantenmechanik und die allgemeine Relativitätstheorie lassen sich bisher nicht vereinheitlichen. Forschende versuchen nun, mithilfe des holografischen Prinzips und der M-Theorie diese Lücke zu schließen. Ein mathematisches Modell aus der Supergravitation liefert dazu neue Ansätze – mit überraschend stabilen Ergebnissen, die selbst Schrödingers Katze gefallen dürften.
Inhaltsverzeichnis
- Zwei Theorien, eine Welt – aber noch keine Verbindung
- Supergravitation: Gravitation trifft Supersymmetrie
- Das Universum als Hologramm?
- M-Theorie und die geheimnisvollen M5-Branen
- Ein neues Modell aus fünf Dimensionen
- Holographische Berechnung eines physikalischen Spektrums
- Schrödingers Katze als Sinnbild
- Fazit: Mathematische Modelle statt Teilchenbeschleuniger
Zwei Theorien, eine Welt – aber noch keine Verbindung
Seit über einem Jahrhundert versuchen Forschende, zwei fundamentale Säulen der modernen Physik miteinander zu verknüpfen: die Quantenmechanik und die allgemeine Relativitätstheorie. Während erstere das Verhalten kleinster Teilchen beschreibt, regelt letztere die Dynamik des Universums auf großen Skalen. Doch eine Theorie, die beide Konzepte unter ein Dach bringt, existiert bisher nicht.
Schrödingers Gleichung, vorgestellt 1926, ist dabei ein zentrales Werkzeug der Quantenphysik. Sie beschreibt, wie sich der Zustand eines quantenmechanischen Systems im Laufe der Zeit entwickelt – inklusive aller Wahrscheinlichkeiten, die mit diesen Zuständen verbunden sind. Auch wenn sie selbst keine Gravitation berücksichtigt, ist sie bis heute Grundlage für viele theoretische Ansätze – unter anderem für die Suche nach der sogenannten Supergravitation.
Supergravitation: Gravitation trifft Supersymmetrie
Supergravitation ist ein theoretischer Rahmen, der versucht, Gravitation mit Supersymmetrie zu kombinieren. Supersymmetrie ist ein Konzept, das für jedes bekannte Teilchen ein noch unentdecktes Partnerteilchen postuliert. Supergravitation erweitert diese Idee auf die Schwerkraft – mit dem Ziel, eine konsistente Theorie der Quantengravitation zu formulieren.
An der Utah State University arbeiten Physiker wie Abhay Katyal und Oscar Varela genau an dieser Schnittstelle. Sie greifen dabei auf ein Konzept zurück, das ebenso ungewöhnlich wie faszinierend ist: das holografische Prinzip.
Das Universum als Hologramm?
Das holografische Prinzip basiert auf der Annahme, dass sich alle Informationen eines Raumes auf dessen Rand beschreiben lassen. Im übertragenen Sinn bedeutet das: Die dreidimensionale Realität könnte eine Art Projektion einer zweidimensionalen Theorie sein.
Für theoretisch arbeitende Physiker:innen bietet dieser Ansatz einen Vorteil. Er erlaubt es, komplexe Modelle der Gravitation in einer einfacheren Quantenfeldtheorie zu beschreiben – und das mit mathematischer Präzision.
„Das holografische Prinzip ist unser Modell, um Vorhersagen über die Quantengravitation zu treffen“, sagt Varela. Die Forschenden sehen darin eine Möglichkeit, bisher unvereinbare Theorien in ein gemeinsames Bild zu bringen.
M-Theorie und die geheimnisvollen M5-Branen
Ein weiteres Element in dieser Suche ist die sogenannte M-Theorie – ein Kandidat für die „Theorie von allem“. Sie vereint verschiedene Stringtheorien und beschreibt die fundamentalen Bausteine des Universums nicht als Punkte, sondern als schwingende „Strings“ oder höherdimensionale Objekte, sogenannte Branen.
Besonders rätselhaft sind dabei die M5-Branen. Diese fünfdimensionalen Gebilde lassen sich mathematisch schwer fassen – insbesondere, wenn man sie auf gekrümmten zweidimensionalen Flächen aufwickelt, wie es die sogenannte Class-S-Theorie beschreibt.
Ein neues Modell aus fünf Dimensionen
Ein Team von Forschenden aus den USA und Europa – darunter auch Varela – hat nun eine neue Variante der Supergravitation in fünf Dimensionen entwickelt. Sie basiert auf einer speziellen Geometrie, bei der eine vierdimensionale Kugelstruktur über eine gekrümmte Fläche gelegt wird. Diese Konstruktion verzichtet auf eine klassische Lagrangedarstellung und enthält sogenannte Trombone-Gaugings – spezielle Eichsymmetrien, die keine klassische Beschreibung zulassen.
Was das Modell besonders macht: Es ermöglicht eine konsistente Reduktion der 11-dimensionalen M-Theorie auf ein fünfdimensionales Modell – und zwar ohne Informationsverlust.
Holographische Berechnung eines physikalischen Spektrums
Aus dem Modell konnten die Forschenden das sogenannte Kaluza-Klein-Spektrum berechnen. Dieses beschreibt, welche Teilchenzustände durch die Kompaktifizierung entstehen, also durch das Einrollen höherer Dimensionen auf kleinere Skalen.
Das Erstaunliche: Das Spektrum bleibt unabhängig von der genauen Form der gekrümmten Fläche – solange deren Genus, also die Anzahl der Löcher oder Griffe, groß genug ist. Dadurch ergibt sich ein universeller Bauplan für stark gekoppelte vierdimensionale Quantenfeldtheorien.
Ein zentrales Ergebnis war zudem die holografische Berechnung des sogenannten superkonformen Index. Dieser Index zählt die Anzahl an Zuständen, die unter Supersymmetrie nicht zerfallen – also besonders stabile Konfigurationen. Die Werte stimmen mit bekannten Vorhersagen überein und liefern darüber hinaus neue Impulse.
Schrödingers Katze als Sinnbild
Was hat das alles mit Schrödingers Katze zu tun? In gewisser Weise ist sie ein Symbol für die paradoxen Zustände der Quantenwelt: gleichzeitig lebendig und tot, gleichzeitig offen und geschlossen. Genau dieses Prinzip – dass zwei sich scheinbar widersprechende Zustände zugleich existieren können – findet sich auch in der Suche nach einer Weltformel wieder.
Quantenmechanik und Gravitation scheinen sich zu widersprechen. Doch vielleicht gilt auch hier: Beides ist wahr – unter den richtigen Bedingungen.
Fazit: Mathematische Modelle statt Teilchenbeschleuniger
Da sich viele dieser Theorien experimentell nicht testen lassen, bleibt theoretischen Physiker:innen nur ein Ausweg: die Mathematik. „Ein präzises mathematisches Modell ist für uns das, was für Experimentalphysiker:innen ein Messgerät ist“, sagt Varela.
Und tatsächlich: Wenn sich diese Modelle weiter verfeinern lassen, könnten sie uns einen Schritt näher an das Ziel bringen – eine einheitliche Theorie von allem.
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