Ist die Erde anders entstanden als bisher gedacht?
Neue Studie zeigt: Die ersten Kontinente der Erde entstanden wohl nicht durch Plattentektonik, sondern durch Magmaströme aus dem Erdmantel.
Wie sind die ersten Landmassen entstanden? Neue Studien zeigen, dass deren Ursprung tief im Erdmantel lag.
Foto: Smarterpix / ianm36
Neue Daten aus Nordchina legen nahe, dass die erste kontinentale Kruste der Erde vor 2,5 Milliarden Jahren nicht durch Plattentektonik, sondern durch aufsteigende Mantelplumes und das Absinken schwerer Gesteine – Sagduktion – entstand. Die Studie widerspricht der klassischen Lehrmeinung und gibt einen neuen Blick auf die Frühgeschichte unseres Planeten.
Inhaltsverzeichnis
Ein alter Streit bekommt neuen Zündstoff
Wie sind die ersten Kontinente unseres Planeten entstanden? Diese Frage beschäftigt Geowissenschaftler*innen seit Jahrzehnten. Zwei Theorien standen sich bislang gegenüber: Entweder entstanden die ersten Landmassen durch Plattentektonik – also durch das Absinken ozeanischer Platten unter andere Platten – oder sie formten sich durch andere Prozesse aus dem Inneren der Erde. Nun bringt eine neue Studie aus Hongkong Bewegung in die Debatte.
Das Forschungsteam um Dr. Dingyi Zhao und Dr. Xiangsong Wang von der Universität Hongkong hat Hinweise darauf gefunden, dass Plattentektonik wohl nicht die treibende Kraft hinter der frühesten Kontinentbildung war. Stattdessen sprechen ihre Daten für einen doppelt aufsteigenden Magmaschub aus dem Erdmantel – sogenannte Mantelplumes.
TTG-Gesteine als Zeugen der Frühzeit
Im Fokus der Studie stehen sogenannte TTG-Gesteine. Die Abkürzung steht für Tonalit, Trondhjemit und Granodiorit – drei Granitvarianten, die typisch für die älteste kontinentale Kruste sind. Diese Gesteine bilden die Grundlage vieler Urkontinente und sind über 2,5 Milliarden Jahre alt.
Die Forschenden untersuchten Proben aus dem östlichen Block des Nordchinesischen Kratons. Dieser Bereich gehört zu den ältesten geologischen Strukturen der Erde. Besonders aufschlussreich: In den TTG-Gesteinen sind winzige Zirkonkristalle eingeschlossen. Diese Mineralien bewahren chemische Signaturen aus der Zeit ihrer Entstehung – eine Art Zeitkapsel der Erdgeschichte.
Zirkone verraten Ursprung ohne Subduktion
Die Zirkonanalysen lieferten zwei entscheidende Ergebnisse: Erstens enthalten sie relativ wenig Wasser. Zweitens zeigen sie ein Sauerstoffisotopenverhältnis, das auf Gesteine hinweist, die mit Meerwasser in Berührung standen. Diese Kombination ist ungewöhnlich. Gesteine aus klassischen Subduktionszonen – wie man sie heute kennt – sind in der Regel wasserreicher.
„Unsere Ergebnisse liefern starke Hinweise darauf, dass die kontinentale Kruste im Archaikum nicht durch Subduktion entstanden sein muss“, sagt Zhao. Die untersuchten Zirkone enthielten im Mittel rund 263 ppm Wasser – Subduktionszirkone bringen es auf über 1000 ppm. Dazu kommt ein durchschnittlicher δ¹⁸O-Wert von 6,22 ‰ – ein Indiz für ozeanisches Ausgangsmaterial.
Das Zwei-Stufen-Modell: Mantelplume, dann Schmelze
Auf Basis dieser Daten schlagen die Wissenschaftler*innen ein neues Modell zur Kontinentbildung vor. Es besteht aus zwei Phasen, die etwa 200 Millionen Jahre auseinanderliegen:
Phase 1 – Erste Magmaflut vor 2,7 Milliarden Jahren:
Ein heißer Mantelplume steigt auf, durchdringt die feste Gesteinshülle der Erde (Lithosphäre) und bildet ein mächtiges Plateau aus Basaltgestein auf dem damaligen Meeresboden.
Phase 2 – Zweiter Plume vor 2,5 Milliarden Jahren:
Ein weiterer Magmaschub bringt zusätzliche Wärme. Das führt dazu, dass Teile des basischen Plateaus aufgeschmolzen werden. Gleichzeitig sinken schwere Gesteine wie sogenannte Greenstones langsam in die Tiefe – ein Prozess, den die Forschenden als „Sagduktion“ bezeichnen. Diese vertikale Durchmischung erzeugt das typische TTG-Magma, das später zur Kruste erstarrt.
Kein Subduktionsbogen, aber ozeanisches Erbe
Die Studie zeigt auch: Die untersuchten TTGs enthalten jugendliches Hafnium, ein chemisches Element, das auf frisches Gestein aus dem Erdmantel hinweist. Zudem lassen sich Kristallisationstemperaturen von 722–758 °C rekonstruieren – typisch für wasserhaltiges Magma, das jedoch nicht unter einem Subduktionsbogen entstanden ist.
Ein weiteres Detail: Modellrechnungen zeigen, dass bereits 20 % suprakrustrales Material – also Gestein aus oberflächennahen Schichten – ausreichen, um die gemessenen Isotopenwerte zu erklären. Das spricht dafür, dass Meeresbodenmaterial ohne Subduktion in die Tiefe gelangte.
Vertikale Dynamik prägte die junge Erde
Insgesamt stützt die Studie die Theorie, dass es im Archaikum – also vor über 2,5 Milliarden Jahren – noch keine klassische Plattentektonik gab. Vielmehr dominierten vertikale Bewegungen das Geschehen. Mantelplumes brachten Hitze und Material aus der Tiefe, während oberflächennahe Gesteine unter ihrem eigenen Gewicht absanken. Diese Prozesse formten die ersten Krustenbausteine der Erde.
„Unsere Ergebnisse sprechen für einen Ursprung der archaischen Kruste in plattentektonikfreien ozeanischen Plateaus, durch Mantelplumes und Sagduktion“, so Zhao. Diese Erkenntnisse könnten auch auf andere uralte Kratone weltweit angewendet werden – etwa in Kanada, Australien oder Südafrika.
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