Physiker knacken ein Grundproblem der Quantenthermodynamik
Forschende aus Basel lösen das Problem der Unterscheidung von Arbeit und Wärme auf mikroskopischer Ebene. Wichtiger Schritt für Quantennetzwerke und -technologie.
Wenn Laserlicht einen mit Atomen gefüllten Hohlraum durchläuft, kann ein Teil davon nützliche Arbeit leisten (zum Beispiel eine Quantenbatterie aufladen, oben), der andere Teil dagegen wird zu «Wärme» (unten).
Foto: Scixel/Universität Basel, Departement Physik
Ein Team der Universität Basel hat einen Weg gefunden, die fundamentalen Gesetze der Thermodynamik auch auf kleinste Quantensysteme anzuwenden. Sie sicherten die Gültigkeit der Hauptsätze durch eine Neudefinition von „Arbeit“ und „Wärme“ auf mikroskopischer Ebene – ein wichtiger Schritt für die Quantentechnologie.
Die Thermodynamik, die Lehre von Wärme und Arbeit, ist eine der wichtigsten Grundlagen der modernen Ingenieurwissenschaften. Ihre Hauptsätze regeln Energieerhaltung und Entropie in jedem denkbaren System. Doch ihre Anwendung scheiterte bisher oft, sobald man von großen, makroskopischen Systemen zu kleinsten, mikroskopischen Quantensystemen wechselte.
Forschende der Universität Basel um den Physiker Prof. Dr. Patrick Potts lösten dieses Dilemma mit einem neuen Ansatz. Sie entwickelten einen Formalismus, der thermodynamische Größen wie Arbeit und Wärme auch für bestimmte Quantensysteme konsistent definiert.
Inhaltsverzeichnis
Die historische Unterscheidung von Wärme und Arbeit
Das grundlegende Verständnis, dass Wärme keine Substanz ist, sondern eine Form der Energie, entwickelte sich Ende des 18. Jahrhunderts. Der Offizier und Physiker Benjamin Thompson, bekannt als Graf Rumford, stellte dies 1798 in München fest. Er beobachtete bei Bohrversuchen von Kanonenrohren, dass durch die mechanische Reibung unbegrenzt Wärme entstehen konnte. Rumford maß die entstehende Wärmemenge, indem er die Kanonenrohre in Wasser tauchte und die Zeit bis zum Sieden stoppte.
Aufbauend auf solchen Versuchen festigte sich im 19. Jahrhundert die Thermodynamik. Sie lieferte die physikalische Erklärung für die Funktionsweise von Dampfmaschinen und trieb so die Industrielle Revolution voran. Heute gelten die Hauptsätze der Thermodynamik als Basiswissen:
- Der erste Hauptsatz besagt, dass die Gesamtenergie in einem geschlossenen System – die Summe aus Wärme und Arbeit – erhalten bleibt (Energieerhaltung).
- Der zweite Hauptsatz besagt, dass die Entropie, also die Unordnung, in einem geschlossenen System niemals abnimmt (Zunahme der Unordnung).
Diese Regeln sind zwar universell gültig, doch ihre Definitionen für Arbeit (nützliche, geordnete Energie) und Wärme (ungeordnete, mikroskopische Bewegung) verlieren in der Quantenwelt an Klarheit.
Das Dilemma auf Quantenebene
Das Problem liegt laut den Basler Forschenden in der Natur der Quantensysteme selbst. Doktorand Aaron Daniel erklärt: „Bei der thermodynamischen Beschreibung von Quantensystemen haben wir das Problem, dass in solchen Systemen alles mikroskopisch ist. Dadurch funktioniert die Unterscheidung von Arbeit, also nützlicher makroskopischer Energie, und Wärme, also ungeordneter mikroskopischer Bewegung, nicht mehr so einfach.“
Die klassische Trennung zwischen geordneter Arbeit und ungeordneter Wärme verwischt auf der kleinsten Ebene, auf der alles mikroskopisch ist. Die Forschenden benötigten eine neue, quantenmechanische Definition für die nützliche Energie (Arbeit), um die Hauptsätze zu retten.
Was das Team untersuchte
Das Team um Daniel untersuchte als Modellsystem sogenannte Resonatoren – Hohlräume, in denen Laserlicht zwischen zwei Spiegeln reflektiert wird und dabei mit Atomen im Inneren interagiert.
Laserlicht besitzt eine besondere Eigenschaft: Seine elektromagnetischen Wellen schwingen nahezu perfekt im Gleichtakt. Die Fachwelt nennt diesen Gleichtakt Kohärenz. Trifft das Laserlicht in einem Hohlraum auf Atome, kann dies den Gleichtakt stören. Das Licht wird teilweise oder vollständig inkohärent, was der ungeordneten Bewegung von Teilchen entspricht.
„Die Kohärenz des Lichts in einem solchen Laser-Resonator-System war der Ausgangspunkt unserer Berechnungen“, sagt Max Schrauwen, der als Bachelorstudent am Projekt beteiligt war. Die Forschenden nutzten die Kohärenz des Lichts, um „Arbeit“ neu zu definieren.
Alles eine Frage der Definition?
Im Quantenbereich kann Arbeit beispielsweise die Fähigkeit sein, eine sogenannte Quanten-Batterie aufzuladen – also eine Ansammlung von Atomen gemeinsam in einen höheren Energiezustand zu versetzen. Dafür ist kohärentes Licht notwendig.
Das zunächst kohärente, einfallende Laserlicht kann Arbeit leisten. Das austretende, nun teilweise inkohärente Licht besitzt hingegen nur noch eine geminderte Fähigkeit, diese nützliche Arbeit zu verrichten. Die Basler Forschenden untersuchten, was passiert, wenn sie nur den inkohärenten Anteil des austretenden Lichts als Wärme definieren und der kohärente Anteil weiterhin als Arbeit gilt.
Die Hauptsätze bleiben erfüllt
Das Ergebnis des Teams war eindeutig: Wird Arbeit über die Kohärenz des Lichts definiert und nur der Verlust an Kohärenz als Wärme betrachtet, bleiben die Hauptsätze der Thermodynamik erfüllt. Der Ansatz ist somit schlüssig und anwendbar.
Dieser neue Formalismus erlaubt es den Forschenden, präzisere Fragestellungen in der Quantenthermodynamik zu untersuchen. Dies ist von Bedeutung für zukunftsweisende quantentechnologische Anwendungen wie etwa Quantennetzwerke.
Darüber hinaus trägt die Methode dazu bei, den Übergang von klassischem Verhalten makroskopischer Systeme zum quantenmechanischen Verhalten mikroskopischer Systeme genauer zu erforschen. Die Arbeit der Basler Physikerinnen und Physiker schlägt damit eine Brücke zwischen der bewährten klassischen Thermodynamik und der komplexen Welt der Quantenphysik.
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