Wie Quantentricks die genaueste Uhr der Welt noch besser machen
TU Wien zeigt: Mit zwei Zeitskalen lässt sich Zeit genauer messen – mit weniger Energie. Quantenuhren könnten effizienter werden als gedacht.

Forschende entwickeln neue Methode zur Zeitmessung: Quantenuhren könnten effizienter sein als gedacht.
Foto: Alexander Rommel & TU Wien
Quantenuhren gelten als extrem präzise Zeitmesser. Forschende der TU Wien und internationale Partner zeigen nun: Die Genauigkeitsgrenze lässt sich verschieben – wenn man das richtige Messkonzept wählt.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist eigentlich eine Uhr?
- Entropie – ein Maß für die Unumkehrbarkeit
- Die bisherige Annahme: Mehr Genauigkeit kostet mehr Energie
- Zwei Zeitskalen: ein Trick aus der Quantenwelt
- Quantentransport statt permanenter Beobachtung
- Mehr Genauigkeit, aber selektiv gemessen
- Anwendungen und technologische Umsetzung
- Warum das wichtig ist
Was ist eigentlich eine Uhr?
Zeit zu messen bedeutet, Veränderungen festzuhalten. Jede Uhr besteht daher aus zwei Elementen: einem Taktgeber und einem Zähler. Der Taktgeber liefert regelmäßige Impulse – wie das Pendel einer alten Standuhr oder die Schwingung eines Atoms in modernen Quantenuhren. Der Zähler wiederum erfasst, wie viele dieser Impulse bereits vergangen sind.
Im Fall von Atomuhren übernimmt ein einzelnes Atom – meist Cäsium oder Strontium – die Rolle des Pendels. Es verändert in regelmäßigen Intervallen seinen Zustand. Diese Zustandswechsel werden gezählt, um die verstrichene Zeit zu bestimmen. Der Vorgang ist jedoch nie vollkommen verlustfrei.
Entropie – ein Maß für die Unumkehrbarkeit
„Jede Uhr erhöht die Entropie im Universum, sonst ist sie keine Uhr“, sagt Florian Meier von der TU Wien. In einfachen Worten: Jede Zeitmessung geht mit einem Energieaufwand einher, der eine gewisse Unordnung erzeugt. Ein Pendel erzeugt Reibung an der Luft. Ein Laserstrahl, der den Zustand eines Atoms misst, verbraucht Energie und erzeugt Wärme.
In der Thermodynamik beschreibt die Entropie, wie geordnet oder ungeordnet ein System ist. Und: Jede Information, die man aus einem physikalischen Prozess gewinnt – wie etwa der Zustand eines Uhrzeigers – führt zu einer minimalen, aber unvermeidlichen Erhöhung der Entropie.
Die bisherige Annahme: Mehr Genauigkeit kostet mehr Energie
Lange galt ein scheinbar unumstößlicher Grundsatz: Wer die Zeit doppelt so genau messen will, muss dafür auch doppelt so viel Energie aufwenden. Denn jede zusätzliche Messung verursacht zusätzliche Entropie. Und die wiederum braucht Energie.
Diese Annahme ergab sich direkt aus den Gesetzen der Quantenphysik. Denn dort gibt es keine unbegrenzte Präzision. Stattdessen ist immer ein gewisses Maß an Zufall eingebaut – Stichwort „Unschärferelation“.
Zwei Zeitskalen: ein Trick aus der Quantenwelt
Ein Forschungsteam der TU Wien, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Universität Chalmers in Schweden und der Universität Malta hat nun einen neuen Weg gefunden, diese Grenze zu umgehen – zumindest teilweise. Die Lösung: eine Uhr mit zwei unterschiedlichen Zeitskalen.
„Das Entscheidende bei unserer Methode ist, dass sich der eine Zeiger rein quantenphysikalisch benimmt, und nur der andere, langsamere Zeiger tatsächlich mit einem entropie-erzeugenden Effekt einhergeht“, sagt Yuri Minoguchi.
Das bedeutet: Der schnellere Teil der Uhr arbeitet auf quantenmechanischer Ebene, ohne ständig gemessen zu werden. Er läuft quasi im Hintergrund. Nur der langsame Zeiger – etwa der Minutenzeiger in einem Uhrmodell – wird aktiv beobachtet. Das reduziert den Energieverbrauch deutlich.
Quantentransport statt permanenter Beobachtung
In klassischen Uhren erfolgt das Messen durch permanente Beobachtung: Ein Teilchen bewegt sich, es wird gemessen – und diese Messung verbraucht Energie. Bei Quantenuhren hingegen kann ein Teilchen theoretisch gleichzeitig an mehreren Orten sein. Erst am Ende des Prozesses wird es gemessen. Der Zwischenweg bleibt unbestimmt – und damit frei von Energieverlusten.
„Man kann für die Zeitmessung zum Beispiel Teilchen verwenden, die von einem Bereich in den anderen wechseln, ähnlich wie Sandkörner in einer Sanduhr“, erklärt Florian Meier. Entscheidend ist: Die Bewegung selbst muss nicht gemessen werden. Erst das Ankommen zählt – und dieses Ankommen wird thermodynamisch registriert.
Mehr Genauigkeit, aber selektiv gemessen
Im neuen Modell der Forschenden ersetzt man viele kleine, energieintensive Messungen durch wenige, gezielte Messungen am Ende. Das senkt den Gesamtverbrauch. Denn: Nur wenn das Teilchen endgültig ankommt – vergleichbar mit dem Umdrehen einer Sanduhr – entsteht Entropie.
Die Forschenden bezeichnen das als Kombination einer klassischen und einer Quanten-Zeitmessung. Der Vorteil: Die Quantenuhr arbeitet präzise im Inneren, ohne das System unnötig zu stören. Erst wenn es darauf ankommt, wird der Zustand des Systems abgefragt – mit dem gewünschten Informationsgewinn.
Anwendungen und technologische Umsetzung
Die theoretische Idee lässt sich laut den Forschenden auch in der Praxis testen. Simone Gasparinetti von der Universität Chalmers erklärt: „Die Theorie kann mithilfe von supraleitenden Schaltkreisen überprüft werden, einer der derzeit fortschrittlichsten Quantentechnologien.“
Supraleitende Schaltkreise arbeiten nahezu verlustfrei bei extrem tiefen Temperaturen. Sie eignen sich hervorragend, um empfindliche Quantenzustände zu erzeugen und auszulesen – und könnten eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung künftiger Quantenuhren spielen.
Warum das wichtig ist
Das neue Konzept erlaubt nicht nur präzisere Zeitmessung mit weniger Energie. Es berührt auch ein grundlegendes physikalisches Problem: Wie hängen Quantenmechanik und Thermodynamik zusammen?
„Dieses Ergebnis hilft uns auch, eines der großen ungelösten Rätsel der Physik besser zu verstehen“, sagt Marcus Huber von der TU Wien. Denn die Verbindung zwischen der mikroskopischen Quantenwelt und der makroskopischen Thermodynamik ist noch nicht vollständig verstanden.
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