Netzknoten in Aachen legt den Grundstein für Europas Quanteninternet
Das Quanteninternet gilt als eines der ehrgeizigsten Zukunftsprojekte Europas. Forschende aus Aachen haben einen entscheidenen Beitrag geleistet.

Das stationäre Qubit des Quanteninternetknotens mit einem Farbzentrum. Solche Defekte in Zuchtdiamanten emittieren bei Anregung on-demand Einzelphotonen, die mit dem Zustand des Qubits verschränkt sind und diese Information transportieren können.
Foto: Fraunhofer ILT, Aachen / Ralf Baumgarten
Das Quanteninternet gilt als eines der ehrgeizigsten Zukunftsprojekte Europas. In einem eher unauffällig anmutenden Labor am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT) in Aachen legen Forschende dazu einen der Grundsteine.
Der Beginn des Betriebs eines neuen photonischen Quanteninternetknotens markiert nicht nur einen technologischen Meilenstein, sondern auch eine neue Ära für sichere Kommunikation, verteiltes Quantencomputing und Datenschutz auf Basis quantenphysikalischer Prinzipien. Entwickelt haben die Forschenden des Fraunhofer ILT das quantenbasierte System gemeinsam mit dem niederländischen Partner TNO. Es ist angelehnt an die Infrastruktur, die das Forschungszentrum QuTech in Delft bereits erfolgreich zur Demonstration von Quantenverschränkung zwischen Den Haag und Delft nutzte.
Baugleiche Quanteninternetknoten in den Niederlanden
Der Quanteninternetknoten in Aachen ist nahezu baugleich mit den Knoten, die bereits in den Niederlanden Verschränkungsexperimente über 25 km Glasfaser durchführten. Hier wie dort spielen NV-Zentren in Diamantkristallen die zentrale Rolle. NV steht für „nitrogen vacancy“, es sind Stickstoff-Fehlstellen, eingebettet in das Kristallgitter eines synthetischen Diamanten. Sie bilden die Basisstationen für verschränkte Quantenzustände. Ein durch einen Laser angeregtes NV-Zentrum emittiert dabei ein einzelnes Photon, das mit dem Elektronenspin in dem Kristall verschränkt ist. Dieses Photon kann dann durch Glasfasernetze transportiert werden, um an einem weit entfernten Ort wieder mit einem anderen Qubit in Verschränkung gebracht zu werden. Die Voraussetzung dafür ist eine äußerst präzise Kontrolle über Timing, Phase und Frequenz – eine Aufgabe, für die sich die Photonik besonders gut eignet.
Jegliche Abhörversuche fallen im Quanteninternet sofort auf
Im Projekt des Fraunhofer ILT kommt ein eigens dafür entwickelter Quantenfrequenzkonverter zum Einsatz. Er verschiebt die Wellenlänge der Photonen aus dem sichtbaren Bereich (380 nm bis 780 nm) ins nahe Infrarot bei 1550 nm. Denn während die NV-Zentren Photonen bei etwa 637 nm (rotorange) erzeugen, sind herkömmliche Telekommunikationsfasern für diese Wellenlänge zu verlustbehaftet. Nur durch die Frequenzkonversion ins Infrarote lässt sich die Reichweite eines Quantennetzwerks deutlich erhöhen.
„Für den Austausch der Überlagerungszustände zwischen den Netzknoten müssen wir so viele Photonen wie irgend möglich ans andere Ende der Leitung bringen“, erklärt Bernd Jungbluth, Leiter der Strategic Mission Initiative Quantentechnology am Fraunhofer ILT.
Die physikalische Grundlage des Quanteninternets
Die Quantenverschränkung selbst, die physikalische Grundlage des Quanteninternets, ist ein faszinierendes Phänomen: Zwei oder mehr Quantenobjekte, etwa Photonen oder Elektronenspins, verhalten sich so, als wären sie Teil eines einzigen, unteilbaren Systems – auch wenn sie durch große Entfernungen getrennt sind. Wird der Zustand des einen gemessen, steht augenblicklich auch der Zustand des anderen fest. Diese Verbindung ist so empfindlich, dass jeder Versuch, sie zu beobachten oder zu stören, sie zerstört. Genau hier liegt das Potenzial für abhörsichere Kommunikation. Jeder Abhörversuch würde unweigerlich auffallen.
Das Beispiel Delft/Den Haag zeigt, wie real diese Konzepte inzwischen geworden sind. QuTech, ein Joint Venture der TU Delft und TNO, hatte es 2022 geschafft, eine stabile Verschränkung zwischen stationären Qubits über eine 25 km lange Glasfaserverbindung herzustellen – ein echter Fortschritt. Dabei wurden Photonen, die mit NV-Zentren verschränkt waren, durch die Leitung geschickt. In der Mitte trafen sie auf einen gemeinsamen Detektor, wo sie in einer sogenannten Bell-State-Messung interferierten. Bell-States oder Bell-Zustände gelten als einfache Beispiele für die Quantenverschränkung, es sind quantenmechanische Mehrteilchenzustände aus zwei Teilchen. Gelingt diese Messung, wird die Verschränkung auf die Ursprungs-Qubits übertragen. Diese Technik ist nicht nur bemerkenswert, sondern derzeit auch der einzig praktikable Weg, um Quantenzustände über große Entfernungen zu verbinden.
Wichtiger Beitrag zum europäischen Quanteninternet
Mit dem neuen Knoten in Aachen soll ein ähnlich leistungsfähiger Testaufbau entstehen. Dort können sich Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus ganz Europa einklinken. „Damit leistet das Fraunhofer ILT einen konkreten Beitrag zur europäischen Vernetzung – wie sie auch die Quanteninternet Alliance (QIA) verfolgt“, sagt Jungbluth. Das langfristige Ziel ist es, diesen Netzknoten in ein städtisch skalierbares Quanteninternet – ein Metropolitan Scale Quantum Network – zu integrieren. Bereits heute ist er an eine lokale Faserinfrastruktur in Aachen angebunden. Dort kommt er in einem offenen Testfeld für photonische Quantenhardware zum Einsatz. Partner wie die RWTH Aachen und weitere Industriebeteiligte sollen helfen, den Knoten und seine photonischen Komponenten weiterzuentwickeln.
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